Tuesday 22 January 2019

Neue Musikprojekte von Hans Joachim Irmler

Irmlers Klangreise 

Im Faust-Studio in Oberchwaben sind musikalische Experimente angesagt  


cw. Hans Joachim Irmler setzt seine Reise in die unbekannten Regionen der Musik fort. Der ehemalige Keyboarder der legendären Krautrock-Gruppe Faust betreibt seit Jahren in Scheer in Oberschwaben das Faust-Studio und sorgt dafür, dass ihm nicht langweilig wird. Von Zeit zu Zeit verwandelt er sein Tonstudio in ein Labor für außergewöhnliche Klänge. So hat Irmler mit lokalen Blasorchestern und überregionalen Streicherensembles gearbeitet. Er hat Legenden wie den Jazzsaxophonisten John Tchicai, den Can-Schlagzeuger Jaki Liebezeit und den Schlagwerker der Einstürzenden Neubauten F. M. Einheit aufgenommen und ganze Alben von Bernadette LaHengst, den englischen Post-Punkern The Nightingales oder der Dream-Pop-Gruppe Pram aus Birmingham produziert. Auch mit der amerikanischen HipHop-Band Dälek hat er vor Jahren ein Album eingespielt. Die alte Bekanntschaft mit Dälek frischte Irmler im Sommer 2018 wieder auf. Er setzte eine Session mit zwei Mitgliedern der Formation aus New Jersey an und zog noch zwei Musiker der skandinavischen Formation Fire! hinzu. 

Schon immer arbeitet Irmler intuitiv. Die Improvisation steht im Mittelpunkt seiner Klangerkundungen, wobei er sich von seinem Instinkt für neue Sounds leiten läßt. Die entlockt er einem Keyboard, das er 1971 als Mitglied der Gruppe Faust selbst konstruierte und zusammenbastelte. Das Instrument Marke Eigenbau wird ergänzt durch einen Synthesizer und die neusten elektronischen Apperaturen.

Nach der jeweiligen Aufnahmesession feilt Irmler dann an den Einspielungen so lange, bis sie seinen Vorstellungen entsprechen, die oft ziemlich kühner Natur sind. Irmler liebt Klang-Detonationen, Sound-Tornados und Wirbelstürme aus Tönen.

Für das Album „Anguish“ mit Dälek hat Irmler noch weitere gleichgesinnte Musiker hinzugezogen. Manchmal schweben über einem monotonen Beat dunkle Klangwolken durch den Raum, während Will Brooks von Dälek seine düsteren Verse flüstert, spricht oder schreit, die von der aktuellen amerikanischen Politik handeln und von gelegentlichen Ausbrüchen des Saxofons von Mats Gustafsson kommentiert werden. Nur selten gönnt sich die Gruppe eine Verschnaufspause. Dann gehen sie die Improvisationen etwas gemächlicher an.

Dort knüpft Viz Michael Kremietz an. Er ist ein Spezialist für ruhige Musik – Klangmeditationen! Mit ihm hat Irmler ebenfalls ein Album aufgenommen (Titel: Endorphonic), auf dem Kremietz die japanische Bambusflöte Shakuhachi und das australische Didgeridoo spielt. Die Einspielung ist ähnlich avantgardistisch geraten wie die „Anguish“-Produktion, kommt aber um einiges leiser daher. Während Irmler mit seinen Keyboards die typisch wehenden Klänge erzeugt, die man von ihm kennt, erklingt die Flöte manchmal von sehr weit her und macht ein Geräusch, als ob der Wind durch die Blätter der Bäume streicht. In Japan dient die Shakuhachi den buddhistischen Mönchen zur innere Versenkung: Irmler und Kremietz beschreiten den gleichen Weg, bis – wie aus heiterem Himmel – plötzlich ein Klangblitz die meditative Stimmung zerreißt.

Friday 4 January 2019

Voll auf Vinyl: JACK WHITE und THIRD MAN RECORDS

Exzentriker auf Erfolgsspur

Rockstar Jack White (The White Stripes) verhilft der Vinylplatte zu einem Comeback

JACK WHITE Photo by David James Swanson
cw. Eigentlich wollte er Pfarrer werden. Als aber im Priesterseminar sein Gitarrenverstärker nicht geduldet wurde, entschied sich Jack White anders: Er wurde Rockmusiker! Das Sendungsbewußtsein ist ihm geblieben: Doch mittlerweile will er die Menschen nicht mehr für Religion begeistern, sondern für die Vinylplatten alter Bluesmusiker. 

