Von Voodoo-Funk bis Ethno-Rock
Neun Musiker und Musikerinnen empfehlen die besten Alben von 2014
Justin Adams (Bath, England / Gitarrist von Robert Plant & The
Sentational Space Shifters)
Mein Sohn hält mich mit HipHop und Dubstep auf dem Laufenden, wobei ich
das Gefühl habe, dass diese Stilrichtungen der echte Rock ‘n’ Roll von heute sind.
Angel Haze ist eine Rapperin mit fetten Beats und einer starken Haltung, ihr
Album ‘Dirty Gold’ (Universal / Island) hat mich beeindruckt. Auch der Drummer
Dave Smith, der mit mir bei Robert Plant spielt und auch in meiner eigenen
Gruppe Juju am Schlagzeug saß, hat mit seiner Band Fofoulah eine kleine ‘Live’-EP
(Loop Records) produziert, die sehr interessat ist. Sabar-Rhythmen aus dem
Senegal verbinden sich mit cooler Elektronik und losem poly-rhythmischen Spiel
– toll!
Irène Schweizer (Zürich, Schweiz / international
bekannte Schweizer Jazzpianistin)
Es kommen nonstop CDs auf dem Markt, die ich
fast alle musikalisch belanglos finde - schade! Da ich viel lieber Musik ‘live’
höre, kaufe ich mir selten neue CDs. Aber mein neues Album ‘Spring’ (Intakt
Records) mit dem Saxofonisten Jürg Wickihalder gefällt mir ziemlich gut. Doch
Selbstlob ist ja eigentlich nicht erlaubt!
Alex Neilson (Glasgow, Schottland / Drummer und Sänger der Gruppen Trembling Bells, Death Shantis und Crying Lion)
2014 gab es fantastische Alben von ein paar Freunden und Kollegen von
mir: ‘Voices from Rented Room’ (Drag City) von New Bums zählen dazu, auch Elisa
Ambrogios’ ‘The Immoralist’ (Drag City) sowie Current 93 mit ‘I Am The Last Of
The Field That Fell’ (The Spheres). Aber die Veröffentlichung, die mich
wirklich umgehauen hat, war ‘The Complete Basement Tapes’ von Bob Dylan, die
auf Columbia Records erschien. Es ist ein riesiger Behälter von Folk- und Country-Songs,
auch Improvisationen, Lieder, die einfach so im Vorbeigehen entstanden sind. So
klingt Dylan, wenn er total entspannt und am fruchtbarsten ist. Er legt dann
die Fessel ab, die ‘Stimme einer Generation’ zu sein und kann direkt aus seinem
überschießenden kreativen Jungbrunnen schöpfen. Und seine Begleitgruppe The
Band erweckt die Musik auf erfinderische und sinnliche Weise zum Leben.
Peter Brötzmann (Wuppertal / international bekanntester deutscher Jazzsaxofonist)
Meine letzte Neuerwerbung war ein Album mit dem Titel: ‘Dinah Jams’ (Waxtime
Records) von der amerikanischen Jazzsängerin Dinah Washington, ‘live’
aufgenommen 1954 und vor einiger Zeit wiedererschienen. Da gibt es eine Version
von ‘Lover Come Back To Me’, und da kommen mir fast die Tränen. Da ist alles
drin, was (Jazz-)Musik ausmacht: eine ungeheure Sensibilität in allen
Bereichen! Aber auch der Rest ist großartig, mit einer Sängerin, an der sich die
jungen Sängerinnen von heute gleich mal ein paar grosse Scheiben abschneiden
könnten. Und drei hervorragende Trompeter sind auch dabei - Clifford Brown, Maynard
Ferguson, Clark Terry, dazu der fantastische Schlagzeuger Max Roach.
