Jazzrock-Helden
Colosseum
im ausverkauften Theaterhaus in Stuttgart
cw. Für
Anhänger des Jazzrock sind sie Götter: Colosseum hat in den späten sechziger
Jahren die Stilrichtung miterfunden! 1968 vom Schlagzeuger Jon Hiseman
gegründet, verband die englische Formation die elektrischen Sounds des
Underground mit der Virtuosität und Improvisationslust des modernen Jazz, wobei
außerdem noch Elemente des Blues und der klassischen Musik einbezogen wurden.
Mit der “Valentyne Suite” schuf die Londoner Band ein ambitioniertes Werk, das
die ganze Seite einer Langspielplatte einnahm.
Colosseums
Markenzeichen war ein geschmeidiger Orgelsound, eine kreischende E-Gitarre,
aber vor allem das atemberaubende Schlagzeugspiel von Jon Hiseman und die Saxofonartistik
von Dick Heckstall-Smith, der zwei Hörner gleichzeitig bediente. Als Quintett
gestartet, wurde bald der Sänger Chris Farlow, einer der besten Soulstimmen der
Insel, zur gesanglichen Verstärkung herangezogen. Darüber hinaus trat Hisemans
Ehefrau, die Flötistin und Saxofonistin Barbara Thompson, zeitweise der Band
bei.
Trotz
beachtlicher Erfolge war Anfang der siebziger Jahre bereits die Luft raus: die
Gruppe löste sich auf und machte in anderen Konstellationen noch ein paar Jahre
weiter, bevor ein endgültiger Schlußstrich gezogen wurde. Hiseman und Thompson
wechselten Ende der Siebziger zum erfolgreichen United Jazz & Rock Ensemble
des Stuttgarter Keyboarders Wolfgang Dauner, wo sie Jahrzehnte lang eine zentrale Rolle spielten.
Foto: Christoph Wagner
1994
kam es beim Jazzfestival in Viersen zur Wiedervereinigung von Colosseum.
Seither ist die Gruppe wieder in Originalbesetzung unterwegs, wobei nach dem
Tod von Dick Heckstall-Smith nunmehr Barbara Thompson alleine die Saxofonparts
übernimmt.
Obwohl
diese Art von Jazzrock heute etwas überholt erscheint, gelang es Colosseum bei
ihrem Auftritt in Stuttgart dennoch, nicht als abgetakelte Rentnerband zu
wirken, was ohne Zweifel der Artistik und Spielfreude der Musiker zuzuschreiben
ist. Vor allem Jon Hiseman hinter einer Riesenbatterie aus Trommeln und Becken,
sowie Bassist Mark Clarke erwiesen sich als vitale Könner, die mit Drive und
Kraft agierten und nur noch durch Dave ‘Clem’ Clempson übertroffen wurden, der
mit langen fingerschnellen Gitarrensoli etliche Glanzpunkte setzte. Die seit
Jahren am Parkinson-Syndrom leidende Saxofonistin Barbara Thompson setzte ihre
Einsätze punktgenau und steuerte ein paar exquisite Improvisationen bei, was
ebenfalls für Keyboarder Dave Greenslade gilt, dessen altersbedingte Gebrechlichkeit
seinem Orgelspiel nicht anzuhören war.
Foto: Christoph Wagner
Als
Schlußcrescendo wurde die “Valentyne Suite” präsentiert, in der jeder
Instrumentalist noch einmal sein Können ausgiebig unter Beweis stellte. Die 500
Konzertbesucher im ausverkauften Theaterhaus in Stuttgart sprangen wie
elektrisiert von ihren Sitzen. Mit stehenden Ovationen feierten die angegrauten
Rockfans ihre in die Jahre gekommenen Helden, die die Musik ihrer Jugend noch
einmal auferstehen ließen – und das in recht imposanter Manier!
No comments:
Post a Comment