Wednesday, 24 February 2016

FESTIVAL LAUTyodeln in München 3. bis 12. Juni 2016

LAUTyodeln - Festival für sich überschlagende Gesänge

Jodeln (engl. Yodeling) wird nomalerweise mit den Alpen verortet. Dort ist das “unartikulierte Singen aus der Gurgel”, wie es in einem Reisebericht von 1810 genannt wurde, seit Urzeiten bekannt. Sprachgeschichtlich ist das Wort “jodeln” eine Ableitung vom Mittelhochdeutschen “johlen”, das im freudigen Ausruf “io” seinen Ursprung hat. Aufsehen erregte dieser spezielle Gesangsstil Ende des 18. Jahrhunderts, als die ersten Touristen in die Alpen kamen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Alpengesang mehr und mehr zur Touristenattraktion. Bei seinem “Bummel durch Europa” begegnete Mark Twain den “Tiroler Trällern” 1878 – wie er schreibt – “auf freier Wildbahn”.
Ursprünglich war das Jodeln ein archaisches Verständigungsmittel. Es war LAUT, durch den Stimmumschlag weit LAUTER als der normale Gesang, und deshalb gut geeignet, kurze Botschaften und Signale über größere Entfernungen zu übermitteln. Dazu kommt eine magische Komponente. Wo ein kraftvoller Ruf die Luft erfüllt, finden Dämonen keinen Platz.
                                                                                                                      Erika Stucky - Stimmexzentrik

Allerdings ist das Jodeln keine alpenländische Besonderheit. Auch in anderen Gegenden auf dem Globus wird gejodelt, wenn auch in anderer Manier. Ob in Südosteuropa, in Afrika, in den USA oder der Südsee – überall wird das Singen mit sich überschlagender Stimme mit dem charakteristischen Registerwechsel von Brust- und Kopfstimme in unterschiedlichsten Formen und verschiedensten Bezeichnungen praktiziert.
                         Baka Beyond 


Vom 3. bis 12. Juni 2016 steht München ganz im Zeichen des globalen Yodelns und verbindet die elementaren Gesangs- und Körpertechniken, die weltweit höchst unterschiedlich eingesetzt und in den letzten Jahren auch zunehmend experimentell musikalisch verarbeitet werden.LAUTyodeln bietet einen Einblick mit Konzerten, Workshops und Vorträgen in die gesamte Bandbreite dieser archaischen Form des Ausdrucks in ihren unterschiedlichsten und neu interpretierten Facetten.
Mit dabei: Yellow Bird, Christian Zehnder, Erika Stucky, Baka Beyond, Black Patti, Natur Pur, Monika Drasch, Maria Reiter & Friends, Robert Morgenthaler's Windbone & Weisenbläser und viele mehr.
Mehr:

Das alte Banjo: Minstrel-Banjo

DAS ALTE BANJO

Bevor das moderne Bluegrass-Banjo  mit seinem scheppernd-knalligen Sound entstand, waren bundlose Minstrelbanjos in Gebrauch, die - üblicherweise mit Darmsaiten bespannt - einen viel weicheren und leiseren Klang besaßen.

Variete-Musiker als Musikakrobaten, Carde de Visite, ca. 1880



fotografische Metallplatte, Banjofamilie 1870



Tuesday, 23 February 2016

COOL BRITANNIA - Post-Jazz Festival Wien 15. + 16. April 2016

Cool Britannia

Eine junge Generation mischt die Britjazz-Szene auf
 


London wirkt wie ein Magnet. Immer mehr Jazzmusiker aus aller Welt lassen sich in der 13-Millionen-Metropole nieder. Gerade ist eine junge Generation dabei, den Jazz von der Insel neu zu beleben: Post-Jazz heisst der Trend, der viele aktuelle Klänge einbezieht.

Polar Bear brachte den Umschwung. Vor zehn Jahren leitete die Gruppe den Generationenwechsel ein, indem sie sich nicht mehr an die alten Spielregeln hielt. Schlagzeuger und Bandleader Seb Rochford entwirft originelle Stücke, die sich aus entspannten Rhythmen, federnden Basslinien und singbaren Melodien sowie dem Zwiegespräch der beiden Saxofone entwickeln. Die Musik nimmt sich Zeit und öffnet Räume. “Wir brechen die herkömmliche Jazzstruktur auf”, erklärt Rochford.

