Friday 30 December 2016

PATTI SMITH zum 70sten

Punk und Poesie

Die amerikanische Rockmusikerin und Schriftstellerin Patti Smith feiert 70. Geburtstag


cw. Nicht erst seit der Entgegennahme von Bob Dylans Nobelpreis macht die amerikanische Rocksängerin Patti Smith auch in der Literaturszene von sich reden. Nachdem sie in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre als Punkrockerin zu weltweiter Berühmtheit kam, hat sie sich in den letzten Jahren mehr und mehr dem Schreiben zugewandt.

“Just kids” lautete der Titel ihres Buchdebuts vor sechs Jahren. Das Werk erzählt von Patti Smiths Freundschaft mit dem amerikanischen Fotografen Robert Mapplethorpe und ihrer gemeinsamen Zeit im New York der frühen siebziger Jahre – ohne Geld, dafür mit um so größerem Hunger auf die Großstadt und die Künste.

Smith trieb sich damals in der aufkeimenden Punkbewegung herum, formierte eine Band und wurde vom Talentsucher einer großen Plattenfirma entdeckt. Bereits mit ihrem ersten Album “Horses” glückte ihr der Durchbruch. Die LP wurde ein weltweiter Erfolg, wozu auch John Cale von Velvet Underground beitrug, den Smith als Produzenten gewinnen konnte. Das Cover der Platte ziehrte ein heute berühmtes Fotoportrait von ihr, das ihr Freund  Robert Mapplethorpe geschossen hatte. Die LP machte die Sängerin zu einer Gallionsfigur der New Yorker Punkszene, die im berühmten CBGB-Auftrittslokal in Downtown-Manhattan ihr Hauptquartier hatte, wo die Patti Smith Group neben Bands wie Blondie und The Ramones regelmäßig auftrat. 
Mit Songs wie “Ghost Dance”, aber vor allem “Because the night”, das sie zusammen mit Bruce Springsteen geschrieben hatte und auf dem Album “Easter” von 1978 enthalten war, festigte sie ihren Ruf, eine der besten Songwriterinnen nicht nur der Punk-Ära zu sein. Jetzt ist aus der Liedermacherin eine Schriftstellerin geworden.

Dieses Jahr ist ihr zweites Werk namens “M Train” auf deutsch erschienen. “Mind Train” (= Gedankenzug) folgt keiner Chronologie, sondern verknüpft auf lose Weise Ereignisse und Gedanken, Träume und Tagträume in assoziativer Manier. Die Rockdiva erzählt darin von ihren Reisen auf den Spuren verstorbener Künstler und Literaten – ihren Idolen! Solche Exkursionen führten sie an das Grab der Lyrikerin Sylvia Plath in Heptonstall, Nordengland, auch zu den Ruhestätten von Goethe und Schiller in Jena. Die Wirkungsstätte von Frida Kahlo nahm sie in Mexiko in Augenschein und reiste nach Tanger zum Schriftsteller Paul Bowles.

Die wichtigste Person in Smiths Erwachsenenleben war Ehemann Fred “Sonic” Smith, einst Gitarrist der Detroiter Rockband MC5. Um sich dem Partner und ihren beiden Kindern zu widmen, zog sich der Rockstar 1980 fünfzehn Jahre lang nahezu vollständig aus dem Popgeschäft zurück. In einem Vorort der Autostadt Detroit, wo der Ehemann aufgewachsen ist, führte die Familie ein ruhiges Leben. Als ihr Lebensgefährte 1994 mit 45 Jahren einem Herzinfarkt erlag, riß das ein klaffendes Loch in Patti Smiths Existenz, gegen das sie seither ansingt und anschreibt. Nur ganz allmählich und zögerlich kehrte sie in die Rockszene zurück.

Zu den literarische Reisen kommen regelmäßige Tourneen. Da verwundert es kaum, dass sich Smith daheim als Gewohnheitstier entpuppt. In Greenwich Village in Manhattan, wo sie heute wieder wohnt, setzt sie sich jeden Morgen in ihr Stammcafé gleich um die Ecke -  immer an den selben Tisch und immer auf den selben Stuhl. Auch die Bestellung ist immer die gleiche: schwarzer Kaffee, Vollkorntoast und Olivenöl. Dann macht sie Notizen, schreibt ein paar Zeilen, träumt in den Tag hinein und hängt Erinnerungen nach. Solche vertrauten Orte sorgen für Stabilität in ihrem Leben. “Ich sehne mich nach dem frühen Zustand der Dinge,” erklärt Patti Smith, was für eine romantische Utopistin wie sie, die an die subversive Macht der Träume glaubt, eine bemerkenswerte Feststellung ist.

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