Friday, 14 November 2014

Rock-Recycling: COLOSSEUM auf Tour


Jazzrock-Helden

Colosseum im ausverkauften Theaterhaus in Stuttgart


cw. Für Anhänger des Jazzrock sind sie Götter: Colosseum hat in den späten sechziger Jahren die Stilrichtung miterfunden! 1968 vom Schlagzeuger Jon Hiseman gegründet, verband die englische Formation die elektrischen Sounds des Underground mit der Virtuosität und Improvisationslust des modernen Jazz, wobei außerdem noch Elemente des Blues und der klassischen Musik einbezogen wurden. Mit der “Valentyne Suite” schuf die Londoner Band ein ambitioniertes Werk, das die ganze Seite einer Langspielplatte einnahm.

Colosseums Markenzeichen war ein geschmeidiger Orgelsound, eine kreischende E-Gitarre, aber vor allem das atemberaubende Schlagzeugspiel von Jon Hiseman und die Saxofonartistik von Dick Heckstall-Smith, der zwei Hörner gleichzeitig bediente. Als Quintett gestartet, wurde bald der Sänger Chris Farlow, einer der besten Soulstimmen der Insel, zur gesanglichen Verstärkung herangezogen. Darüber hinaus trat Hisemans Ehefrau, die Flötistin und Saxofonistin Barbara Thompson, zeitweise der Band bei.

Trotz beachtlicher Erfolge war Anfang der siebziger Jahre bereits die Luft raus: die Gruppe löste sich auf und machte in anderen Konstellationen noch ein paar Jahre weiter, bevor ein endgültiger Schlußstrich gezogen wurde. Hiseman und Thompson wechselten Ende der Siebziger zum erfolgreichen United Jazz & Rock Ensemble des Stuttgarter Keyboarders Wolfgang Dauner, wo sie  Jahrzehnte lang eine zentrale Rolle spielten.
Foto: Christoph Wagner



1994 kam es beim Jazzfestival in Viersen zur Wiedervereinigung von Colosseum. Seither ist die Gruppe wieder in Originalbesetzung unterwegs, wobei nach dem Tod von Dick Heckstall-Smith nunmehr Barbara Thompson alleine die Saxofonparts übernimmt.  

Obwohl diese Art von Jazzrock heute etwas überholt erscheint, gelang es Colosseum bei ihrem Auftritt in Stuttgart dennoch, nicht als abgetakelte Rentnerband zu wirken, was ohne Zweifel der Artistik und Spielfreude der Musiker zuzuschreiben ist. Vor allem Jon Hiseman hinter einer Riesenbatterie aus Trommeln und Becken, sowie Bassist Mark Clarke erwiesen sich als vitale Könner, die mit Drive und Kraft agierten und nur noch durch Dave ‘Clem’ Clempson übertroffen wurden, der mit langen fingerschnellen Gitarrensoli etliche Glanzpunkte setzte. Die seit Jahren am Parkinson-Syndrom leidende Saxofonistin Barbara Thompson setzte ihre Einsätze punktgenau und steuerte ein paar exquisite Improvisationen bei, was ebenfalls für Keyboarder Dave Greenslade gilt, dessen altersbedingte Gebrechlichkeit seinem Orgelspiel nicht anzuhören war.
                                                                                                                         Foto: Christoph Wagner
 

Als Schlußcrescendo wurde die “Valentyne Suite” präsentiert, in der jeder Instrumentalist noch einmal sein Können ausgiebig unter Beweis stellte. Die 500 Konzertbesucher im ausverkauften Theaterhaus in Stuttgart sprangen wie elektrisiert von ihren Sitzen. Mit stehenden Ovationen feierten die angegrauten Rockfans ihre in die Jahre gekommenen Helden, die die Musik ihrer Jugend noch einmal auferstehen ließen – und das in recht imposanter Manier!

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