Im Post-Jazz von Polar Bear ist die Elektronik ein stilbildendes Element. Der Mann am Laptop, Joystick und Sampler - John Burton alias Leafcutter John - taucht die Musik in ein digitales Klangbad. Ob Techno, House oder Drum ‘n’ Bass - viele Sounds, die in den Clubs der Großstädte pulsieren, sehen sich auf originelle Weise verarbeitet.
 Polar Bear


Wenn bei Polar Bear Not am Mann ist, springt Shabaka Hutchings ein. Der Londoner Saxofonist, der in London geboren ist, aber in Barbados aufwuchs, gilt als visionärer Künstler. Auf der Suche nach den eigenen Wurzeln hat Hutchings vor ein paar Jahren der frei improvisierten Musik adieu gesagt. Mit der Gruppe Sons of Kemet mixt er die Körperlichkeit der karibischen Musik mit den Sounds der lärmenden Metropole. Die Gruppe ist ungewöhnlich besetzt: Über den zupackenden Riffs der Tuba und dem Trommelgeflecht der beiden Drummer (Seb Rochford und Tom Skinner) bläst Hutchings ekstatische Saxofonlinien.

Die Musiker sind eng vernetzt. Tom Skinner ist nicht nur einer der Drummer der Sons of Kemet, sondern sitzt auch im Trio von Alexander Hawkins am Schlagzeug. Der Pianist aus Oxford geht eigene Wege. Sein Konzept zielt auf Unabhängigkeit in der Einheit. Jedes Mitglied folgt seinem eigenen Kompass, ohne dass man sich laufend aufeinander bezieht, und dennoch verschmilzt die Musik zu einem geschlossenen Ganzen.
Alexander Hawkins
 
Zu den Gruppenaktivitäten kommen die Soloauftritte. Allein auf der Bühne zu stehen, empfindet Hawkins jedesmal als Herausforderung und wählt seine Noten mit Bedacht. Von freien Improvisationen über balladenhafte Elegien bis zur Dekonstruktion von Jazzstandards schlägt Hawkins einen weiten Bogen.

Lauren Kinsella ist eine Vokalistin aus London, die mit verschiedenen Bandprojekten ein Spektrum abdeckt, das von kammermusikalischen Jazzsong bis zu spontaner Improvisation reicht. Mit ihrer Gruppe Snowpoet entwirft sie eine Musik, die eher im Singer/Songwriter-Genre angesiedelt ist als im Jazzidiom. Über einem Strom aus E-Piano- und Gitarrensounds, Basslines und Drumbeats, die elektronisch knistern und rauschen, erhebt sich Kinsellas helle Stimme mit Texten, die unter die Haut gehen. Gedichte verwandeln sich in Songs.

Von Lauren Kinsellas atmosphärischer Vokalistik bis zu den intuitiven Interaktionen des Alexander Hawkins Trios, von der melodisch-rhythmischen Verschlungenheit von Polar Bear bis zur verdichteten Ekstatik der Sons of Kemet – der britische Post-Jazz ist keine einheitliche Stilrichtung, sondern eher als vielfältiger Trend zu begreifen, der von einer Jazzbasis ausgehend sich behutsam zu neuen Ufern vortastet.

Cool Britannia

A young generation is roughing up the British jazz scene

London is like a magnet. More and more jazz musicians from all over the world settle in the metropolis of 13 million people. At the moment a young generation is breathing new life into jazz in Britain: Post-Jazz is the name of the trend, which feeds on a lot of contemporary sounds.
 Polar Bear
Polar Bear brought on the change. Ten years ago the band was at the forefront of a new generation of musicians, who didn’t want to play jazz according to the old rules anymore. Drummer and bandleader Seb Rochford comes up with quirky compositions, which develop out of the dialog of the two saxophones and combine laid-back rhythms, elastic bass lines und accessible tunes. The music takes its time and opens up spaces. “We destruct the conventional jazz format”, says Rochford.

In the music of Polar Bear electronic sounds are an important ingredient. The musician who handles laptop, joystick and sampler is John Burton, also know as Leafcutter John. He submerges the music in a digital sound bath. From techno to house and drum ‘n’ bass – lots of the new club sounds are digested.

