Saturday, 23 May 2015

Jazzpionier KARL BERGER

Der Altersreife

KARL BERGER zum 80sten


Angesichts der vielen jungen Talente, die derzeit auf die Szene drängen, gerät die alten Garde mehr und mehr ins Abseits. Dass die Veteranen immer noch Wichtiges zu sagen haben, macht Karl Berger deutlich, einer der wenigen deutschen Jazzmusiker von internationalem Rang.

Berger, der Ende März 80 Jahre alt wurde, war in den sechziger Jahren einer der Musiker, der in der Gruppe von Hans Koller dem modernen Jazz in Deutschland Geltung verschaffte. Mit Don Cherry ging er dann in die USA, wo er in Woodstock das “Creative Music Studio” gründete, um Hunderten von jungen Improvisatoren zu Inspiration und einem tieferen musikalischem Verständnis zu verhelfen. In Woodstock lebt Berger bis heute. Seine Lehrtätigkeit machte ihn zu einem der weltweit einflußreichsten Jazzmusiker Europas. Ob Steven Bernstein, Cyro Baptista, Peter Apfelbaum oder Marilyn Crispell – alle sind bei Berger in die Lehre gegangen.
Karl Berger ist normalerweise als Vibraphonist bekannt. Jetzt hat ihn John Zorn für sein Tzadik-Label für eine Reihe von drei Alben ans Klavier gebeten, das Instrument, dass er einst an der Musikhochschule seiner Heimatstadt Heidelbarg studierte, jedoch im klassischen Fach. ‘Gently Unfamiliar’ ist die zweite Veröffentichung der Trilogie. 

Berger trumpft nicht auf, gefällt sich weder in Tastensprints noch avantgardistischen Eskapaden. Stattdessen bietet er ein Jazzpianospiel ohne Mätzchen und Kapriolen, das von  Souveränität und Altersweisheit bestimmt ist und von Poesie getragen.

Für seine Kompositionen wählte Berger die kleine Form, reiht eine singbare Melodie an die andere, die er dann improvisatorisch entfaltet, ohne dass ihre kantable Sinnlichkeit verloren geht. Berger spielt mit dezentem Anschlag, nur selten greift er  energischer in die Tasten. Die Interaktion mit seinem superben Rhythmusteam aus Joe Fonda (Baß) und Harvey Sorgen am Schlagzeug ist von blindem Verständnis und schlafwandlerischer Sicherheit geprägt. Fonda geht hellwach auf die pianistischen Impulse ein, während Sorgen mit den Besen der Musik eine schwebende Qualität verleiht, wobei eine Intimität und Feinfühligkeit entsteht, die an die Klaviertrios von Bill Evans erinnert.

An Berger scheint jede Eitelkeit abgefallen. Hier wird nicht nach billigen Applaus geschielt oder musiziert, um dem Ego zu schmeicheln, vielmehr geht es einzig und allein um die Musik. So unprätentiös und abgeklärt wie der Altmeister, spielt keiner der Piano-Newcomer. 

Karl Berger: Gently Unfamilar – Suite in 7 Movements for Piano Trio (Tzadik)

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