Friday, 19 December 2014

Das HILLIARD ENSEMBLE hört auf

Verschlungener Gesang

Das Hilliard Ensemble, Stars der Alten Musik, tritt nach 40 Jahren ab


cw. In den sechziger Jahren erschallte ein neuer Klang in der klassischen Musik. Mit Krummhorn, Rebec, Theorbe, Dulzian und Rauschpfeife hielten die Töne des Mittelalters und der Renaissance Einzug in die Welt der Klassik. Halb vergessene Instrumente brachten eine Klangwelt zum Vorschein, die ein halbes Jahrtausend alt war und sich doch neu und ungewohnt anhörte. Fünfzig Jahre später hat sich die Alte Musik als eigenständiges Genre etabliert mit zahlreichen Konzerten, Festivals und CD-Veröffentlichungen jedes Jahr und Stars wie Jordi Savall, die allerorten große Konzertsäle füllen. Selbst das weltbekannte Kronos Quartet hat ein Album der “Early Music” gewidmet.

Die Pioniere der Anfangszeit suchten die Authentizität. Während zu Beginn noch viel mit historischem Instrumentarium musiziert wurde, verschob sich das Interesse mehr und mehr in Richtung Vokalmusik. An Stelle des vibrato-reichen Gesangs der Klassik trat eine klare nüchterne Stimmführung. Das unbegleitete Gesangsensemble wurde zur Standard-Besetzung und die historische Aufführungspraxis zur Pflicht. Erst mit der Zeit dämmerte es den Beteiligten, dass, wie Thomas Forrest Kelly in seinem jüngst bei Reclam erschienenen Sachbuch “Alte Musik” verdeutlicht, eine wirklich originale Wiedergabe eigentlich gar nicht möglich ist - höchstens Annäherungen.

Zu den Pionieren des neuen Vokalstils gehörte das englische Hilliard Ensemble. Die Mitglieder der Gruppe waren bei David Munrow und seinem Early Music Consort in die Lehre gegangen, einem Ensemble, das Ende der sechziger Jahre in England und darüber hinaus das Interesse an Alter Musik entfacht hatte. Mit dem Album “Officium”, das die vier Hilliard-Sänger mit dem Jazzsaxofonisten Jan Garbarek 1994 veröffentlichten, gelang ein Volltreffer: 1,5 Millionen verkaufte CDs machten die Gruppe zu Stars der Tonträger-Branche und die Klänge des Mittelalters und der Renaissance über den Kreis der Kenner hinaus bekannt. Ich reiste damals extra nach London, um David James, Countertenor der Gruppe, für die Taz zu der Einspielung zu interviewen und fand einen Sänger vor, der vor Freude über den Erfolg euphorisch in seiner Wohnung in der St. Peters Street herumtänzelte. Nun konnte es sich das Ensemble erlauben, auch ab und zu Werke moderner Komponisten wie Arvo Pärt ins Programm zu nehmen. Ihrem Ruf, Spezialisten für “Early Music” zu sein, tat das keinen Abbruch. 

1974 gegründet, wird das Hilliard Ensemble nach 40 Jahren am 20. Dezember in London sein letztes Konzert geben. Dabei werden Stücke des Abschiedsalbums “Transeamus” zur Aufführung kommen. Auf der CD sind englische Carols und Motetten aus dem 15. Jahrhundert enthalten, die seit langem zum Lieblingsrepertoire der Gruppe gehören. Kompakt und doch glasklar wird die verschlungene Mehrstimmigkeit der Renaissance in Szene gesetzt, was einmal mehr den Ruf des Hilliard Ensembles unterstreicht, zu den Spitzenkönnern der Sparte zugehören.


Eine solch superbe Reputation muß sich das Trio Medieaval erst noch erwerben. Das Frauenensemble aus Norwegen hat sich wie die Hilliards der frühen Vokalmusik verschrieben und schlägt auch gelegentlich den Bogen in die Gegenwart, wobei mittelalterliche Polyphonie mit Werken zeitgenössischer Kompositionen gemischt wird. Allerdings kommen die modernen Stücke nicht schrill und dissonant daher, sondern orientieren sich an der wohligen Klanglichkeit der Alten Musik, die sachte modernisiert wird. Das Trio Mediaeval intoniert die Kompositionen auf so makellose Weise, dass die drei Stimmen zu einem einzigen Klangkörper verschmelzen. Das Hilliard Ensemble hätte es kaum besser gekonnt.

Der Artikel erschien zuerst im Schwarzwälder Bote, große Tageszeitung in Südwestdeutschland

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