Mulatu Astatke (Addis Abeba, Äthiopien / Vibrafonist und Bandleader mit weltweitem Erfolg)
Seit
sieben Jahren mache ich ein Radioprogramm in Addis Adeba, das ich mit ein paar
Freunden betreibe, was eine Neuheit für Äthiopien war. Ich habe die Sache in letzter Zeit etwas
ruhen lassen, weil ich viel unterwegs war: Konzerte überall auf der Welt,
Schallplattenaufnahmen etc. Jetzt mache ich mit dem Radioprogramm weiter und werde zuerst ein Album spielen, das mir ein Freund aus Deutschland gegeben hat. Es ist die fantastische CD ‘Beyond Addis’ (Trikont). Sie präsentiert die internationale Szene des ‘Ethio-Jazz’, einer Musik aus äthiopischen Melodien und psychedelischen Rock- und Jazzklängen, die ich in den 70er Jahre erfunden habe. Heute lassen sich junge Musiker auf der ganzen Welt davon inspirieren und spielen diesen Stil. Das freut mich, weshalb ich dieses Album nur wärmstens empfehlen kann.
Jan Weissenfeldt (alias JJ Whitefield, München / Gitarrist der Poets of Rhythm, der Whitefield Brothers und von Karl Hector & The Malcouns)
Die ‘Phin’ ist ein traditionelles Instrument,
das in Ost-Thailand und Laos beheimatet ist und mit der Gitarre verwandt ist.
In den 70er Jahren wurde es elektrifiziert, was eine moderne Version des
klassischen Molam-Stils hervorbrachte. Gepaart mit traditionellen Trommeln aber
auch westlichen Instrumenten wie Schlagzeug und E-Bass ist es die aktuelle
Musik bei Hochzeiten, Familienfeste und Strassenumzüge in Thailand. Khun Narin,
einer der populärsten elektrischen ‘Phin’-Spieler ist der erste, der seinen
hypnotisch-psychedelischen Ethno-Rock ausserhalb Thailands veröffentlicht. Die
CD heisst Khun Narin’s Electric Phin Band (Innovative Pleasure) und ist ein
akustisch-exotischer Trip, der seinesgleichen sucht.
Lu Edmonds (London, England / Gitarrist von John
Lydon’s PiL und den Mekons)
Ein paar junge vitale Musiker und Produzenten aus dem Iran gaben mir das
Album ‘Jooy-e-Noghre-ye-Mahtab - Duo for Setar & Tombak’ von Navid Afghah
auf der diesjährigen Weltmusik-Messe "Womex". Die CD enthält total
außerirdische Musik gespielt auf der dreisaitigen Setar-Laute und der
Tombak-Handtrommel, sehr schön aufgenommen. Das ist traditionelle Musik mit
atemberaubenden musikalischen Wendungen, die problemlos an die beste klasssiche
Musik des Westens heranreicht. Die Musiker spielen derart beseelt, dass man nur
staunen kann: sehr sensibel und leicht, und doch voller Leben und Schwung! Aber
ihr Zusammenspiel ist das eigentliche Wunder - manchmal sehr explosiv! Diese CD
führt die Ohren in einen Raum, den man nur selten betritt.
Markus Acher (Weilheim, Bayern / Sänger von The Notwist, Post-Rockband
mit weltweitem Erfolg)
Schwierig, die eine liebste Platte dieses Jahres zu bestimmen, aber
meine liebste Sun Ra-Platte haben auf jeden Fall das Duo Shabazz Palaces mit "Lese
Majesty" veröffentlicht. Die Erinnerung an HipHop in einer ins All
davonkreiselnden Weltraumsonde ... Afrika und der Mond .... Anfang und Ende der
Zivilisation zusammengetrommelt in die Hallspirale.
Nik Bärtsch (Zürich, Schweiz / Pianist und Bandleader der Zen-Funk-Band Ronin)
Mein Album für 2014 ist ‘Race’ von Dee Day Dub. Die Band attackiert mit
anarcho-futuristischem Voodoo-Funk, als ob sie auf einem fernen Planeten in
einer freakigen Bar vor Spacepiraten und bizarren Wesen um ihr Leben spielen
würde. Die Working-Band hat ein Flair für kauzige Grooves, trippeldeutige Texte
und schräge aber eingängige Melodien.
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