Ein
halbes Jahrhundert schräge Klänge
Das
älteste Independent-Label Deutschlands, die Münchner Schallplatten-Firma
Trikont, feiert 50. Geburtstag
Geburtstagsparty: 30. November, München Feierwerk mit Attwenger, Eric Pfeil, Coconami etc.
cw. Trikont
schwimmt gegen den Strom. Das Münchner Label ist keine Schallplatten-Firma für den
Mainstream, sondern ein Musikunternehmen, das sich den musikalischen
Außenseitern widmet und die Stilformen an den Rändern pflegt: widerborstige
Volksmusik aus den Alpen, verschrobener Pop, kauzige Singer-Songwriter, „Roots
Music“ aus unterschiedlichen Gegenden der Welt bestimmen den Katalog. Dazu
kommen knisternde Schellack-Wiederveröffentlichungen sowie knackige Blasmusik. Trikont
hat Hans Söllner, Ringsgwandl, Attwenger, Funny van Dannen und La BrassBanda bekannt
gemacht und die Öffentlichkeit auf finnischen Tango, griechischen Rembetika,
Cajun, Zydeco und Klezmer gestoßen, auch das „American Yodeling“ wiederentdeckt!
Fast 500 Alben mit schrägen Klängen hat das älteste Independent-Label
Deutschlands in 50 Jahren veröffentlicht. Ein Buch von Christof Meueler und
Franz Dobler mit dem Titel „Die Trikont-Story – Musik, Krawall und andere
schöne Künste“ zeichnet zum goldenen Jubiläum auf 470 Seiten mit vielen Bildern
die bewegte Geschichte nach.
Mitten
im Vorstadtlärm von München-Giesing – die Straßenbahn fährt direkt am Haus vorbei
– tut sich hinter einem Bretterverschlag ein kleines grünes Idyll auf. Dort
befindet sich das Hauptquartier des Trikont-Verlags, wo im Sommer die
Belegschaft zur Mittagszeit im Hof am Biertisch „Brotzeit“ macht. Seit
den Gründerjahren hat sich einiges verändert, wobei die Schallplatten-Hüllen und
Konzert-Plakate an den Wänden von der bewegten Geschichte des Labels erzählen. Der
rustikale Charme der frühen Jahre hat sich nur noch ganz hinten im obersten
Stock im Büro von Labelboss Achim Bergmann erhalten, wo Überbleibsel und
Souvenirs aus 50 Jahren das Ambiente bestimmen.
Trikont wurde als Buchverlag in den turbulenten Jahren der Studentenrebellion gegründet. Mit den Tagebüchern von Che Guevara und der „Mao-Bibel“ wurde der Verlag zu einer Institution im subkulturellen Milieu, wo Themen wie Arbeiterpolitik, Feminismus, Regionalismus und linke Theorie den Diskurs bestimmten. 1971 kam zu den Büchern eine Schallplatten-Produktion dazu. Der Buchverlag vollzog Ende der 1970er Jahre eine esoterische Wende und ging danach Pleite, während das Label am Leben blieb.
Die
irischen Folkpunkband The Pogues fungierte in den 1980er Jahren als Wegweiser. Seit
Bergmann die Band gehört hatte, träumte er davon, eine derart verwegene
Mischung aus traditionellen Klängen und wildem Punk auch im Alpenraum aufzuspüren.
Das Duo Attwenger aus Linz erfüllte mit seinen zerhackstückelten Landlermelodien
und rockigen Grooves die Erwartungen. Trikont entdeckte darüberhinaus Southern Soul,
Rembetika, Hillbilly, Cajun und Zydeco und gab die „Flashback“-Sampler, die
„Raren Schellacks“ und die „Stimmen Bayerns“ heraus. Das Lokale und Regionale wurde
zu einem Markenzeichen des Labels. Das Programm bestimmten nun Klänge eigensinniger
Alltagskulturen, die in Musikstilen Ausdruck fanden, die sich von der Industrie
nicht vereinnahmen ließen.
Trikont-Artists: Coconami
Anfang
der 1990er Jahre kam Eva Mair-Holmes an Bord. Die Augsburgerin hatte bei freien
Radios gearbeitet und brachte frischen Wind ins Trikont-Universum. Sie sorgte
dafür, dass das Label nicht zu sehr ins Kauzige abdriftete, sondern sich der
Jetzt-Zeit stellte und aktuelle Pop-Strömungen aufgriff. Trikont expandierte. Eine
eigene Konzertagentur kam dazu. Heute bestimmen Kofelgschroa, Embryo, Eric
Pfeil, Coconami und die Express Brass Band das Programm, die für Klänge stehen,
die weder Folk, noch Weltmusik sind, sondern in Richtung Pop tendieren, ohne
ihre Wurzeln zu verleugnen. Diese Künstler sorgen dafür, dass „unsere Stimme“
(Trikont-Slogan) auch auf der aktuellen Musikszene deutlich zu vernehmen ist.
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