Baßerkundungen
Pascal
Niggenkemper zwischen Solospiel und größeren Ensembles
Foto: Manuel Wagner
Er zählt
zu der kleinen Gruppe deutscher Jazzmusiker, die sich in die Höhle des Löwen
wagten: Seit 2006 lebt Pascal Niggenkemper in New York. Nach Jahren des zähen
Durchbeißens scheint der Kontrabassist, der in Singen am Hohentwiel im tiefsten
Südwesten aufgewachsen ist, sich nunmehr immer besser in die amerikanische
Jazzszene einzufinden. Durch seine eigenen Bandprojekte wie Vision7, Le 7ème
Continent und dem PNTrio hat
er sich auch in Europa einen Namen gemacht. Jetzt legt er sein erstes Soloalbum
vor.
Du lebst seit Jahren in New York, und Deine Karriere scheint in letzter
Zeit an Fahrt gewonnen zu haben. Wie ist das passiert?
Pascal
Niggenkemper: Ich bin jetzt seit 9 Jahren in New York und mein Netz an Musikerkontakten
hat sich stark vergrößert. Darüber hinaus habe ich etliche eigene Projekte
gestartet, was mich für andere Musiker sichtbarer macht. Außerdem bin ich in
eine Hauskonzertreihe namens “Ze Couch” involviert, wo ich ebenfalls viele
Musiker und Musikerinnen kennengelernt habe. Das alles hat dazu beigetragen,
dass ich mehr und mehr für Bandprojekte angefragt werde.
Auch sehr erfahrene und respektierte Improvisatoren haben Dich in
letzter Zeit in ihre Bands geholt?
Larry Ochs
PN: Ich bin Mitglied der Gruppe Black Host des Schlagzeugers Gerald
Cleavers, in der Darius Jones Saxofon spielt und Cooper-Moore die Keyboards bedient
und seine selbstgebastelten Instrumente einbringt. Zudem hat mich der
Schlagzeuger Harris Eisenstadt für sein Ensemble Golden State engagiert. Durch
die Empfehlung von Eisenstadt bin ich im Quintett von Larry Ochs gelandet, dem
Kopf des Rova Saxophone Quartets. Er hatte in John Zorns Auftrittslokal “The
Stone” hier in New York eine Residenz und holte mich in seine Gruppe.
Hast Du Lampenfieber, wenn Du mit solchen “Heavyweights” das erste Mal zusammenspielst?
PN: Ja und Nein! Dadurch dass ich hier in New York sehr viel spiele,
ungefähr drei- bis viermal die Woche, auch in viele kleinen kreativen
Projekten, bin ich in einer gewissen Auftrittsroutine drin, die dann auch
Konzerte mit viel erfahreneren Musikern eher natürlich erscheinen läßt. Selbstverständlich
ist man gespannt, ob es funktionieren wird und gibt sein Bestes.
Du spielst regelmäßig mit afroamerikanischen Musikern wie Gerald
Cleaver, Tyshawn Sorey und Darius Jones. Gibt es noch kulturelle Gräben
zwischen weiß und schwarz?
PN: Davon merke ich nichts. Auf meiner Tour mit Gerald Cleaver’s
Black Host herrschte von Anfang an eine sehr gute Stimmung. Wir sind mit dem
Zug gereist und haben in Chicago, St. Louis und auch in Detroit gespielt, wo
Gerald Cleaver herkommt. Ich habe seine Eltern kennengelernt. Sein Vater ist
ebenfalls Schlagzeuger und hat mit vielen der Großen des Jazz gespielt. Die
Begegnung mit ihm hat einen tiefen Eindruck auf mich gemacht. Es war sehr
ermutigend zu sehen, dass es trotz anhaltendem Rassismus im Jazzbereich keine
Trennlinien und Resentiments mehr gibt. Ich wurde sehr warmherzig und
freundlich aufgenommen. Das war eine schöne Erfahrung.
Du hast in den letzten Jahren etliche eigene Bandprojekte lanciert. Hat
das Deiner Reputation geholfen?
PN: Sicher. Es war sehr wichtig für mich, als eigenständiger Künstler
wahrgenommen zu werden. Im Improvisationsbereich, wo die Musik stark auf der individuellen
Musikerpersönlichkeit basiert, ist das ein entscheidendes Moment.
Was war die Idee hinter dem Soloalbum?
PN: Das Projekt erwuchs aus meiner Zusammenarbeit mit dem Bassisten
Jean Ali. Wir haben vor vier Jahren angefangen im Duo zu spielen mit der
Vorgabe neue Sounds auf dem Bass zu finden. Ich hab dann diese Klangforschung
für mich weitergeführt unter der Fragestellung: ‘Was kann man damit im
Solospiel machen?’ Ich habe eine enorme Bandbreite an Klangmöglichkeiten
erarbeitet, ob mit Metall, Aluminium, Plastik oder Holz, und wollte das auf
einem Album dokumentieren. Ich habe mir die verschiedenen Präparationen noch
einmal intensiv angeschaut, um zu sehen, was man damit kompositorisch machen
kann. Ich wollte sie irgendwie in eine Songstruktur einbetten. Natürlich mache
ich nichts Neues, vielmehr wollte ich an die Arbeit von Bassisten wie Barre Phillips,
Peter Kowald oder Stefano Scodanibbio anknüpfen.
Auf dem Soloalbum hört sich dein Kontrabass manchmal sehr elektrisch
an…
PN: Das ist eine Illusion. Das
gesamte Album habe ich mit präpariertem akustischem Bass eingespielt. Es geht
mir gar nicht um eine Emanzipation des Instruments. Das ist längst passiert. Vielmehr
war mir wichtig, mein eigenes Vokabular zu erweitern.
Kann es da auch zu einer Sättigung kommen? Dass man irgendwann von all den
neuen Klängen genug hat?
PN: Klar, nachdem ich die Arbeit an der CD abgeschlossen habe,
genieße ich momentan den ganz natürlichen Klang des Kontrabasses wieder. Ich
lasse mich da ganz von meinem Empfinden leiten.
Pascal
Niggenkemper: Look With Thine Ears (Clean Feet)
Das Interview erschien zuerst in Jazzthetik (jazzthetik.de)
Das Interview erschien zuerst in Jazzthetik (jazzthetik.de)
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