Wednesday, 26 June 2019

Nachruf von Simon Steiner auf Stelios Vamvakaris - Rembetiko-Star

REMBETIKO

GASTBEITRAG VON SIMON STEINER:

Nachruf auf Stelios Vamvakaris - in den Fußstapfen von Markos

Mitte Juni überschlug sich die griechische Medienlandschaft. Auf allen Kanälen und Diskussions-Foren herrschte gleichzeitig Trauer und Verehrung: Stelios Vamvakaris ist tot. Die Rembetiko-Community und das griechische Bürgertum weinte. Bouzouki-Spieler, Komponist und Sänger Stelios Vamvakaris, geboren am 2. März 1947 in Piräus, Sohn des sogenanntem Rembetiko-Patriarchen Markos Vamvakaris war ein Star im Rembetiko-Kosmos. Die Königin der Rembetiko-Instrumente, die einst verruchte und verbotene Bouzouki war für Stelios Herz, Leib und Seele. Der große Mann mit dem weißen Pferdeschwanz starb am 17. Juni in Athen an Herzversagen. Leider, so heißt es, war er dem hedonistischen Rembeten-Lifestyle aus Alkohol und Drogen erlegen. "Wasserpfeife, Wein und Bier, grüß dich Markos aus Syros!" sang Stelios mit ähnlich tiefer und rauher Stimme wie sein Vater.

Stelios' Stil war Blues - und Rock betont. Die Melancholie des Rembetiko drückte Stelios kraftvoll aus, bewusst langsam und schwer. In Markos' Μόρτισσα Χασικλού, Mortissa Chasiklou, einer bluesigen Nummer, ähnlich der Bluestonleiter, wie wir sie von "Sunshine of your love" von CREAM kennen, lässt er die tief gestimmte Saite stets mitschwingen und, ganz untypisch für Rembetiko, auch schleifen, er zieht an den Tönen seines Vaters, als wolle er ihn zum Leben erwecken und verpasst ihnen einen neuen, dirty Sound. Jeder Ton ist eine Wucht. Eine Hymne auf die verrauchte Kneipenwelt der leichten Mädchen und die Herumtreiber in Athen und Piräus, der Macker, der Magkes der 30er Jahre.

Louisiana Red & Stelios


So war es nicht verwunderlich, dass Stelios mit John Lee Hooker and Louisiana Red zusammen spielte. 
1977 startete Stelios mit seiner Debut LP. Mit seinem Bruder Domenikos wirkte er bei George Dalaras' Live DCD "A tribute to Markos Vamvakaris - Afieroma ston Marko" mit. Stelios begleitete Alex Kapranos von der Band FRANZ FERDINAND bei dem Rembetiko-Klassiker "Ta Matoklada Sou Lampoun" von Markos im Barbican Centre 2015. Stelios spielte mit großen Rembetiko Musikern, komponierte Filmmusik und begleitete griechische Pop-Größen. Stelios war mit Maria Tol verheiratet, der Schwester des niederländischen Palingsound-Duos TOL&TOL. 
Stelios' taximi, die Improvisationen, sind spirituelle Reisen in Geschichte und Gegenwart des REMBETIKO.
Kalo taxidi Stelios! Gute Reise!

Anspieltipp:

Μόρτισσα Χασικλού, Mortissa Chasiklou


Tuesday, 18 June 2019

JODELMANIA im BR Fernsehen

JODELMANIA in 'Capriccio' / BR Fernsehen
Beitrag von Henning Biedermann

Gestern Abend lief in BR Fernsehen in der Kultursendung 'Capriccio' ein 6-minütiger Beitrag über das 'Jodelmania'-Buch von Henning Biedermann.
Hier der link:



































CHRISTOPH WAGNER: JODELMANIA – VON DEN ALPEN NACH AMERIKA UND DARÜBER HINAUS

320 Seiten mit vielen raren historischen Abbildungen und Fotografien, z.T. in Farbe.
Verlag Antje Kunstmann; Euro 22.-

Wednesday, 12 June 2019

Zwei für die Ewigkeit: Lautyodeln 1 + American Yodeling

Zwei neue Vinylscheiben von Trikont sind bei mir eingetroffen:

