cw. Ich hatte Jerome Cooper Mitte der
80er Jahre bei meinen jährlichen Reisen nach New York getroffen. Ich kannte
seine Solo-LPs bereits, die wunderbare und ganz eigenständige Aufnahmen einer
vielschichtigen Perkussionsmusik waren. Dazu kamen die Alben mit dem Revolutionary
Ensemble – jedes für sich ein starkes Statement! Auch tauchte er auf Alben von Roland Kirk, Cecil Taylor und anderen auf. In einer ebenerdigen Wohnung
auf der Lower East Side, wo Labelbetreiber John Mingione von Anima Records wohnte und von wo aus er
seine winzige Plattenfirma betrieb, hing Cooper häufig herum. Dort traf ich ihn. Die Kontrabassistin Joelle Leandre kam auf eine Stippvisite vorbei. John Mingione verdiente seinen Lebensunterhalt mit einem Blumengeschäft am Flughafen (vielleicht war es JFK), wo Cooper, wenn er keine Gigs und kein Geld mehr hatte, als Blumenverkäufer arbeitete. Ich verabredete mich mit ihm in seinem
Loft zu einem Interview (mein Adressbuch gibt ‘177 Franklin Street, Bell 4’ an). Dort stand sein
Schlagzeug und die anderen Perkussionsinstrument. Er war damals psychisch nicht gerade in guter
Verfassung - seine “Lady” hatte ihn gerade verlassen. Cooper spielte mir neue Aufnahmen vor, bei denen er außer dem Schlagzeug und seinem Balafon, noch
eine Art primitiven Synthesizer/Sampler einsetzte, was mir gar nicht gefiel. Für mich
hörte sich das an, als ob er seinen brillanten akustischen Set mit billiger
Elektronik zerstören würde. (Der Meinung bin ich bis heute)
Zusammen mit der Schlagzeugerin
Robyn Schulkowsky, die in München ein Schlagzeugfestival ausrichtete, holten
wir ihn im folgenden Jahr für ein paar Konzerte nach Deutschland. Er trat in
meiner Heimatstadt Balingen in der kleinen Siechenkirche auf. Doch der
Live-Gig überzeugte nicht, ließ die Disziplin der Schallplattenaufnahmen
vermissen. Cooper war mürrisch, hing in seinem Hotelzimmer rum, die Fenster offen und rauchte viel Dope. Er machte mir Vorhaltungen, weil er die Gage für zu niedrig empfand
(immerhin erhielt er 500 DM plus Hotel und Verpflegung). Er meinte “Musiker der
Neuen Musik” würden ein Mehrfaches verdienen – in diese Richtung wollte er
gehen, was ich für illusorisch hielt.
Ein paar Tage später fuhr ich ihn dann mit meinem kleinen Renault 4 nach Wiesbaden zum nächsten Auftritt. Er setzte den Kopfhörer seines Walkmans auf und sprach während der langen Fahrt nicht mehr viel. Der Auftritt – eine Art Mitternachtskonzert - fand bei heftigstem
Regen in einem großen Konzertzelt statt – kaum Publikum, deprimierende Kulisse.
Der Regen trommelte mächtig aufs Zeltdach. (Der Mixer schnitt den Gig mit,
irgendwo müsste ich noch eine Cassette davon haben.) Am nächsten Tag trat Cooper in
Wuppertal bei Peter Kowald auf, und war – wie mir Peter später mitteilte - weiterhin
mißmutig und schlechter Laune. Mit einem Konzert im ‘Bunker’ in Bielefeld
schloß die Tour ab.
Ich hörte ein paar Jahre später noch einmal von
ihm. Er rief mich an, sagte, dass er eine Reise nach Asien plane, und ob ich -
quasi als Zwischenstation - nochmals ein Konzert organisieren könnte. Ich
winkte ab. Mir war die Lust vergangen. Doch hatte ich natürlich nunmehr die Scheinwerfer an und
verfolgte seine weiteren Aktivitäten
genau, die spärlich genug waren. Er schickte mir sein exzellentes Quintett-Album (mit u.a. William Parker am Bass und Joseph Jarman, Saxofon und Jason Hwang, Violine), das ich für die Fachpresse besprach. Das Comeback-Album des Revolutionary Ensembles überzeugte gleichfalls, seine Solo-CD auf Mutable Music weniger - wieder ging mir die schwülstige
Elektronik gegen den Strich. Als ich 2012 abermals in New York war, traf ich bei einem Umtrunk den
Labelbetreiber von Pi Recordings, Yulun Wang. Sein Label hatte das
Comeback-Album des Revolutionary Ensembles veröffentlicht. Yulun erzählte, dass Jerome Cooper bettelarm irgendwo auf
der East Side unter schlimmen Verhältnissen in einem besetzten und völlig
heruntergekommenen Wohnblock leben würde. Mehr wisse er auch nicht. Das war das
letzte Zeichen, dass ich von Jerome Cooper hatte. Jetzt lese ich, dass er in
Brooklyn im Alter von 68 Jahren gestorben ist. Seine wunderbare Musik bleibt
uns erhalten.
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