Morgenlandfahrer
Zum Tod von Roman Bunka (2.12.1951 - 12.06.2022) – eine Würdigung
cw. Das trifft mich dann doch wie ein furchtbarer Schlag in die Magengrube: Durch facebook erfahre ich, dass Roman Bunka verstorben ist. Vor ein paar Monaten haben wir noch telefoniert, nachdem ich vom Tod von Hartmut Geerken gehört hatte. Roman war ein enger Freund von Hartmut und meinte damals: "Mit 82 Jahren im Schlaf an einem Herzinfarkt im Bett zu sterben – besser kanns einem nicht gehen!" Manchmal habe ich durch meine Telefonate Roman beim Üben gestört, denn er war ein konstanter Arbeiter an seiner Saitenkunst. Vor Jahren habe ich ihn einmal in seiner Schwabinger Wohnung besucht. Er spielte mir LPs seiner Lieblingsgruppe Patto vor, deren Gitarrist Ollie Halsall ein frühes Idol war und den er immer noch bewunderte. Beim Abschied schenkte er mir ein Buch über Sufismus. Ich werde es jetzt noch einmal lesen.
Wir haben Roman immer wieder für Konzerte engagiert. Er trat in Sigmaringen beim Schlachthof-Festival auf und beim Klangbad in Scheer (mit John Tchicai und Pierre Favre). Er ist auf der CD enthalten, die wir am Tag nach dem Schlachthof-Festival im Faust-Studio aufnahmen. Dabei spielt er ein wunderbares Stück mit John Tchicai und Hans-Joachim Irmler. Vor einigen Jahren absolvierte ich zwei Gigs in Ostdeutschland mit ihm und seinem Embryo-Bandkollegen Christian Burchard, wobei sie meinen Vortrag zur Geschichte der Underground-Musik in Germany begleiteten, von dem sie selber ein Teil waren, und danach einen weiteren Set spielten. Wunderbare Musik zwischen Orient und Okzident – dafür stand Roman.
Missus Beastly, 1970 mit Roman Bunka (Gitarre), erster von links.
Roman Bunka (Jahrgang 1951) hat als Rockgitarrist angefangen. Die Band Missus Beastly war seine erste Station. In den siebziger Jahren gehörte er zum enge Kreis der Münchner Rockjazzgruppe Embryo und galt als einer der besten Gitarristen der deutschen Rockszene. Durch die Reisen mit Embryo nach Nordafrika und Indien begann sich sein musikalischer Horizont zu weiten. Bunka fiel in den Bann orientalischer Musikkulturen: Türkei, Indien, Ägypten. Er versuchte, orientalische Saiteninstrumente zu erlernen wie das türkische Saz oder die südindische Veena. Schließlich landete er bei der Oud, der arabischen Laute, auf der er sich zu einem anerkannten Virtuosen entwickelt hat. Regelmäßig trat Bunka mit ägyptischen Musikern auf und war als Studiomusiker in Kairo ein gefragter Mann. Das Interview wurde 2009 geführt.
Wann und auf welche Weise kamst du zum ersten Mal in Kontakt mit arabischer Musik?
Roman Bunka: Wahrscheinlich als ich fünf war. Meine Eltern fuhren mit mir nach Andalusien in die Ferien, damals fast eine Weltreise. Wir hatten ein Transistor-Gerät dabei und jeden Abend, wenn ich ins Bett mußte, hörte ich Radio. Die arabischen Sender sind dort gut zu empfangen. Außerdem kamen Straßenmusiker an den Strand. Das Photo dieser Begegnung ist auf dem Cover meiner CD "Color me Cairo" abgebildet: ein Mädchen tanzt und ein Mann spielt auf einer Rahmentrommel, einer marrokanischen Bendir. Meine Mutter hörte gerne Flamenco. Überhaupt ist in Andalusien die maurischeVergangenheit doch lebendiger als irgendwo anders.
