Zwischen Spontanität und Routine
Ein Jazzfestival der großen Namen im
Stuttgarter Theaterhaus
cw. Das Festival hat Tradition: Seit 1985 finden
in Stuttgart die “Internationalen Theaterhaus Jazztage” statt. 29 Mal ist das
Festival bereits über die Bühne gegangen. Zweimal musste man aussetzen – wegen
Finanzierungsproblemen. Die Geldsorgen sind bis heute nicht gewichen, sodaß
jeder neuerliche Festivaljahrgang einer Gratwanderung gleichkommt - immer vom
Absturz bedroht. “Einen Tanz auf der Rasierklinge”, nennt es Theaterhaus-Leiter
Werner Schretzmeier. Wohl war dieses Jahr der Publikumszuspruch so groß, dass
nächstes Jahr der 30ste Durchgang gesichert scheint. Jazzfans im ganzen Land
würden sich allerdings wünschen, dass die öffentliche Hand sich zu einem
stärkeren Engagement durchringen würde, um die Theaterhaus Jazztage aus dem
fortdauernden Prekariat zu befreien. Jazzfestivals mit Profil sind in
Südwestdeutschland ja nicht gerade üppig gestreut.
Um auf Nummer sicher zu gehen, präsentieren
sich die Theaterhaus Jazztage als Festival der zugkräftigen Namen, bei dem
bekannte Jazzgrößen den Ton angeben. Diesmal reichte das Spektrum von E.S.T.
Symphony über Nils Landgren bis zu Joachim Kühn. Zwischen diese Jazzstars sehen
sich Konzerte eingeschoben, bei denen jüngere Talente zum Zuge kommen und die deshalb
immer für ein paar Entdeckungen und Überraschungen gut sind. In diese Rubrik
fiel dieses Jahr ein dreitägiger Jazz-Poetry-Slam-Wettbewerb, bei dem sich –
begleitet von einer Band um den Posaunisten Eberhard Budziat - einige der
besten Slam-Poeten der Republik dem Publikum stellten, um am Ende einen Sieger
zu küren.
Unter der Überschrift “Fathers and Sons”
hatten sich am Karfreitag zwei Duos vor vollen Publikumsreihen vorgestellt. Die
erste Halbzeit bestritt der Stuttgarter Pianist Wolfgang Dauner mit seinem Sohn
Florian Dauner, der sich als Schlagzeuger der Hiphop-Band Die Fantastischen
Vier einen Namen gemacht hat. Der Auftritt der beiden kam einem Parforceritt
durch einige wohlbekannte Kompositionen des 80jährigen Seniors gleich, bei dem
sich der Junior sowohl mit einfühlsamem als auch dynamischem Trommelspiel als vollkommen
ebenbürtiger Partner erwies. Ausflüge in indische Klangzonen versprühten
exotisches Flair. Elektronische Sounds, per Playback eingespielt, ließen die
Klangfarbenpalette noch bunter schillern.
Freier, waghalsiger, aber auch etwas
sperriger agierten in der zweiten Konzerthälfte das Vater-Sohn-Gespann von
Dieter Glawischnig (Piano) und Hans Glawischnig (Kontrabaß). Die Österreicher spielten
ihr Konzert ohne Unterbrechungen durch. Als “eine einzige Wurst”, kündigte es
der 78jährige Pianist an, der lange Jahre in Hamburg tätig war, wo er die
Bigband des Norddeutschen Rundfunks von einem passablen Tanzorchester zu einer
formidablen Jazzbigband formte. In Siebenmeilenstiefeln durchstreifte die
beiden die moderne Jazzgeschichte, gelangten von flüssigem Swing über kantigen
Bebop zu frei improvisierten Ausbrüchen, um immer wieder bei Motiven zu landen,
deren eindringliche Melodik an Kirchenchoräle erinnerte, wie man sie in ihrer
hymnischen Inbrunst auch von Keith Jarrett kennt.
Am Ende vereinten sich die beiden Duos zu
einem Ad-hoc-Quartett, wobei die jüngere Generation als Rhythmusgruppe
ordentlich Dampf machte, während sich die beiden Altmeister mit perlenden
Tonfolgen ausgelassen die Bälle zuspielten und dabei bewiesen, dass ausgebuffte
Routine und spielerische Spontanität nicht in Widerspruch zueinander stehen
müssen.
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