If one of Polar Bear’s regular saxophonists is indispensable, Shabaka Hutchings takes the job. The London based saxophonist, who originates from Barbados, is a visionary artist. In search of his personal roots he left the free improvising music scene a while ago to play more danceable music with the Sons of Kemet. They created a sound combining Caribbean rhythms with the noise and hectic of metropolitan life. Their line-up sticks out: while the tuba blows earthy riffs, the two drummers (Seb Rochford and Tom Skinner) create a dense braid of patterns over which Hutchings blows his horn in an ecstatic manner.
Sons of Kemet

The musicians form a network to help out each other. Tom Skinner is not only one of the drummers in the Sons of Kemet, he also plays in Alexander Hawkins’ trio. The pianist from Oxford pursues his own path. His trio music is based on the concept of independence in unity. Each member follows his own compass, while not necessarily interacting all the time. Nevertheless the music intuitively develops into a coherent whole.

Hawkins is also active as a soloist. Every time when he steps on stage on his own he resists the fear of silence by stuffing it with a barrage of notes. His spectrum is wide: from free improvisation to the destruction of jazz standards to melancholic ballads – every element melts together into one big set.

                                                                                                         Laura Kinsella & Snowpoet
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A similarly versatile musician is Lauren Kinsella. The London based vocalist covers an array of styles from jazz ballads to spontaneous music making. With her band Snowpoet she comes closer to singer/songwriters such as Joni Mitchel or Björk than to jazz standards. The musicians of Snowpoet create an electronically enhanced stream of sounds, over which Kinsella floates with her bright expressive voice. The lyrics are so intimate and crabbing that her songs turn into sung poetry.

From Kinsella’s atmospheric songs to the intuitive interaction of the Alexander Hawkins Trio and from the melodious and rhythmical interwovenness of Polar Bear to the ecstatic density of the Sons of Kemet – British post-jazz is not a coherent style, more a diverse trend, which reaches beyond jazz out to new grounds.


Diskographie:
Polar Bear: Same As You (Leaf)
Sons of Kemet: Burn (Naim Jazz)
Alexander Hwakins Trio (AH Music)
Alexander Hawkins: Solo Piano - Song Singular (Babel)
Lauren Kinsella: Snowpoet (Two River Records)

Wednesday, 17 February 2016

100 JAHRE DADA

Den Irrsinn auf die Bühne bringen

Vor 100 Jahren wurde in Zürich der Dadaismus erfunden



cw. Am Abend - Samstag, den 5. Februar 1916 – betraten ein paar “phantastische Gestalten” die kleine Bühne im Nebenzimmer eines Restaurants in der Spiegelgasse 1 in der Zürcher Altstadt und skandierten: “Hollaka hollala / anlogo bung / biago bung / blago bung / bosso fataka”. Das Publikum aus Malern, Studenten, Neugierigen und Touristen, das dicht gedrängt in dem kleinen Saal stand, wusste anfangs nicht so recht, wie ihm geschah. Dann johlte es, lachte und beklatschte begeistert die Lesung, aber auch die Sketche, Rezitationen, Musik- und Tanzaufführungen sowie die Nonsens-Possen der humoristischen Art, die folgten.

So begann der erste Abend in einer ganzen Reihe von Aufführungen in dem Saal, der fortan “Cabaret Voltaire” genannt wurde. Es war die Geburtsstunde des Dadaismus, der Kunst- und Literaturströmung, die vor 100 Jahren Furore machte und bis heute wenig an Ausstrahlungskraft verloren hat. Die Aufführenden waren der junge Deutsche Hugo Ball und seine Frau Emmy Hennings sowie deren Freunde und Bekannte, unter denen sich Hans Arp, Marcel Janco und Tristan Tzara befanden. Sie waren  Flüchtlinge und Pazifisten, die sich vor den Schrecken des 1. Weltkriegs in die neutrale Schweiz gerettet hatten. Hier nun hielten sie mit Unsinns-Sketchen und skurrilen Lautgedichten der bürgerlichen Gesellschaft den Spiegel vor, die die Welt in die Kriegskatastrophe mit 17 Millionen Toten hineingerissen hatte.

Der Dadaismus war die Gegenreaktion auf diesen Irrsinn, und Dada antwortete auf Absurdität mit Absurditäten. Mit nihilistischem Spott wurden alle überlieferten Normen und Konventionen der Lächerlichkeit preisgegeben und für nicht mehr gültig deklariert, der herrschende Rationalismus für bankrott erklärt. Keiner der Beteiligten, die auf der Bühne im “Cabaret Voltiare” sonderbare Verrenkungen vollführten, Manifeste verlasen, mit Schluckauf-Salven, Bellen und Miauen sich produzierten oder eine unsichtbare Geige spielten, dachte an eine programmatische Bewegung künstlerischer Art. Erst später kristallisierte sich eine gemeinsame Strömung heraus, die die konventionelle Kunst, Dichtung und Poesie radikal durcheinander wirbelten. Die Welt stand Kopf, und Dada vollzog das künstlerisch nach.

