Tuesday 15 December 2015

Jazzdrummer Daniel Humair

 Von Paris nach Madagaskar

Im Tübinger Sudhaus öffnet Altmeister Daniel Humair den Jazz zur Weltmusik


cw. Im Jazz sind zumeist Pianisten oder Saxofonisten die Bandleader, selten Schlagzeuger. Der Schweizer Drummer Daniel Humair, der seit Ewigkeiten in Paris lebt, bildet die Ausnahme von der Regel. Der 77jährige hat 1960 seine erste Schallplatte aufgenommen, danach mit den besten Musikern aus Europa und den USA gearbeitet (darunter dem legendären Eric Dolphy), um heute als einer der Großen des modernen europäischen Jazz zu gelten.

Sein Quartett, mit dem er vor beachtlicher Kulisse im Tübinger Sudhaus auftrat, hat Humair mit jungen Talenten besetzt, die neue Tendenzen und Einflüsse in die Musik einbringen, gelegentlich auch in die freie Atonalität ausgreifen. So stellt der Schlagzeugveteran sicher, dass seine Musik auch nach mehr als einem halben Jahrhundert nicht stillsteht, sondern sich kontinuierlich weiterentwickelt.

Emil Parisien hat sich aufs Sopransaxofon spezialisiert, das er mit Druck und großer Ausdruckskraft spielt, kompetent nicht nur in lyrischen Träumereien sondern auch im ekstatischen Powerplay. Ihm steht Akkordeonist Vincent Peirani in nichts nach. Mit atemberaubender Fingerfertigkeit huscht er über die Knöpfe seines Instrument und läßt dabei Melodien und Akkorde erklingen, die aus Nordafrika oder vom Balkan stammen könnten oder sich bei der exotischen Harmonik der Volksmusik von Madagaskar bedienen. Zusammen mit den manchmal arabisch anmutenden Saxofonschlängeleien von Parisien öffnet Peirani den Jazz zur Weltmusik, was ein zusätzliches tänzerisches Element einbringt.
Doch so virtuos und einfallsreich die jungen Musiker auch agieren, der Bandleader am Schlagzeug gibt doch nie vollständig die Führung aus der Hand. Nie trumpft er mit hohler Artistik auf, sondern begleitet dezent und geschmacksicher die improvisatorischen Exkursionen seiner Mitmusiker, um im entscheidenden Moment mit einem Akzent auf dem Becken oder einem mächtigen Trommelschlag sie wieder einzufangen und ins Fahrwasser der Komposition zurückzuführen. Jeder bekommt im ScheduleLaufe des Konzertabends sein Solo, beim dem auch Kontrabassist Jerome Regard seine Extraklasse unter Beweis stellt, der sonst mit mächtigen Ostinato-Figuren oder filigramen Swing für ein federndes Fundament sorgt.

Schlagzeuger und Bandleader Daniel Humair will sich nicht auch noch als Komponist beweisen. Einige der Stücke des Konzerts stammen aus der Feder von Musikern aus früheren Kooperationen, ob vom deutschen Pianisten Joachim Kühn oder vom französischen Saxofonisten Francois Jeanneau, mit denen Humair über die Jahre immer wieder zusammengearbeitet hat. Daneben läßt er auch hier seine jungen Bandmitglieder zum Zuge kommen. Humair hat es nicht mehr nötig, sich bei jeder Gelegentheit in den Vordergrund zu schieben. Eher zieht er ruhig und mit Bedacht im Hintergrund die Fäden und läßt lieber dem Nachwuchs den Vortritt.

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