Saturday, 23 May 2015

Delta-Blues von der Isar: BLACK PATTI

Musikalische Recycling-Kunst

Nicht aus dem Mississippi-Delta, sondern aus München kommt das Bluesduo Black Patti – jetzt haben sie in Calw ein erstaunliches Album eingespielt


cw. Die Popszene gleicht einem Eisberg: nur die Stars an der Spitze sind sichtbar. Der Rest, der sich in zahllose Strömungen und Stilrichtungen unterteilt, blüht für Außenstehende meist im Verborgenen, wobei die Bandbreite von Rap und Reggae über Heavy Metal und Hardcore bis zu Funk und Soul reicht. Für viele dieser Subkulturen ist die englische Vokabel “vintage” (= altehrwürdig) das Schlüsselwort. Sie träumen sich musikalisch in die Vergangenheit zurück. Stile der fünfziger Jahre (und früher) wie Western Swing, Rock ‘n’ Roll oder Bluegrass werden zu neuem Leben erweckt.

Das Münchner Bluesduo Black Patti hat es in dieser Recycling-Kunst zu wahrer Meisterschaft gebracht. Peter Krause ist der erfahrenere der beiden und schon seit Jahren im Geschäft. 2005 erhielt der Sänger und Gitarrist, der auch Mundharmonika spielt, den Preis der deutschen Schallplattenkritik. Ferdinand Krämer ist der Neuling des Gespanns und erst seit kurzem Profi. Auch er singt und spielt Gitarre, doch auf der Mandoline entfaltet er seine größte Virtuosität.

Zusammen steigen die beiden tief in die Vergangenheit hinab und pflegen einen archaischen Bluesstil, wie er im tiefen Süden der USA vor dem 2. Weltkrieg in Mode war. Damals zogen schwarze Sänger wie Robert Johnson, Charley Patton und die Mississippi Sheiks mit ihren Gitarren durchs Land, um an belebten Straßenecken, nach Feierabend vor Fabriktoren oder bei Gartenfesten und Hausparties ihre Lieder und Tanznummern zum Besten zu geben. Diese Klänge lassen Black Patti wieder auferstehen – mit viel Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen.

Black Patti spielen den Delta-Blues mit großer Überzeugungskraft. Da wimmern die Gitarren, da heult die Mundharmonika und winzelt die Mandoline, und ein zweistimmiger Gesang setzt ausdrucksvolle Akzente. Der Hörer fühlt sich in die Ära der Schellack-Platten zurückversetzt, was ins Bild passt, ist der Name der Band doch von einem obskuren amerikanischen Plattenlabel entlehnt, das in den zwanziger Jahren ein paar Platten veröffentlichte und dann wieder von der Bildfläche verschwand.

Wer glaubt, dass solche Klänge nur am Mississippi entstehen können, liegt falsch: Die Aufnahmen für das Debutalbum wurden in Calw gemacht. Dort betreiben Stephan Brodbeck und Ray Baziany das Black Shack Recording Studio, das auf “vintage sounds” spezialisiert ist. Das Equipment haben sie über Jahren zusammengetragen. Anstatt mit Computer und Digitaltechnologie zu arbeiten, wird dort mit alten RCA-Mikrofonen, Tonbandmaschinen und Röhrenverstärkern aufgenommen.

Kein Wunder, dass mit Rhythm Bomb Records aus London ein großes internationales Indie-Label anbiß. Dort erscheint “No Milk No Sugar” als CD und Vinyl-LP. Dann stehen für den Rest des Jahres noch zahlreiche Auftritte an. Black Patti tritt in Kneipen, Kulturzentren und bei Straßenfestivals auf – bis zu 120 Mal im Jahr. Für die Band von der Isar hat der Blues-Boom gerade erst begonnen.

BLACK PATTI:  No Milk No Sugar (Rhythm Bomb Records)

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