Zum 50. Jahrestag des 1. Waldeck-Festivals 1964
Liedfest auf der Burg
Vor 50 Jahren begann die
deutsche Liedermacherbewegung
cw. Popsongs oder Chansons in deutscher Sprache werden
heute als selbstverständlich betrachtet. Das war nicht immer so! Erst in den
sechziger Jahre entstand in Westdeutschland eine junge Liedbewegung, die sich wieder
in der Muttersprache ausdrückte. Franz Josef Degenhardt, Reinhard Mey und
Hannes Wader wurden zu Stars der neuen Szene. Einmal im Jahr trafen sich diese
Songpoeten damals auf der Burgruine Waldeck im Hundsrück zu einem Festival, das
zur Wiege der bundesrepublikanischen Liedermacher-Bewegung wurde.
Dieses Jahr wird vom 6. bis 8.
Juni auf
der “Waldeck” wieder ein Liederfest gefeiert. Veteranen
wie Hein & Oss Kröher, Christof Stählin und Walter Mossmann werden
Rückschau auf ein Ereignis halten, das 1964 zum ersten Mal stattfand. Dazu
kommen junge Sängerinnen wie Dota Kehr oder Gruppen wie Tschaika und
Schlagsaite, die zeigen, was heute aus den Anstößen geworden ist. Ein
Dokumentarfilm von Gabi Heleen Bollinger, der gerade auf DVD erschienen ist,
zeichnet die Entwicklung über ein halbes Jahrhundert nach.
“Ein Programm ist gemacht
worden über das ganze Gelände. Auf der
Hauptbühne, aber auch an kleineren Konzertorten - in Hütten und Jurten
-fanden Veranstaltungen statt,” erinnert sich der Hechinger Liedermacher
Christof Stählin, der damals dabei war. “Nachts haben überall Feuer gebrannt
und es ist gesungen worden. Da ist tagaus tagein und nachtaus nachtein
musiziert worden.”
Die Waldeck-Premiere 1964
brachte zum ersten Mal Liedpoeten, Kabarettisten, Barden und Bänkensänger an
einem Ort zusammen. Sie schufen die Grundlagen für eine neue deutsche
Liedtradition, die sich als gesellschaftskritisch und demokratisch verstand und
von französischen Chansons, Freiheitsliedern, Landstreicher-Balladen,
Brecht-Moritaten und amerikanischen Folksongs beeinflußt war. Georges Brassens
und Bob Dylan gaben die Richtung vor.
Franz Josef Degenhardt auf der Waldeck
Zum ersten “Festival für
Chanson und Folklore International” kamen 350 Besucher. Im darauffolgenden Jahr
waren es bereits 2000. Aufbruchstimmung machten sich breit. “Die Sensation
waren Sänger, die ihre eigenen Lieder machten,” erinnert sich Stählin. Die
aufgewühlte Atmosphäre der Studentenrebellion prägte ab 1967 das Festival. Ein
ideologischer Riss tat sich auf zwischen den Protestsängern und den weniger
politischen “Privatlieder”-Machern, die mehr und mehr ins Abseits
gerieten. Reinhard Mey sah sich heftiger Kritik ausgesetzt. Eine hitzige
Debatte entbrannte.
Reinhard Mey auf der Waldeck
1968 platzte das Festival aus
allen Nähten. 5000 Besucher strömten auf das Burggelände und brachten die nur
rudimentäre Infrastruktur an den Rand des Kollaps. Die politischen Konflikte
schwelte weiter. Es kam zu Bühnenbesetzungen. Auftritte wurden gestört.
Kabarettisten wie Hanns-Dieter Hüsch wurden attackiert. Ein Jahr später dann
das Finale: Das Waldeck-Festival passte sich dem neuen Zeitgeist an -
Diskussionen, Teach-Ins, Underground-Rock und Gegenkultur dominierten das
Programm, die Lieder wurden an den Rand gedrängt. Damit war der Endpunkt
erreicht. Das Festival löste sich sang- und klanglos auf.
Die Auszeit währte lange. Erst
zum 40. Jahrestag des ersten Festivals gab es 2004 eine Nachfolgeveranstaltung.
Danach kam langsam wieder ein Festival zustande, das allerdings nicht mehr an
die Bedeutung der ursprünglichen Waldeck-Festivals anknüpfen konnte. Junge
Liedermacher und Folkgruppen geben sich seither alljährlich auf der Burgruine
ein Stelldichein - so auch dieses Jahr!
Selbst 50 Jahre nach dem ersten Festival wirkt der Geist der Waldeck immer noch
inspirierend.
Der Artikel erschien zuerst im Schwarzwälder Bote, große Tageszeitung in Südwestdeutschland.
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