Tuesday, 29 December 2015

Death Metal: Zum Tod von Lemmy Kilmister


Der letzte seiner Art

Heavy Metal-Ikone Lemmy stirbt in Los Angeles im Alter von 70 Jahren



Er war Roadie von Jimi Hendrix, spielte bei den Space-Rockern von Hawkwind und war fast 40 Jahre lang Kopf von Motörhead, der brachialsten Rockband auf dem Planeten. Lemmy Kilmister hat den Wahnsinn des Rockgeschäfts gelebt und voll ausgekostet. Jetzt ist der Bassgitarrist und Sänger kurz nach seinem siebzigsten Geburtstag an einer aggressiven Form von Krebs in Los Angeles verstorben. Mit ihm verliert die Rockszene eine ihrer prägnantesten Gestalten. Der Mann mit dem schwarzen Kavalleriehut, den schulterlangen Haaren, einem massiven Schnauzer und ein paar Warzen im Gesicht war der letzten seine Art.

Lemmy war ein kluger Kopf, der mit Integrität und Leidenschaft seiner scharf umrissenen Vision von Rock ‘n’ Roll folgte. Songs von schnörkelloser Klarheit mit ohrenbetäubender Wucht und in rasantem Tempo vorgetragen, dazu mit rostiger Reibeisenstimme herausgebellt, so sah sein Ideal von Rockmusik aus. “Grimmig und freudig zugleich!” umriß er das Rezept, das selbst wildesten Punks in Ekstase versetzte. Auf 22 Alben hat Lemmy mit Motörhead seine musikalische Utopie realisiert. In Südwestdeutschland war die Band öfters zu Gast, ob in der Stuttgart oder beim Balinger “Bang Your Head”. Der letzte Auftritt fand erst vor einem Monat in Ludwigsburg statt. Im Februar nächsten Jahres hätte die 40-Jahre-Jubiläums-Tour über die Bühne gehen sollen.

Am Heiligen Abend 1945 geboren, erfuhr Ian Fraser Kilmister die Erleuchtung noch während der Schulzeit. “Ich habe die Geburt des Rock ‘n’ Roll aus erster Hand erlebt,” beschrieb er das Erlebnis. Eddie Cochran und Buddy Holy hießen seine Favoriten, wobei der Teenager schnell lernte, dass man mit Gitarre nicht nur wilde Musik machen konnte, sondern auch mehr Erfolg bei den Mädchen hatte. 

In Stoke-On-Trend, einer Kleinstadt in Mittelengland, geboren, wuchs Kilmister bei seiner Mutter und Großmutter auf. Zoff mit Lehrern führte zum Schulausschluß. Zeitweise arbeitete er am Fließband einer Waschmaschinenfabrik. Mit 16 Jahren begann er in Beatbands Gitarre zu spielen. Es zog ihn nach London, wo er als Herumtreiber in besetzten Häusern lebte und als Roadie die Verstärker von Jimi Hendrix herumschleppte. Mehr und mehr bestimmten Drogen sein Leben. 1971 heuerten ihn die Space-Rocker von Hawkwind als Sänger und Bassisten an. “Mach ein bisschen Lärm in E”, wurde ihm gesagt. Lemmy sang “Silver Machine”, den einzigen Hit der Gruppe.

Hawkwind war die ultimative Drogenband. Als “ein schwarzer Albtraum” beschrieb Lemmy später seine Zeit bei der Formation. Gegen die Tourstrapazen kämpfte er mit Aufputschmittel und Alkohol an. “In welcher Richtung befindet sich das Publikum?” musste er gelegentlich den Roadie fragen, der ihn auf die Bühne hob und gegen einen Verstärker lehnte, sonst hätte er sich nicht auf den Beinen halten können. Doch während nicht so robuste Naturen psychisch und physisch zusammenklappten, schien Lemmy unverwüstlich. Allerdings holten ihn den letzten Jahren die Exzesse ein. Immer öfters musste Motörhead Konzerte und Tourneen absagen. Nach einer Operation machte sein Herz die Gewaltouren kaum noch mit.

1975 ekelten ihn seine Mitmusiker von Hawkwind aus der Band, und das nicht gerade auf die feine englische Art. Auf US-Tournee an einer einsamen Raststätte machten sie sich klammheimlich aus dem Staub, als Lemmy die Toilette aufsuchte. Es war nicht das erste Mal, dass er “gestrandet” war. Diese Fiesigkeit hat er den Hawkwind-Musikern nie verziehen. Er rächte sich damit, dass er Equipment aus dem Lagerraum der Band stahl, um Motörhead auf die Beine zu stellen. Doch es lief nicht wie geplant. Zwei Jahre später stand die Gruppe vor dem Aus: “Wir hungerten, wir lebten in besetzten Häuser, nichts passierte.”


Erst das Album “Ace of Spades” brachte 1980 den Erfolg. Motörhead war jetzt dauernd auf Tour: “Du bist monatelang unterwegs und meistens nicht sicher, wo du gerade bist,” beschrieb er das Musikerdasein. “Es geht alles ineinander über und alles sieht irgendwie gleich aus.” Damals begann Lemmy einen Groll gegenüber der Musikindustrie zu entwickeln. Ärger mit Produzenten und Inkompetenz von Plattenfirmen führten zur Desillusionierung mit dem Popgeschäft. “Niemand scheint mehr an die Musik zu glauben,”  lautet sein melancholisches Fazit. Unter der rauhen Schale war Lemmy eben ein Romantiker, ja sogar ein Idealist.

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