Punk
und Poesie
Die
amerikanische Rockmusikerin und Schriftstellerin Patti Smith feiert 70.
Geburtstag
cw. Nicht
erst seit der Entgegennahme von Bob Dylans Nobelpreis macht die amerikanische
Rocksängerin Patti Smith auch in der Literaturszene von sich reden. Nachdem sie
in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre als Punkrockerin zu weltweiter
Berühmtheit kam, hat sie sich in den letzten Jahren mehr und mehr dem Schreiben
zugewandt.
“Just
kids” lautete der Titel ihres Buchdebuts vor sechs Jahren. Das Werk erzählt von Patti Smiths
Freundschaft mit dem amerikanischen Fotografen Robert Mapplethorpe und ihrer gemeinsamen Zeit im New York der frühen siebziger
Jahre – ohne Geld, dafür mit um so größerem Hunger auf die Großstadt und die
Künste.
Smith
trieb sich damals in der aufkeimenden Punkbewegung herum, formierte eine Band
und wurde vom Talentsucher einer großen Plattenfirma entdeckt. Bereits mit
ihrem ersten Album “Horses” glückte ihr der Durchbruch. Die LP wurde ein
weltweiter Erfolg, wozu auch John Cale von Velvet Underground beitrug, den
Smith als Produzenten gewinnen konnte. Das Cover der Platte ziehrte ein heute
berühmtes Fotoportrait von ihr, das ihr Freund
Robert Mapplethorpe geschossen hatte. Die LP machte die Sängerin zu einer Gallionsfigur
der New Yorker Punkszene, die im berühmten CBGB-Auftrittslokal in
Downtown-Manhattan ihr Hauptquartier hatte, wo die Patti Smith Group neben
Bands wie Blondie und The Ramones regelmäßig auftrat.
Mit
Songs wie “Ghost Dance”, aber vor allem “Because the night”, das sie zusammen
mit Bruce Springsteen geschrieben hatte und auf dem Album “Easter” von 1978
enthalten war, festigte sie ihren Ruf, eine der besten Songwriterinnen nicht
nur der Punk-Ära zu sein. Jetzt ist aus der Liedermacherin eine Schriftstellerin
geworden.
Dieses
Jahr ist ihr zweites Werk namens “M Train” auf deutsch erschienen. “Mind Train”
(= Gedankenzug) folgt keiner Chronologie, sondern verknüpft auf lose Weise
Ereignisse und Gedanken, Träume und Tagträume in assoziativer Manier. Die
Rockdiva erzählt darin von ihren Reisen auf den Spuren verstorbener Künstler
und Literaten – ihren Idolen! Solche Exkursionen führten sie an das Grab der
Lyrikerin Sylvia Plath in Heptonstall, Nordengland, auch zu den Ruhestätten von
Goethe und Schiller in Jena. Die Wirkungsstätte von Frida Kahlo nahm sie in
Mexiko in Augenschein und reiste nach Tanger zum Schriftsteller Paul Bowles.
Die
wichtigste Person in Smiths Erwachsenenleben war Ehemann Fred “Sonic” Smith,
einst Gitarrist der Detroiter Rockband MC5. Um sich dem Partner und ihren
beiden Kindern zu widmen, zog sich der Rockstar 1980 fünfzehn Jahre lang nahezu
vollständig aus dem Popgeschäft zurück. In einem Vorort der Autostadt Detroit,
wo der Ehemann aufgewachsen ist, führte die Familie ein ruhiges Leben. Als ihr
Lebensgefährte 1994 mit 45 Jahren einem Herzinfarkt erlag, riß das ein
klaffendes Loch in Patti Smiths Existenz, gegen das sie seither ansingt und
anschreibt. Nur ganz allmählich und zögerlich kehrte sie in die Rockszene
zurück.
Zu
den literarische Reisen kommen regelmäßige Tourneen. Da verwundert es kaum,
dass sich Smith daheim als Gewohnheitstier entpuppt. In Greenwich Village in
Manhattan, wo sie heute wieder wohnt, setzt sie sich jeden Morgen in ihr
Stammcafé gleich um die Ecke - immer an
den selben Tisch und immer auf den selben Stuhl. Auch die Bestellung ist immer
die gleiche: schwarzer Kaffee, Vollkorntoast und Olivenöl. Dann macht sie
Notizen, schreibt ein paar Zeilen, träumt in den Tag hinein und hängt
Erinnerungen nach. Solche vertrauten Orte sorgen für Stabilität in ihrem Leben.
“Ich sehne mich nach dem frühen Zustand der Dinge,” erklärt Patti Smith, was
für eine romantische Utopistin wie sie, die an die subversive Macht der Träume
glaubt, eine bemerkenswerte Feststellung ist.
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