Monday, 9 May 2022

Ein Buch voller Blues: Martin Feldmann - Travelling to the Blues

Buchbesprechung:

 

Ein Buch voller Blues

 

Martin Feldmann schreibt eine ganz persönliche Geschichte des Blues



Maxwell Street Market, Chicago 1986 (Foto: Martin Feldmann)

 

cw. Der Blues ist Mythos und soziale Realität zugleich. Für seine Fans dient er häufig als Projektionsfläche für allerlei Sehnsüchte nach einem authentischeren Leben und wird dabei von Musikern und Musikerinnen gemacht, deren Lebensumstände oft alles andere als glücklich erscheinen. Der Frankfurter Martin Feldmann versucht in seinem Buch „Further on up the Road – Traveling to the Blues” beiden Aspekten gerecht zu werden. Feldmann ist kein Musikethnologe, sondern Fotograf, Journalist, vor allem aber Fan, der seit 1979 etliche Reisen in die USA unternommen hat, um den Spuren der schwarzen Musik nachzugehen. 

 

Dabei sind es nicht die ganz großen Stars wie B.B. King, John Lee Hooker oder Howlin‘ Wolf, denen Feldmanns Aufmerksamkeit gilt. Vielmehr interessiert ihn das Wurzelwerk des Blues, das Heer von zumeist nur lokal bekannten Musikern und Musikerinnen, denen man in den kleinen „Juke Joints“ von Chicago, Kansas City, New Orleans, Austin, San Francisco oder Los Angeles begegnet. Feldmann geht es um den authentischen Blues, ungeschminkt und (noch) nicht vom Musikbusiness entstellt.



 

Auf seiner Suche nach der Seele der afroamerikanischen Musik erkundet der Journalist einige ihrer legendären Orte, ob Clubs wie das „Tipitina’s“ (New Orleans) und das „Antone’s“ (Austin) oder Straßenmärtke wie den berühmten Maxwell Street Market in Chicago, das Delta Blues Museum in Clarksdale, Mississippi, bzw. Vergnügungsviertel wie das French Quarter in New Orleans oder die Beale Street in Memphis, Tennessee. 

 

In deutsch und englisch gehalten, ist das zweisprachige Buch eine geglückte Mischung aus Information, Erlebnisschilderung und Bilderstrecke, wobei die Fotos von Feldmann beachtliche Qualität besitzen. Angereichert wird das Ganze durch Konzertplakate, Handzettel, Autogramme, Schallplattenhüllen und Eintrittskarten, die der Autor zusammengetragen hat und kenntnisreich kommentiert. Etliche Fotos schauen hinter die Kulissen, zeigen das soziale Umfeld, die schäbigen Kneipen, Hinterhöfe, Abbruchhäuser und trostlosen Behausungen, in welchen die Musik zuhause ist. Wenn diese Musiker den Blues anstimmen, ist nichts aufgesetzt, vielmehr wissen sie genau, wovon sie singen: von einer oft erschütternden Lebenswirklichkeit, die kein Pardon und kein Nachsehen kennt und mit der sie tagtäglich und lebenslang zu kämpfen haben. Romantisierungen sind hier fehl am Platz.


Maxwell Street Market, 1981 (youtube)

Auf Festivals in Deutschland und den Niederlande setzt Feldmann seine Bluesexkursion fort, wobei nun auch die europäische Bluesszene ins Blickfeld rückt, verkörpert u.a. von Jo-Ann Kelly oder John Mayall. Fast könnte man auch den legendären, schwarzen Barrelhouse-Pianisten Champion Jack Dupree zur europäischen Szene zählen, lebte der Tastenmann aus New Orleans doch jahrelang in Hannover, von wo aus er zahllose Konzertreisen durch ganz Deutschland und die Nachbarländer unternahm. Ich habe Dupree damals als Teenager öfters bei Auftritten in Süddeutschland erlebt.   

 

Mit seiner Publikation ist Feldmann ein vielfältiges Portrait der Bluesszene der letzten Dekaden gelungen – immer hautnah am Geschehen dran. Es ist zum einen seine ganz persönliche Geschichte, die Story einer musikalischen Leidenschaft, die sich wie ein Puzzle mit wachsender Seitenzahl zu einer Historie des Blues der letzten 50 Jahre zusammenfügt.

 

Martin Feldmann: Further on up the road – Traveling to the Blues. 

268 Seiten, 500 Fotos in schwarz-weiß sowie Farbe, Martin Feldmann Eigenverlag; Frankfurt a. M. 2022; Euro 49.- 


Die Buchbesprechung erschien zuerst im Jazzmagazine JAZZTHTIK, 5/6 2022 (www.jazztheik.de)

 

No comments:

Post a Comment