Versponnene Songs
Die britische Folklegende Mike Heron
mit Trembling Bells unterwegs
cw. Die Beatles und Elton John zählten
zu ihren Bewunderern. 1969 spielte die Gruppe auf dem legendären
Woodstock-Festival: Die Incredible String Band aus Schottland war in der
Hippie-Ära eine der einflussreichsten Gruppen einer neuen psychedelischen
Folkmusik, zu deren Erfindern sie zählten. Mitte der siebziger Jahre trennten
sich die beiden Mitglieder und gehen seither getrennte Wege. Jetzt hat sich Sänger
Mike Heron, mittlerweile 71 Jahre alt, mit der jungen schottischen Folkrockband Trembling Bells zusammen getan, um dem damals revolutionären musikalischen
Material neue Lebensgeister einzuhauchen. Im Club Manufaktur in Schorndorf
zeigten sich die sieben Musiker und Musikerinnen aus Glasgow in Hochform und
absolvierten ein fulminantes Konzert, das erst nach mehreren Zugaben zu Ende
ging.
Mit Hilfe des Produzenten Joe Boyd
entfaltete einst die Incredible String Band erst im Studio ihre wahre Stärke.
Neben akustischer Gitarre und Mandoline verwandelte ein Arsenal von
außergewöhnlichen und exotischen Instrumenten wie Flöten, Maultrommel, Kazoo,
Bongos, Sitar, Cembalo und Mundharmonika, die im Mehr-Kanal-Verfahren
aufgenommen wurden, ihre zarten versponnenen Lieder in ein Rad bunter
Pfauenfedern. “Live” konnten die beiden Musiker diese Arrangements jedoch nie
in ihrer ganzen Vielfalt in Szene setzen.
Mit dem kleinen Folkorchester aus
sechs Musikern, das die Trembling Bells darstellen, ist das nunmehr möglich,
wobei sich die Arrangements nicht sklavisch an die Originale halten, sondern diese Klassiker der
psychedelischen Ära fantasievoll in andere Farben tauchen.
Dazu bringen die Trembling Bells
noch ein paar ihrer eigenen Songs ein, die gleichfalls Folkeinflüsse mit
Rockrhythmen vermischen und von der Stimmkunst ihrer Sängerin und der
Virtuosität ihres Gitarristen und Schlagzeugers leben. An Abwechslungsreichtum
ließ das Konzert nichts zu wünschen übrig. Bei manchen Songs wurden sogar die
Instrumente ganz aus der Hand gelegt, um die Lieder im unbegleiteten
mehrstimmigen Harmoniegesang zu intonieren, was von den Fans im Auditorium mit
prasselndem Beifall bedacht wurde.
Oft schon sind solche
Wiederbelebungen von früheren glorreichen Zeiten gründlich in die Hose gegangen
– nicht hier: Wie ein klassisches Kammermusik-Ensemble schafften es Mike Heron
and die Trembling Bells die alten kleinen Folksinfonien mit frischen Ideen zu
erfüllen und damit zu neuem Leben zu erwecken.
Der Artikel erschien zuerst im Schwarzwälder Bote, große Tageszeitung in Südwestdeutschland
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