Musikalische
Recycling-Kunst
Nicht aus dem
Mississippi-Delta, sondern aus München kommt das Bluesduo Black Patti – jetzt
haben sie in Calw ein erstaunliches Album eingespielt
cw. Die Popszene gleicht
einem Eisberg: nur die Stars an der Spitze sind sichtbar. Der Rest, der sich in
zahllose Strömungen und Stilrichtungen unterteilt, blüht für Außenstehende meist
im Verborgenen, wobei die Bandbreite von Rap und Reggae über Heavy Metal und
Hardcore bis zu Funk und Soul reicht. Für viele dieser Subkulturen ist die
englische Vokabel “vintage” (= altehrwürdig) das Schlüsselwort. Sie träumen sich
musikalisch in die Vergangenheit zurück. Stile der fünfziger Jahre (und früher)
wie Western Swing, Rock ‘n’ Roll oder Bluegrass werden zu neuem Leben erweckt.
Das Münchner
Bluesduo Black Patti hat es in dieser Recycling-Kunst zu wahrer Meisterschaft
gebracht. Peter Krause ist der erfahrenere der beiden und schon seit Jahren im
Geschäft. 2005 erhielt der Sänger und Gitarrist, der auch Mundharmonika spielt,
den Preis der deutschen Schallplattenkritik. Ferdinand Krämer ist der Neuling des
Gespanns und erst seit kurzem Profi. Auch er singt und spielt Gitarre, doch auf
der Mandoline entfaltet er seine größte Virtuosität.
Zusammen steigen
die beiden tief in die Vergangenheit hinab und pflegen einen archaischen Bluesstil,
wie er im tiefen Süden der USA vor dem 2. Weltkrieg in Mode war. Damals zogen schwarze
Sänger wie Robert Johnson, Charley Patton und die Mississippi Sheiks mit ihren
Gitarren durchs Land, um an belebten Straßenecken, nach Feierabend vor Fabriktoren
oder bei Gartenfesten und Hausparties ihre Lieder und Tanznummern zum Besten zu
geben. Diese Klänge lassen Black Patti wieder auferstehen – mit viel Fingerspitzengefühl
und Einfühlungsvermögen.
Black Patti spielen
den Delta-Blues mit großer Überzeugungskraft. Da wimmern die Gitarren, da heult
die Mundharmonika und winzelt die Mandoline, und ein zweistimmiger Gesang setzt
ausdrucksvolle Akzente. Der Hörer fühlt sich in die Ära der Schellack-Platten zurückversetzt,
was ins Bild passt, ist der Name der Band doch von einem obskuren
amerikanischen Plattenlabel entlehnt, das in den zwanziger Jahren ein paar Platten
veröffentlichte und dann wieder von der Bildfläche verschwand.
Wer glaubt, dass
solche Klänge nur am Mississippi entstehen können, liegt falsch: Die Aufnahmen für
das Debutalbum wurden in Calw gemacht. Dort betreiben Stephan Brodbeck und Ray Baziany das Black Shack Recording Studio, das auf “vintage sounds” spezialisiert ist. Das
Equipment haben sie über Jahren zusammengetragen. Anstatt mit Computer und Digitaltechnologie
zu arbeiten, wird dort mit alten RCA-Mikrofonen, Tonbandmaschinen und
Röhrenverstärkern aufgenommen.
Kein
Wunder, dass mit Rhythm Bomb Records aus London ein großes internationales
Indie-Label anbiß. Dort erscheint “No Milk No Sugar” als CD und Vinyl-LP. Dann
stehen für den Rest des Jahres noch zahlreiche Auftritte an. Black Patti tritt
in Kneipen, Kulturzentren und bei Straßenfestivals auf – bis zu 120 Mal im
Jahr. Für die Band von der Isar hat der Blues-Boom gerade erst begonnen.
BLACK PATTI: No Milk No Sugar (Rhythm Bomb Records)
BLACK PATTI: No Milk No Sugar (Rhythm Bomb Records)
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