Danach kam lange nichts. Dann die ersten Aufnahmen von Popgruppen in den sechziger Jahren mit Sitar und indischem Einfluß: Traffic mit "Paper Sun", die Beatles, Ravi Shankar. Ich erinnere mich noch stark an das überwältigende Erlebnis, als ich auf einem LSD-Trip George Harrisons Platte "Wonderwall" hörte. Der Klang der indische Shenai darauf förderte besonders intensive visuelle Halluzinationen. Irgendwie ging die indische Musik "tiefer rein".Heute weiß ich warum. Damals war es eher eine Sehnsucht nach etwas Unbekanntem.Die indische Musik war sicherlich mein Einstieg in den Orient, obwohl mein erstes orientalisches Instrument eine türkische Saz war.
Roman Bunka mit Embryo in der Balinger Eberthalle, ca. 1977 (Foto: Martin Wagner)
Wodurch oder durch wen wurde dein Interesse an der Oud geweckt?
RB: Ich fand meine erste Oud im Bazar von Istanbul und gab mein letztes Geld dafür aus. Hungrig im Zug nach Hause probierte ich dann verschiedene Stimmungen. Zurück in München traf ich den kanadischen Sarod-Spieler Kenneth Wells. Wir spielten zusammen und ich wurde von seiner indischen Spieltechnik beeinflußt. Ich unternahm dann eine Reise nach Bombay und traf dort den Tabla-Virtuosen Trilok Gurtu. Ich versuchte mich an einem anderen orientalischen Saiteninstrument, der südindischen Veena. Mit Trilok Gurtu spielte ich meistens Gitarre, wir hatten einige Konzerte in Bombay. Schon damals träumte er davon, mit John McLaughlin zu spielen und er hat es ja dann später auch geschafft.
Für mich ging es mit der Gruppe Embryo erstmal nach Afghanistan, danach nach Süd-Indien.
Es war also viel zu viel los, um sich mit dem Oud und seiner Musik zu beschäftigen. Ich setzte das Instrument ein, wo ich konnte. Es eignet sich ja für jede Art von Musik. Wie die Geige kennt der Oud keine Grenzen. Es gab ja nicht den Zwang der temperierten Stimmung. Man konnte das mit der Gitarre auch hinkriegen, siehe McLaughlin auf seinen fantastischen Aufnahmen mit indischen Musikern, oder die Blues-Gitarristen, die mich sehr beeinflußt hatten, bis hin zu Hendrix. Nur brauchte man ganz dünne Saiten, und dann klang die Gitarre nicht mehr. Es ging also nur verstärkt. Ich hatte aber das große Bedürfnis, auch ohne Steckdose Mikrotöne intonieren zu können, und auch bei unseren Reisen gab es oft Musiker, aber keinen Strom.
Die ersten Aufnahmen von Oud-Spielern, die ich gehört hatte, waren die Schallplatten von
Hamza el-Din, Mounir Bechir und Sandy Bull gewesen. Hamza habe ich 20 Jahre später in Kairo getroffen. Wir sehen uns immer wieder einmal. Interessanterweise spiele ich heute noch mit nubischen Musikern, unter anderem mit Mohamed Mounir, einem der bekanntesten Sänger Ägyptens. Ich muß also irgendwann mal selbst Nubier gewesen sein, wer weiß? Mounir Bechir hat mich nie so begeistert, trotz seines Rufs als größter Virtuose auf diesem Instrument. Sandy Bull war ein echter Pionier der Weltmusik. Er ist leider früh verstorben. Ich blieb also vorerst bei meiner indischen und improvisierten Musik, spielte mit Roland
Schaeffer und Paramashivam Pillai südindische Kirtanas und wäre ganz zufrieden gewesen.
Auf einer Spanien-Tournee hörte ich dann nachts in Andalusien wieder einmal Radio.Und da kam bei Radio Tanger ein Oud-Solo von Riad el-Soumbati, das mich wieder zur Oud und der arabischen Musik brachte.
Roman Bunka in der Embryo-Kommune, 1971(in der Mitte Edgar Hofmann, rechts Christian Burchard)
Wie war deine Reaktion? Konntest du begreifen, was du da hörtest oder war
es Musik wie von einem anderen Stern?
RB: Ich glaube inzwischen, daß die arabische Musik ein Teil der Wurzeln unserer europäischen
Musikkultur ist, so wie der Oud auch irgendwann zur Laute wurde, über die Troubadoure,
die Minnesänger, