Botschafter des englischen Folk
Der Singer-Songwriter Colin Wilkie lebt sein 50 Jahren im “Ländle”
Dieses Jahr ist Colin Wilkie achtzig Jahre alt geworden und
tritt immer noch regelmäßig auf. Bis heute fährt er eigenhändig mit dem Auto zu
den Konzerten, den Gitarrenkasten im Kofferraum. Colin Wilkie gilt als “Folk-Legende”:
Er hat maßgeblich zur Entstehung der deutschen Folkszene beigetragen. In den
Sechzigern war er bei den legendären Waldeck-Festivals dabei, die als die Wiege
der deutschen Liedermacherei gelten. Er hat zahlreiche LPs und CDs
veröffentlicht und unzählige Auftritte absolviert. Wilkie wirkte als
Botschafter, der den Deutschen die englische Folkmusik nahebrachte.
Um die Anfänge seiner Sängerkarriere in Erinnerung zu rufen,
muß Wilkie in die frühen sechziger Jahre zurückgehen, als er sich im Duo mit
Shirley Hart auf der englischen Folkszene einen Namen machte. Das
Musiker-Ehepaar führte damals ein ungebundenes Vagabunden-Leben, war ständig
auf Achse und trat jeden Abend in einem anderen Folkclub zwischen Brighton und
Edinburgh auf. Die Sommer verbrachten die beiden in Südfrankreich, wo sie sich als
Straßenmusiker durchschlugen. Eines Tages wurden sie von einem junger Deutschen
angesprochen, der ihnen einen Auftritt in Bonn vermittelte. “Wir glaubten, es
handelte sich um einem kleinen Folkclub und waren völlig überrascht, als sich das
Konzert als große Lieder-Gala in der Bonner Beethoven-Halle entpuppte, wo neben
uns noch andere Ensembles und Sänger auftraten,” erinnert sich Wilkie.
Als Engländer standen die beiden für echten Folk, was sie in
der Bundesrepublik zu einer Ausnahmeerscheinung machte und bei Veranstaltern
und Cluborganisatoren höchst gefragt. Regelmäßig traten sie bei Festivals auf, dazu
kamen Rundfunk- und Fernsehmitschnitte. Das Stuttgarter Staatstheater engagierte
das Folkduo 1966 für eine Produktion, in der sie zwei Straßensänger verkörperten
und während des Stücks ein paar Lieder sangen. Eineinhalb Jahre dauerte das
Engagement. Colin Wilkie & Shirley Hart bezogen in Stuttgart Quartier und
absolvierten neben der Theaterarbeit so viele Auftritte wie möglich. ob in
Clubs, an Schulen oder Universitäten.
Zahlreiche Schallplatten entstanden. Neben einem “Shanty”-Album
mit englischen Seemannsliedern auch eine bemerkenswerte Folk-Jazz-Platte, die
Colin Wilkie & Shirley Hart mit den Musikern des Albert Mangelsdorff
Quintetts zusammenbrachte. Die Konzert-Nachfrage war so enorm, dass das Ehepaar
beschloß permanent in Deutschland zu bleiben. Stockheim bei Heilbronn wurde ihr
neues Zuhause. Als Sohn Vincent geboren wurde, beschloß Shirley Hart das unstete
und aufreibende Konzertleben an den Nagel zu hängen, ein Entschluß, der ihr
nicht allzu schwer fiel: “Auf der Bühne hatte ich mich nie richtig wohl
gefühlt, weil ich an starkem Lampenfieber litt.”
Seither tritt Colin Wilkie alleine auf, manchmal auch im Duo
mit Wizz Jones, Werner Lämmerhirt oder Klaus Weiland. Sein aktuelles Album voll neuer Songs (Titel: Bangter Rites!) belegt eindrucksvoll, dass Colin Wilkie noch lange nicht zum alten Eisen gehört.
Der Artikel erschien zuerst im Schwarzwälder Bote, große Tageszeitung in Baden-Württemberg.
Der Artikel erschien zuerst im Schwarzwälder Bote, große Tageszeitung in Baden-Württemberg.
No comments:
Post a Comment