WELTREKORD im DAUERKLAVIERSPIEL
Auf meinen gelegentlichen Exkursionen durch die Labyrinthe der Historie bin ich neulich in der BADISCHEN PRESSE vom 31. Juli 1925 auf einen interessanten Hinweis gestoßen. Er hat mich an das ewiglange Stück von Erik Satie "Vexations" erinnert, das vor ein paar Monaten in der Tübinger Stiftskirche aufgeführt wurde – zwölf Stunden lang immer die gleiche Melodie, die 840 Mal wiederholt wurde, wobei sich die Pianisten abwechselten.
Vor hundert Jahren waren offenbar die Klavierspieler noch aus anderem Holz geschnitzt, wie der BADISCHE PRESSE zu entnehmen ist. Dort kündigt der Engländer Albert Kemp (in einer anderen Werbeanzeige wird er Kenys genannt) einen Auftritt im DAUERKLAVIERSPIEL in Karlsruhe in der Kellerwirtschaft Hoepfnerbräukeller an: zwölf (in Zahlen: 12) Stunden ohne Unterbrechung. Vielleicht haben solche Marathonmusiker Erik Satie einst auf die Idee für "Vexations" gebracht?
Die Sache nahm 1950 eine Fortsetzung mit einem Weltmeisterschaftsversuch in Heidelberg, wie die Ettlinger Zeitung vom 16. Juni 1950 berichtete. Der Düsseldorfer Heinz Arntz wollte 125 Stunden Dauerspielen. Jetzt hatten sich allerdings die Regularien verändert. Der Pianist konnte pro 24 Stunden 60 Minuten Pause machen.
Und der Rekord wurde immer mehr nach oben geschraubt, wie das Heidelberger Tagblatt vom 4. September 1950 berichtete.
Ein Artikel aus der Badischen Allgemeinen Zeitung vom 8. März 1951 gibt Einblick in die Lebensumstände des Weltmeisters im Dauerklavierspiel, der sich nicht als Pianist, sondern als Artist bezeichnete. Seit 1929 hatte er aus der Rekordjagd ein Geschäftsmodell gemacht, mit dem er seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte, weil das Spektakel bei jedem neuen Rekordversuch Massen von Schaulustigen anzog.
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