Das LAUTyodeln Vol. 1. – fern - nah - weit (Trikont)



Auch gibts die legendäre 'American Yodeling' jetzt auch als Vinyl-LP - juuuuppppiiiii!
Die liner-notes für das Albums waren 1998 der Ausgangspunkt für meine jetzt mehr als 20 Jahre langen Jodelrecherchen. Auf diesem Album befindet sich auch der erste Re-Issue-Track der DeZurik Sisters (die auch auf dem Cover zu sehen sind), der die Schwestern seither zu einem Geheimtipp für Kenner und zu einem kleineren Underground-Hit machte.

American Yodeling 1928 - 1946 (Trikont)

Tuesday, 11 June 2019

Jazz, Mento, Merengue & Rhumba

Wurzeln des Reggae

Ein Sampler widmet sich der populären Musik von Jamaika vor Bob Marley 




















cw. “Meine Großeltern erinnerten sich noch an die Sklaverei. Sie erzählten, dass auf den Zuckerrohrplantagen Mento-Lieder gesungen wurden, wenn die Sklaven müde und erschöpft waren,” wußte Albert Minott (Jahrgang 1938) zu berichten. Bis zu seinem Tod im Jahr 2017 war Minott Sänger der Jolly Boys gewesen, einer Combo, die so etwas wie der Buena Vista Social Club von Jamaika war – seit 1955 im Geschäft. Die Jolly Boys standen für Mento, die traditionelle Folkmusik Jamaikas, und hatten all die Höhenflüge und Niedergänge des rustikalen Stils miterlebt. Mento war bis in die 1960er Jahre die populärste Musikform auf der Karibikinsel gewesen und gilt als Wurzel von Blue Beat, Dub und Reggae. 

Der traditionelle Stil war, wie all die anderen kreolischen Musikrichtungen der Karibik, aus dem Zusammenprall zweier Musikkulturen hervorgegangen: Afrika und Europa. Noch im frühen 19. Jahrhundert war es den afrikanischen Sklaven verboten, überhaupt Musik zu machen und sich zum Tanzen zu treffen. Aus Angst vor Aufständen wurde jede Zusammenkunft als Bedrohung der kolonialen Ordnung empfunden. Haiti wirkte für die Skalvenhalter als abschreckendes Beispiel: dort war es 1791 zur einer erfolgreichen Sklavenrevolte gekommen. Sklaven spielten deshalb ihre Musik lange im Geheimen, wobei sie afrikanische Rhythmen und Lieder mit den Tanzweisen und Melodien vermischten, die sie als Zaungäste bei den Festbällen ihrer weißen Herren aus Europa aufgeschnappt hatten. Mit der Zeit entwickelte sich daraus Mento, was sowohl ein Tanz als auch eine Musikform war. 

In neuerer Zeit wurde Mento von sogenannten “Scratch-Bands” gespielt, die es überall in der Karibik gab. Solche Gruppen musizierten aus Geldmangel häufig auf Instrumenten der Marke Eigenbau wie einem Besenstielbaß, einer Bambusklarinette und ein paar Maracas, die aus Dosen und Kieselsteinen gebastelt worden waren. Dazu kam die „Rhumba-Box“ für den Baß, was eine Holzkiste mit flachgehämmerten Metall-Lamellen war, und vielleicht noch eine Mundharmonika oder ein verbeultes Banjo.

Laufend nahm die Musik neue Einflüsse auf. Wanderarbeiter brachten Latin-Rhythmen aus Kuba ins Land. Amerikanischer Jazz und populäre Schlager standen hoch im Kurs. 1956 schlug der „Banana Boat Song” von Harry Belafonte alle Rekorde. Obwohl die Nummer als „Calypso” vermarktet wurde, handelte es sich bei dem Lied um einen traditionellen Mento-Song, den Belafonte kurzerhand von einer älteren Aufnahme abgekupfert hatte.