Das Wort, das der Kunst-Bewegung ihren Namen gab, hatte Hugo Ball und Richard Huelsenbeck zufällig in einem französischen Wörterbuch gefunden: “Ich stand hinter Ball und guckte in das Wörterbuch”, beschrieb Huelsenbeck die Szene. “Ball wies mit dem Finger auf den Anfangsbuchstaben jedes Wortes, von oben nach unten. Plötzlich schrie ich: ‘Halt!’ Mir fiel ein Wort auf, das ich noch nie zuvor gehört hatte: Dada! Es ist ein Kinderwort, das im Französischen ‘Steckenpferd’ bedeutet. Für unsere Zwecke war es wie geschaffen. Der erste Kinderlaut ist der Ausdruck für das Primitive, den Ansatz beim Nullpunkt, das Neue in unserer Kunst. Wir konnten kein besseres Wort finden.”
 
Anfangs war die Dichtung das Medium, in dem sich der Dadaismus ausdrückte. Mit Nonsens-Poemen, mit Laut-, Zufall- und Simultangedichten, bei denen drei Rezitatoren in drei Sprachen gleichzeitig durcheinander sprachen, wurde experimentiert. “Schampa wulla wussa olobo” gab Hugo Ball von sich, während er in einem Kostüm aus Pappe, das ihn in eine abstrakt-kubistische Skulptur verwandelte, auf der Bühne herumhampelte. “Um ein dadaistisches Gedicht zu machen, nimm eine Zeitung, nimm eine Schere, wähle einen Artikel, schneide jedes Wort aus und gebe sie in einen Beutel. Dann nimm einen Schnitzel nach dem anderen heraus, wie sie aus dem Beutel kommen, und schreibe sie in der Reihenfolge auf”, lautete die dichterische Gebrauchsanweisung.

Nach der Poesie kam im März 1917 die bildenden Kunst hinzu, als Hugo Ball und Tristan Tzara in der Zürcher Bahnhofstraße die Galerie Dada eröffneten. Avantgardistische Kunst jeder Art wurde präsentiert. Je wilder und abstrakter, desto besser! Tzara, Hans Arp und Marcel Janco avancierte zu den bedeutensten Künstlern des Zürcher Dadaismus. Neben Einzel- und Gruppenausstellungen mit neuen künstlerischen Medien wie Collagen, Gips- und Holzreliefs wurde ein Programm geboten, das aus Vorlesungen und Soireen bestand, wo Jazzmusik gespielt und Maskentänze aufgeführt wurden, wo hintersinnige Gedichte aufgesagt wurden und kleine Theateraufführungen stattfanden. Auch ein “Klub der esoterischen Philosophen” gab sich ein Stelldichein. Ein Beobachter sprach von einem “Manikürsalon der schönen Künste”, der mit “etwas Verrücktem” die Kunst-, Musik- und literarische Szene “aufzupulvern” versuchte.
 
Die Öffentlichkeit war irritiert. Was sollte das alles bedeuten? Viele reagierten mit Kopfschütteln. Vlademir Lenin, der russische Revolutionär, befand sich 1916 ebenfalls im Zürcher Exil und wohnte in der gleichen engen Gasse der Altstadt nur einen Steinwurf vom Ort der Kunstrevolte entfernt. Registrierte er, was im Cabaret Voltaire vor sich ging? Und welchen Reim hätte er sich darauf gemacht? Dada sorgte für hitzige Kontroversen. Sogar Kritiker aus dem Milieu der literarischen Moderne meldeten sich zu Wort. Der Verleger Kurt Wolff, der Kafka, Georg Trakl und Heinrich Mann herausgab, konnte dem “Dadagelall” wenig abgewinnen. “Noch bevor ich mir des völligen Schwachsinns dessen, was unter dem Namen Dada veranstaltet und verunstaltet wurde, bewußt geworden war, hatte mich die Pedanterie, die Langeweile und der Stumpfsinn von dem Wahn geheilt, dass hier schöpferischer Spaß zu finden sei,” urteilte Wolff.

