Spiel der Gegensätze
Die amerikanischen Indie-Überflieger
Car Seat Headrest machten in der Schorndorfer Manufaktur Station
Fotos: Manuel Wagner
cw. Früher war alles anders: Da brauchte
eine Rockband eine – am besten – große Schallplattenfirma, um sich im Popgeschäft
durchzusetzen. Heute geht es auch ohne! Das Internet bietet jungen Musikern
diverse Möglichkeiten, auch ohne die Musikindustrie den Durchbruch zu schaffen.
Die amerikanische Indie-Band Car Seat Headrest hat es vorgemacht. Die Gruppe
hatte etliche Alben auf der Netzplattform Bandcamp veröffentlicht und sich
dadurch eine formidable Fangemeinde erspielt, bevor sie erst vor zwei Jahren
beim New Yorker Matador Label unterschrieb, wo auch Künstler wie Yo La Tengo
und Cat Power unter Vertrag sind, was ihrer Popularität nochmals einen
beträchtlichen Schub verlieh.
Eigentlich verbirgt sich hinter Car
Seat Headrest nur ein einziger Musiker: Will Barnes, der sich im Showgeschäft
Will Toledo nennt, fungiert als Mastermind der Gruppe. Der Gitarrist,
Songschreiber und Sänger – gerade mal 24 Jahre alt – hat eine schlagkräftige
Formation um sich versammelt, die diszipliniert und mit Hochspannung seine
Songs in Szene setzt. Toledo ist ein in sich gekehrter Künstler, der wohl am
liebsten melancholische Lieder schreibt, in denen sich die Irrungen und
Wirrungen der Gegenwart spiegeln. Sein zumeist ruhiger fragiler Gesang wird
gelegentlich durchbrochen von urplötzlichen Soundgewittern, die ganz unverhofft
nieder gehen. Dann öffnen sich dunkle Klangwolken und klirrende Gitarrenblitze
und donnernde Rückkopplungen erfüllen die Luft. Doch nicht lange bricht sich
solche geräuschhafte Kakophonie Bahn und – schwuppdiewubb – segelt der Song
schon wieder in ruhigerem Fahrwasser.
Das Spiel mit Kontrasten entpuppt sich
als die Stärke der Band, wobei die Gesamtdramaturgie ihres Auftirtts genau
kalkuliert ist: Da steht nicht nur Ordnung gegen Chaos, sondern auch Lautstärke
gegen Stille, Tempo gegen Langsamkeit und Selbstversunkenheit gegen Exzentrik,
was den einstündigen Auftritt vor 400 Fans in der Schorndorfer Manufaktur zu
einer kurzweiligen Angelegenheit macht. Manchmal denkt mal an Grunge-Rock, weil
die Band ja auch aus der Grunge-Hauptstadt Seattle im amerikanischen
Bundesstaat Washington kommt, dann wieder wird man an die Strokes, Franz
Ferdinand oder Sonic Youth erinnert.
Nur vier Auftritte von Car Seat
Headrest standen bei der ersten Deutschland-Tour auf dem Plan, wobei
neben Berlin, Köln und München Schorndorf das Rennen machte: Damit ist dem Club
Manufaktur abermals ein großer Fang gelungen. Es wird sich zeigen, ob die Band
in den nächsten Jahren zu einem kapitalen Hecht im internationalen Popteich
wird, das Zeug hätte sie dazu.
Die Konzertbesprechung erschien zuerst im Schwarzwälder Bote, große Tageszeitung im Südwesten
Die Konzertbesprechung erschien zuerst im Schwarzwälder Bote, große Tageszeitung im Südwesten
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