Neuer Jazz kommt an
Voller Saal trotz hochsommerlicher Temperaturen – Rebecca Trescher überzeugt mit dem Ensemble 11 beim Jazzclub Singen in der „Gems“
Fotos: C. Wagner
cw. Dem Jazzclub Singen ist abermals ein Wunder gelungen: Trotz Hitzewelle und unbekannter Nachwuchsband strömte das Publikum in Scharen zum Konzert am Freitagabend in die „Gems“. Angekündigt war Rebecca Trescher mit ihrem Ensemble 11, einer jungen Gruppe aus Nürnberg, die sich bereits ein paar Meriten verdient hat, den großen Durchbruch aber erst noch schaffen muß. Der Auftritt in Singen kann als weiterer Sprosse auf der Erfolgsleiter verbucht werden.
Die exzellente Besucherresonanz ist wohl der jahrelangen, zähen Aufbauarbeit des Jazzclub-Vorsitzenden Rudolf Kolmstetter und seinem Team zu verdanken, die Singen zur ersten Adresse für Jazz in der südwestlichen Ecke von Baden-Württemberg gemacht haben. Seit 30 Jahren hat sich der Club mit einem exzellenten Programm ein Stammpublikum geschaffen, das sich kein Konzert entgehen läßt und auch lange Anfahrtswege bei hochsommerlichen Temperaturen nicht scheut, um Gruppen zu hören, die man sonst selten präsentiert bekommt.
Dennoch forderte die Hitze ihr Tribut: Eine Viertelstunde vor Konzertbeginn musste der Harfinist sein Instrument nachstimmen, so sehr zerrte die Hitze an den Saiten des klassischen Klangerzeugers, dem man ja im Jazz nicht allzu oft begegnet.
Allerdings ist das Ensemble 11 von Rebecca Trescher auch keine konventionelle Jazzformation, was allein schon die Größe andeutet. Wo sonst Trios und Quartette die Szenerie bestimmen, hat Trescher ihr Ensemble opulent mit elf Musikern besetzt. Sie bringen ein überaus reichhaltiges Instrumentarium ein, bei dem neben Harfe und diverse Querflöten, auch Cello, Vibrafon und etliche Klarinetten zum Einsatz kommen. Angetrieben von einer Rhythmusgruppe aus Schlagzeug, Kontrabaß und Klavier, kreiert die junge Komponistin, Arrangeurin und Klarinettistin einen höchst individuellen, warmen Ensembleklang, den sie auf fantasievolle und oft überraschende Weise zu nutzen weiß.
Alle Stücke hat die 33jährige Musikerin aus Nürnberg, die in Tübingen aufgewachsen ist, selbst komponiert, wobei keiner der Titel dem üblichen Schema folgen. Klischees versucht Trescher zu umgehen, ausgereizte Formeln zu vermeiden. Im gesamten ersten Teil des Konzerts wurde ein einziges Werk aufgeführt, das als fünfteilige Suite konzipiert war und das Publikum durch abenteuerliche Klanglandschaften führte. Zwischen die manchmal hochkomplexen Tonkonstellationen, die durch den textlosen Scat-Gesang der Vokalistin Agnes Lepp eine schwebend-ätherische Qualität erhielten, wurde Soli eingestreut, bei denen die Mitglieder des Ensembles ihre Meisterschaft unter Beweis stellten. Neben der Bandleaderin an der Klarinette stachen dabei vor allem Altsaxofonist Markus Harm und Pianist Andreas Feith durch große Originalität heraus.
Wenn von den Brennpunkten des deutschen Jazz die Rede ist, wird normalerweise auf Berlin und Köln verwiesen. Vielleicht sollte man sich einmal in Nürnberg genauer umhören.
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