Wednesday, 13 September 2017

Vinyl-Melancholie – Arne Reimers Buch: Long Play


Schwarze Scheiben

Arne Reimer auf Fotoexkursion durch Vinyllandschaften 

 
cw. Schallplatten sind seit längerem wieder im Kommen, selbst im Supermarkt steht seit neustem ein Regal (mit den schlimmsten Reissues). Dabei ist die Vinylplatte schon einen ersten Tod gestorben, als sie Mitte der 1980er Jahre von der CD verdrängt wurde. Viele dachten damals, dass wäre ihr endgültiges Aus. Doch es kam anders: die Vinylplatte hat überlebt und in den letzten Jahren sogar ein Comeback erfahren. Und es ist sicher keine allzu gewagte Behauptung, wenn man die Prognose stellt, dass es in einer nicht so fernen Zukunft immer noch Vinylplatten geben wird, wenn schon lange niemand mehr weiß, was eigentlich einmal eine „Compact Disc“ war.  Popmusik und Vinylplatte sind offenbar aufs Tiefste miteinander verbunden.

Der Fotograf und Musikjournalist Arne Reimer, der sich durch seine beiden „American Jazz Heroes“-Bildbände einen Namen gemacht hat, hat bei seinen Reisen zu den „Jazzhelden“ auch die lokalen Plattenläden besucht und ihre Aura in Fotos eingefangen. Da sieht man Bilder mit Regalen und Regalen voller gebrauchter Scheiben und wünscht sich, man wäre beim Ladenbesuch dabei gewesen.

Außer in den USA war Reimer auch in Deutschland (Berlin, Leipzig), Holland (Amsterdam) und England (London, Croydon) unterwegs auf Plattensuche, wobei sich erweist, dass die echten Second-Hand-Vinyl-Läden eigentlich auf der ganzen Welt ähnlich aussehen: Etwas schmuddelig, staubig und abgewetzt, und bis unter die Decke mit schwarzen Scheiben voll gestopft. Was dagegen der leidenschaftliche Sammler sieht, ist etwas vollkommen anderes: eine verheißungsvolle Schatzkammer, der man nur noch ihre Kostbarkeiten entreißen muss.


Im zweiten Teil des Buchs wird das Thema mit historischen Fotos weitergesponnen, die die Geschichte der Vinylplatte dokumentieren. Da sind Schwarz-Weiß-Fotografien von Teenagern mit winzigkleinen Plattenspielern zu sehen, die wohl fürs Freibad oder die Gartenparty gedacht waren, oder Plattenspieler, die in den USA in Autos eingebaut wurden. Man sieht Bilder von Schallplatten-Archiven, die Außen- und Innenansicht von Plattenläden aus den 60ern plus die Fertigungsanlagen eines Presswerks. Und auf einem Foto, wo eine junge Käuferin ca. 1970 vor einer Ausstellungswand mit Neuheiten steht, entdecke ich – ganz links unten – ein Cover, das mir bekannt vorkommt: Das ist doch das zweite Album der britischen Progrock-Band Blodwyn Pig namens „Getting to this“, das ich seit 40 Jahren besitze. Was für eine schönes Wiedersehen. Ich kram es heraus und leg’s auf – wunderbar!


Arne Reimer: Long Play. 156 Seiten, Koenig Books, London (mit einem Essay von Ulf Erdmann Ziegler in englisch), E 39,80.

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