Monday, 20 March 2017

Indie-Überflieger: Car Seat Headrest

Spiel der Gegensätze

Die amerikanischen Indie-Überflieger Car Seat Headrest machten in der Schorndorfer Manufaktur Station

Fotos: Manuel Wagner 

cw. Früher war alles anders: Da brauchte eine Rockband eine – am besten – große Schallplattenfirma, um sich im Popgeschäft durchzusetzen. Heute geht es auch ohne! Das Internet bietet jungen Musikern diverse Möglichkeiten, auch ohne die Musikindustrie den Durchbruch zu schaffen. Die amerikanische Indie-Band Car Seat Headrest hat es vorgemacht. Die Gruppe hatte etliche Alben auf der Netzplattform Bandcamp veröffentlicht und sich dadurch eine formidable Fangemeinde erspielt, bevor sie erst vor zwei Jahren beim New Yorker Matador Label unterschrieb, wo auch Künstler wie Yo La Tengo und Cat Power unter Vertrag sind, was ihrer Popularität nochmals einen beträchtlichen Schub verlieh.

Eigentlich verbirgt sich hinter Car Seat Headrest nur ein einziger Musiker: Will Barnes, der sich im Showgeschäft Will Toledo nennt, fungiert als Mastermind der Gruppe. Der Gitarrist, Songschreiber und Sänger – gerade mal 24 Jahre alt – hat eine schlagkräftige Formation um sich versammelt, die diszipliniert und mit Hochspannung seine Songs in Szene setzt. Toledo ist ein in sich gekehrter Künstler, der wohl am liebsten melancholische Lieder schreibt, in denen sich die Irrungen und Wirrungen der Gegenwart spiegeln. Sein zumeist ruhiger fragiler Gesang wird gelegentlich durchbrochen von urplötzlichen Soundgewittern, die ganz unverhofft nieder gehen. Dann öffnen sich dunkle Klangwolken und klirrende Gitarrenblitze und donnernde Rückkopplungen erfüllen die Luft. Doch nicht lange bricht sich solche geräuschhafte Kakophonie Bahn und – schwuppdiewubb – segelt der Song schon wieder in ruhigerem Fahrwasser.

Das Spiel mit Kontrasten entpuppt sich als die Stärke der Band, wobei die Gesamtdramaturgie ihres Auftirtts genau kalkuliert ist: Da steht nicht nur Ordnung gegen Chaos, sondern auch Lautstärke gegen Stille, Tempo gegen Langsamkeit und Selbstversunkenheit gegen Exzentrik, was den einstündigen Auftritt vor 400 Fans in der Schorndorfer Manufaktur zu einer kurzweiligen Angelegenheit macht. Manchmal denkt mal an Grunge-Rock, weil die Band ja auch aus der Grunge-Hauptstadt Seattle im amerikanischen Bundesstaat Washington kommt, dann wieder wird man an die Strokes, Franz Ferdinand oder Sonic Youth erinnert.

Nur vier Auftritte von Car Seat Headrest standen bei der ersten Deutschland-Tour auf dem Plan, wobei neben Berlin, Köln und München Schorndorf das Rennen machte: Damit ist dem Club Manufaktur abermals ein großer Fang gelungen. Es wird sich zeigen, ob die Band in den nächsten Jahren zu einem kapitalen Hecht im internationalen Popteich wird, das Zeug hätte sie dazu.

Die Konzertbesprechung erschien zuerst im Schwarzwälder Bote, große Tageszeitung im Südwesten

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