White wurde mit den White Stripes zum Popstar. Das Rock-Duo mit seiner Ex-Ehefrau Meg am Schlagzeug sorgte um die Jahrtausendwende für Furore auf der internationalen Bühne. Hinter dem wilden, ruppigen Garagenrock der beiden schien der alte Country-Blues durch, der manchmal ganz unvermittelt durchbrach. Mit kreischender Gitarre, verzerrtem Gesang und schepperndem Schlagzeug wurden ein Song wie „Seven Nation Army“ herausgeschleudert, der heute in Fußballstadien auf der ganzen Welt angestimmt wird. 

Doch Jack White ließ es nicht beim Singen alter Blues-Klassiker bewenden. Mit missionarischem Eifer hob er 2001 das Schallplattenlabel Third Man Records aus der Taufe, das anfangs nur die Alben der White Stripes auf Vinyl herausbrachte, bald aber auch vergessene Aufnahmen alter Bluesbarden neu auflegte. Re-Issues früher Countrymusik kamen hinzu. Sein Meisterstück gelang White 2014, als er beträchtliche Teile des Werks des amerikanischen Plattenlabels Paramount neu herausgab, das zwischen 1917 und 1932 bestanden hatte. An den zwei dickleibige Ausgaben, die insgesamt 800 Titel von 172 Künstlern enthielten, hatte White drei Jahre gearbeitet.


Inzwischen ist der Popstar schon wieder ein paar Schritte weiter. Third Man Records expandiert: Zu dem Plattenladen, einem Tonstudio und einem Live-Club an den Standorten in Nashville und Detroit kam 2017 ein nagelneues Presswerk dazu. Den kompletten Maschinenpark lieferte die deutsche Firma Newbilt aus Alsdorf bei Aachen. Jetzt können die Vinylplatten hausintern hergestellt werden. Denn darauf kommt es White an: Dem Vinyl zu einem Comeback zu verhelfen! Für ihn ist der Kunststoff das eigentliche Medium, um Musik richtig zu goutieren: „CDs bzw. Downloads sind okay, aber um Musik optimal zu hören, muß sie in Vinyl gepresst sein.“

Vor zehn Jahren als Kleinbetrieb mit zwei Angestellten gestartet, hat sich Third Man Records inzwischen zu einem florierenden mittelständischen Unternehmen entwickelt, das über 30 Leute beschäftigt. Und White hat weiterreichende Pläne. Ihm schwebt eine Firma mit kompletter Produktionslinie vor: „Vorne gehen die Rohstoffe rein und hinten kommt das fertige Produkt raus. Wir sind auf dem besten Wege dahin.“

Für die seit Jahren gebeutelte Musikindustrie ist Jack White zu einem Leuchtturm geworden. Denn Third Man Records macht Gewinn! Anfangs ging White davon aus, sein Liebhaberprojekt finanziell unterstützen zu müssen: „Mit einem Schallplattenlabel Geld zu verdienen, schien bei der Gründung völlig vermessen!“ Doch seine Leidenschaft für Musik im Allgemeinen und Vinylplatten im Besonderen, dazu die Sorgfalt bei der Herstellung sowie ein ausgeklügeltes Marketing mit Sonderausgaben und limitierten Auflagen, haben Third Man Records zu einer Kultmarke gemacht und die Veröffentlichungen zu Sammlerstücken – heiß begehrt von „Vinyl Junkies“ auf der ganzen Welt. Natürlich trägt der Name von Jack White viel zum Glanz bei. 
Auf die Aufmachung der Schallplatten wird besonderen Wert gelegt. Manche Cover sind aus Holz gefertigt, andere im Stil der Kartonhüllen von Schellacks gehalten. Das Vinyl kommt in unterschiedlichen Farben daher, manchmal mit fluoreszierenden Zutaten, was es in der Dunkelheit leuchten läßt. „Jeder Werbegag ist uns recht, um die Leute zur Vinylplatte zurückzubringen, weil Musik heute immer unsichtbarer wird,“ umreißt White seine Vision.