Nichts destotrotz breitete sich Dada-Bewegung aus. In Berlin, in New York, in Paris, Köln und Hannover fanden sich Mitstreiter, die heute große Namen in der Kunstgeschichte sind: Marcel Duchamp, Man Ray oder Kurt Schitters. In den 1920er Jahren verpuffte zusehens der Elan. Der Impuls hatte sich erschöpft. Die Dada-Aktivisten wandten sich anderen Ideen und Konzepten zu. Doch ihr Einfluß ist bis heute nicht versiegt. Immer noch ziehen Künstler Inspiration aus der radikalen Ablehnung ästhetischer Normen und hohler gesellschaftlicher Werte. Der Dadaismus als geistige Haltung und Innovationsprinzip wirkt fort: “Wuluba ssubudu uluw ssubudu / tumba ba- umf / kusagauma / ba umf”.

Ausstellung:
Genese Dada - 100 Jahre Dada Zürich / Arp Museum Bahnhof Rolandseck; 14. 2. – 10. 7. 2016


RHIANNON GIDDENS verhilft dem Minstrel-Banjo zu neuem Leben

Oh nein, ein Banjo!

Die neue Aktualität eines diskriminierten Instruments

cw. Lange wurde das Banjo als ein Instrument betrachtet, dass nur noch von verschrobenen Hinterwäldler im tiefen Süden der USA gespielt wird – das typische “Redneck”-Instrument! Das gilt inzwischen nicht mehr: Seit ein paar Jahren hat die Popmusik das Zupfinstrument entdeckt und es zum Sinnbild für unangepassten Individualismus gemacht, mit dem Stars wie Mumford & Sons und Taylor Swift kokettieren. Ja selbst in der alternativen Popszene steht das Banjo hoch im Kurs, ob bei Rachael Dadd oder der neuen englischen Indie-Hoffnung This is the Kit. Doch alte Vorurteile sterben langsam. Kate Staples, die Frontfrau er Band, berichtet, dass sie laufend Leuten begegnet, die die Augen verdrehen und verzweiflelt ausrufen: “Oh nein, ein Banjo!”
 
Eine, die in das Zupfinstrument vernarrt ist, ist Rhiannon Giddens, ehemals das Gesicht der Carolina Chocolate Drops, heute in eigener Mission unterwegs. “Ich bin fasziniert von Dingen, die verschüttet sind,” sagt die afro-amerikanische Musikerin und Sängerin, weswegen es kaum verwundert, dass in ihrer Musik das Banjo ein Comeback erlebt. Giddens spielt kein konventionelles Instrument, sondern ein rares Modell: den Nachbau eines Minstrel-Banjo von 1858. Es hat keine Bünde und benutzt Darmsaiten, anstatt der üblichen Stahlsaiten, was ihm einen vollkommen anderen, viel weicheren Klang gibt.

Dieser Banjo-Typ hat Giddens den Weg zum vergessenen Repertoire der alten Minstrel-Shows erschlossen, die im 19. Jahrhundert die populärste Form der öffentlichen Unterhaltung waren. “Das war die erste wirklich amerikanische Musik, weil in ihr afrikanische und europäische Traditionen zusammenflossen,” bemerkt die Musikerin. In ihrer eigenen Musik mischt sie diese uramerikanischen Klänge mit zeitgenössischen Sounds: “Ich krame diese alten Stücke hervor und blase ihnen das Leben unserer modernen Welt ein.”

Um die Vorfahren des Banjos aufzuspüren, ist Giddens bis nach Afrika gereist. In Senegal und Gambia traf sie auf das Akonting, ein Saiteninstrument. “Als ich es spielte, kam das einer Erleuchtung gleich,” berichtet sie von ihrer ersten Begegnung. “Es wurde mir schlagartig klar, dass aus diesem Instrument das Minstrel-Banjo hervorgegangen sein muß, so ähnlich sind sich die beiden. Ganz klar: Sklaven haben es nach Amerika gebracht, wo es zum Banjo wurde.”


Weniger mit der Geschichte als mit der Zukunft des Instruments ist der Saitenvirtuose Brandon Seabrook befasst. Der New Yorker Avantgarde-Musiker kam zu der Erkenntnis, dass in der Welt des Banjos seit längerem nichts wirklich Innovatives mehr passiert ist. Und da das Banjo eigentlich ein lautes, knallig-perkussives Instrument ist, schien eine kraftvolle Rhythmusgruppe aus Baß und Schlagzeug genau das Richtige zu sein. Mit seinem Speed-Core-Jazzpunk-Trio Power Plant hebt Seabrook die traditionelle Spielweise auf ein anderes Geschwindigkeitslevel und katapultiert so das Banjo in neue Umlaufbahnen. Vielleicht kann Seabrook die Zweifler überzeugen! Oder wird es immer Leute geben, die stöhnen: “On nein, ein Banjo!”?