Friday 31 July 2015

BRANFORD MARSALIS: Jazz-Denkmalpflege

Ohne Swing macht’s keinen Sinn

Branford Marsalis im Retro-Modus


cw. Die Marsalis-Brüder haben den Jazz der letzten Jahrzehnte deutlich mitgeprägt. Trompeter Wynton Marsalis versuchte sein konservatives Weltbild der Szene aufzuzwingen, indem er die komplette Jazzmoderne für illegitim erklärte. Im Unterschied dazu zeigte sich Saxofonist Branford Marsalis eher offen für Neues und Innovatives: Branford entwickelte den Jazz weiter, während Wynton ihn in seiner traditionellen Form einfror und Denkmalpflege betrieb.

Beim “Open Air”-Konzert auf der Waldbühne hinterm Tübinger Sudhaus präsentierte sich Branford Marsalis mit seinem Quartett vor einer beachtlichen Kulisse, was seine anhaltende Popularität unterstrich. Der amerikanische Saxofonist offerierte ein Programm, das gut ausbalanciert war und viel Abwechslung bot. Stilistisch wurde der Bogen weit gespannt und von Swing bis zur offenen Form alles einbezogen. Mitreißende Improvisationen wechselten mit stimmungsvollen Balladen ab, die manchmal allerdings etwas zu lang gerieten.

Marsalis begann auf dem Sopransaxofon und spielte zwei Titel, die den Musikern seiner Band die Möglichkeit boten, gleich zum Auftakt ihre Visitenkarte abzugeben: Dabei wartete Pianist Joey Calderazzo mit perlenden Läufen auf, während Bassist Eric Revis für ein federndes Fundament sorgte und Drummer Justin Faulkner mit unbändigem Swing der Musik Feuer einhauchte.

Nach diesen Präludien wechselte der Bandleader zum Tenorsaxofon und der Schlagzeuger griff zu den Besen. Mit dem Klassiker “Cheek to Cheek” von Irvin Berlin aus dem Jahr 1935 wurde ein Abstecher in die Jazzhistorie unternommen, wobei die häufigen Rhythmuswechsel zur Dramatisierung des Solospiels beitrugen.

Mit Keith Jarretts Komposition “The Windup” steuerte die Gruppe dem Höhepunkt zu. Das Stück, das Jarrett 1974 das erste Mal mit Jan Garbarek eingespielt hatte, besitzt ein raffiniertes eingängiges Thema mit fokloristischem Flair, dessen unbändiger Groove das Publikum in Begeisterung versetzte. Marsalis lief nun zu Hochform auf, blies klare singbare Melodien und fantasievolle Paraphrasen, die sich wohltuend von seiner rasanten Akrobatik auf dem Sopransaxofon abhoben.

Zum Abschluß wurde Duke Ellington gehuldigt. Mit dem Klassiker “It don’t mean a thing if it ain't got that swing” (zu deutsch: Ohne Swing macht’s keinen Sinn) gab die Gruppe ein Glaubensbekenntnis für diejenige Spielart des Jazz ab, für die ein swingender Rhythmus unverzichtbar erscheint. Damit näherte sich Branford Marsalis der denkmalpflegerischen Haltung seines Bruders Wynton an, was die Musik doch recht vorhersehbar macht. Mehr Risikobereitschaft und Innovationsfreude hätte dem Konzert gut getan.

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