Sunday 19 July 2015

Baßerkundungen: Pascal Niggenkemper

Baßerkundungen

Pascal Niggenkemper zwischen Solospiel und größeren Ensembles

                                                                                                                   Foto: Manuel Wagner

 Interview von Christoph Wagner

Er zählt zu der kleinen Gruppe deutscher Jazzmusiker, die sich in die Höhle des Löwen wagten: Seit 2006 lebt Pascal Niggenkemper in New York. Nach Jahren des zähen Durchbeißens scheint der Kontrabassist, der in Singen am Hohentwiel im tiefsten Südwesten aufgewachsen ist, sich nunmehr immer besser in die amerikanische Jazzszene einzufinden. Durch seine eigenen Bandprojekte wie Vision7, Le 7ème Continent und dem PNTrio hat er sich auch in Europa einen Namen gemacht. Jetzt legt er sein erstes Soloalbum vor.

Du lebst seit Jahren in New York, und Deine Karriere scheint in letzter Zeit an Fahrt gewonnen zu haben. Wie ist das passiert?

Pascal Niggenkemper: Ich bin jetzt seit 9 Jahren in New York und mein Netz an Musikerkontakten hat sich stark vergrößert. Darüber hinaus habe ich etliche eigene Projekte gestartet, was mich für andere Musiker sichtbarer macht. Außerdem bin ich in eine Hauskonzertreihe namens “Ze Couch” involviert, wo ich ebenfalls viele Musiker und Musikerinnen kennengelernt habe. Das alles hat dazu beigetragen, dass ich mehr und mehr für Bandprojekte angefragt werde.


Auch sehr erfahrene und respektierte Improvisatoren haben Dich in letzter Zeit in ihre Bands geholt?
Larry Ochs
PN: Ich bin Mitglied der Gruppe Black Host des Schlagzeugers Gerald Cleavers, in der Darius Jones Saxofon spielt und Cooper-Moore die Keyboards bedient und seine selbstgebastelten Instrumente einbringt. Zudem hat mich der Schlagzeuger Harris Eisenstadt für sein Ensemble Golden State engagiert. Durch die Empfehlung von Eisenstadt bin ich im Quintett von Larry Ochs gelandet, dem Kopf des Rova Saxophone Quartets. Er hatte in John Zorns Auftrittslokal “The Stone” hier in New York eine Residenz und holte mich in seine Gruppe.

Hast Du Lampenfieber, wenn Du mit solchen “Heavyweights” das erste Mal zusammenspielst?

PN: Ja und Nein! Dadurch dass ich hier in New York sehr viel spiele, ungefähr drei- bis viermal die Woche, auch in viele kleinen kreativen Projekten, bin ich in einer gewissen Auftrittsroutine drin, die dann auch Konzerte mit viel erfahreneren Musikern eher natürlich erscheinen läßt. Selbstverständlich ist man gespannt, ob es funktionieren wird und gibt sein Bestes.

Du spielst regelmäßig mit afroamerikanischen Musikern wie Gerald Cleaver, Tyshawn Sorey und Darius Jones. Gibt es noch kulturelle Gräben zwischen weiß und schwarz?

PN: Davon merke ich nichts. Auf meiner Tour mit Gerald Cleaver’s Black Host herrschte von Anfang an eine sehr gute Stimmung. Wir sind mit dem Zug gereist und haben in Chicago, St. Louis und auch in Detroit gespielt, wo Gerald Cleaver herkommt. Ich habe seine Eltern kennengelernt. Sein Vater ist ebenfalls Schlagzeuger und hat mit vielen der Großen des Jazz gespielt. Die Begegnung mit ihm hat einen tiefen Eindruck auf mich gemacht. Es war sehr ermutigend zu sehen, dass es trotz anhaltendem Rassismus im Jazzbereich keine Trennlinien und Resentiments mehr gibt. Ich wurde sehr warmherzig und freundlich aufgenommen. Das war eine schöne Erfahrung.

Du hast in den letzten Jahren etliche eigene Bandprojekte lanciert. Hat das Deiner Reputation geholfen?

PN: Sicher. Es war sehr wichtig für mich, als eigenständiger Künstler wahrgenommen zu werden. Im Improvisationsbereich, wo die Musik stark auf der individuellen Musikerpersönlichkeit basiert, ist das ein entscheidendes Moment.

Was war die Idee hinter dem Soloalbum?

PN: Das Projekt erwuchs aus meiner Zusammenarbeit mit dem Bassisten Jean Ali. Wir haben vor vier Jahren angefangen im Duo zu spielen mit der Vorgabe neue Sounds auf dem Bass zu finden. Ich hab dann diese Klangforschung für mich weitergeführt unter der Fragestellung: ‘Was kann man damit im Solospiel machen?’ Ich habe eine enorme Bandbreite an Klangmöglichkeiten erarbeitet, ob mit Metall, Aluminium, Plastik oder Holz, und wollte das auf einem Album dokumentieren. Ich habe mir die verschiedenen Präparationen noch einmal intensiv angeschaut, um zu sehen, was man damit kompositorisch machen kann. Ich wollte sie irgendwie in eine Songstruktur einbetten. Natürlich mache ich nichts Neues, vielmehr wollte ich an die Arbeit von Bassisten wie Barre Phillips, Peter Kowald oder Stefano Scodanibbio anknüpfen.

Auf dem Soloalbum hört sich dein Kontrabass manchmal sehr elektrisch an…

 PN: Das ist eine Illusion. Das gesamte Album habe ich mit präpariertem akustischem Bass eingespielt. Es geht mir gar nicht um eine Emanzipation des Instruments. Das ist längst passiert. Vielmehr war mir wichtig, mein eigenes Vokabular zu erweitern.

Kann es da auch zu einer Sättigung kommen? Dass man irgendwann von all den neuen Klängen genug hat?

PN: Klar, nachdem ich die Arbeit an der CD abgeschlossen habe, genieße ich momentan den ganz natürlichen Klang des Kontrabasses wieder. Ich lasse mich da ganz von meinem Empfinden leiten.

Pascal Niggenkemper: Look With Thine Ears (Clean Feet)

Das Interview erschien zuerst in Jazzthetik (jazzthetik.de)



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