Auf Jamaika reagierten die Musiker prompt auf den von Belafonte ausgelösten „Calypso”-Boom. „Bis vor kurzem hieß unsere Musik noch Mento,” gab der Bandleader Lord Flea 1957 zu Protokoll. „Heute sagt man ‘Calypso’ dazu, wie zu vielen anderen Musikstilen aus der Karibik. Das hat kommerzielle Gründe, wirkt verkaufsfördernd. Wenn die Touristen ‘Calypso’ wollen, bekommen sie ‘Calypso’ – kein Problem!” 

Gruppen wie Count Owen & His Calypsonians fanden in den großen Touristen-Hotels in der Hauptstadt Kingston oder an der Nordküste Arbeit, wo sie ihre Musik mit den neusten Modetänzen verbanden und den „Calypso Cha-Cha”, den „Rhumbina“ oder den „Mango Walk“ erfanden. Mento nahm eine auf Hotelgäste und Kreuzfahrt-Touristen zugeschnittene Form an, geglättet und weichgespült.

In den 1950er und 1960er Jahren erlebte das jamaikanische Musikgeschäft einen Boom. Die „Insel in der Sonne” avancierte zu einem Magneten für die amerikanische „High Society”. Filmstars wie Noel Coward und Ian Fleming lebten hier, Millionäre ankerten mit ihren Jachten vor der Küste, Elisabeth Taylor und Richard Burton machten Urlaub auf der Karibikinsel, und in den Hotelbars, Nightclubs und Tavernen brauste das Leben. Für die Musiker war das ein Segen: Auftrittsmöglichkeiten gab es in Hülle und Fülle. Wegen der vielen Amerikaner war Jazz hochgefragt, aber nicht der nervöse expressive Bebop aus New York, sondern eine gezähmte Version, die eher nach Barmusik klang und zu der man tanzen konnte. Exzellente Musiker wie der Gitarrist Ernest Ranglin, der Vibrafonist Lennie Hibbert und der Pianist George Moxey gewannen diesem „Easy Listening Jazz“ dennoch Erstaunliches ab. 

Viele der Musiker, die in der jamaikanischen Musik in den 1950er und 1960er Jahren den Ton angaben ob der Saxofonist Bertie King, der Trompeter Alphonso Reece oder die Brüder Wilton und Bobby Gaynair, hatten ihr Handwerkszeug auf der Alpha Boy School in Kingston gelernt, einer Lehranstalt für gefährdete Jugendliche, das von katholischen Nonnen geführt wurde und für seine Disziplin und seine exzellente Blasmusikkapelle bekannt war.

Federführend in dieser Phase der Musikgeschichte Jamaikas war das Schallplattenlabel Federal Records, das von Ken Khouri (1917-2003) geleitet wurde. Khouri betrieb das erste Tonstudio in Jamaika überhaupt. Als findiger Geschäftsmann und rühriger Unternehmer deckte er das ganze Spektrum karibischer Musik ab. Ob Mento oder Latin, ob Afro-Cuban oder Lounge Jazz, Rhumba oder Merengue – alles fand sich im Katalog des Labels wieder, das wegweisend für Rocksteady, Dub und Reggae wurde. Kein Wunder, dass Bob Marley 1981 Federal Records aufkaufte und seinem Label Tuff Gong Recordseinverleibte. 

Seit einiger Zeit hat sich das japanische Label Dub Store Records an die Wiederveröffentlichung der Schätze aus dem Tresor von Federal Records gemacht. Nach mehreren Alben, die einzelnen Musikern wie Ernest Ranglin oder gewidmet waren, ist jetzt ein Sampler erschienen, der einen Überblick über die jamaikanische Musiklandschaft von 1960 bis 1968 gibt. Das ist nicht alles Gold, was hier erklingt, doch sind die 20 Titel hilfreich, um die Genese der jamaikanischen Musik besser zu verstehen.

Jamaica Jazz From Federal Records – Carib Roots, 1960 – 1968 (Dub Store Records) 

Wednesday, 5 June 2019

Stucky mit HENDRIX in Ulm und Reutlingen

Blumen für Hendrix
Die Schweizer Vokalistin Erika Stucky ehrt mit einer hochkarätigen Band das Gitarrengenie

















cw. Im September nächsten Jahres jährt sich der Todestag von Jimi Hendrix zum 50sten Mal. Am 18. September 1970 war der 27jährige Musiker in einem Londoner Hotelzimmer tot aufgefunden worden. Als Hendrix 1966 in London seine ersten Auftritte absolvierte, ging ein Raunen durch die Szene, und Gitarrenkollegen wie Eric Clapton oder Pete Townsend wuden blaß. Der Wundergitarrist aus Amerika steckte sie alle in die Tasche, Sein Spiel auf der elektrischen Gitarre ist bis heute unerreicht. Auch der Schweizer Schlagzeuger Fredy Studer wurde von Hendrix wie vom Blitz getroffen. Danach war die Welt nicht mehr wie zuvor. ”Bei einer Reise nach London 1967 erlebte ich einen musikalischen Quantensprung: Ich hörte und sah The Jimi Hendrix Experience im Marquee Club,“ erzählt Studer. ”Für mich gibt es die Zeit vor Hendrix und nach Hendrix.“
Fredy Studer (Promo)
Studers Begeisterung für den amerikanischen Gitarristen ist bis heute nicht abgeklungen. Bereits Anfang der 1990er Jahre rief er mit dem Gitarristen Christy Doran eine Band ins Leben, die sich kreativ mit den Songs des Gitarrengenies auseinandersetzte. In einer zweiten Auflage kam die Sängerin Erika Stucky ins Boot, was den Hendrix-Songs durch die weibliche Stimme eine noch eigentümlichere Färbung gab. 

Die amerikanische Schweizerin Erika Stucky – sie hat doppelte Staatsbürgerschaft – wuchs in San Francisco in der psychedelischen Ära nach Woodstock auf, was einen nachhaltigen Einfluß auf ihren musikalischen Geschmack hatte. Jimi Hendrix steht auch bei der Vokalistin ganz oben auf der Liste der musikalischen Helden. „Meine Babysitter hatten LPs von Jimi Hendrix,“ erinnert sich die Zürcherin an ihre Kindheit in den USA. „Als dann die Anfrage von Christy Doran und Fredy Studer kam, hatte ich zuerst Hemmungen: ‘Ich kann doch nicht die Texte von Hendrix singen!’ Langsam ist es eingesickert. Seine Poesie hat sich bei mir eingegraben. Was ich als Kind so fantastisch fand: Den Titel „Fly on my dragonfly“. Den finde ich heute immer noch bezaubernd. Wer möchte nicht auf einer Libelle davonfliegen?“ 

Am Freitag, den 7. Juni im „Roxy“ in Ulm und am Samstag, den 8. Juni im Kulturzentrum Franz K. in Reutlingen werden Stucky-Doran-Studer-Jordiihre Hendrix-Show abbrennen, die eigentlich kein Cover-Programm ist, sondern eine Verneigung vor der erstaunlichen Kreativität des verstorbenen Rockgiganten. Denn Hendrix kann man eigentlich gar nicht nachahmen ohne den Kürzeren zu ziehen. Deswegen haben die vier ihre ganze Erfahrung mit ausgefallenen Klängen in die Waagschale geworfen und ein absolut exzentrisches Tribute-Konzept entwickelt.

Stucky und ihre Mannen gehen die Hendrix-Titel mit viel Fantasie und ausgefallenen Ideen an. Nicht nur den Nummern „Machine Gun“, „Angel“ oder „Foxy Lady“ gewinnen sie ganz neue Seiten ab, auch eine so bekannte Nummer wie „Hey Joe“ ist durch den sanften Bargesang am Anfang des Lieds kaum wiederzuerkennen. Doch dann setzt Christy Doran zu einem heulenden Gitarrensoli an und plötzlich meint man den Geist von Jimi Hendrix in die Saiten greifen zu hören.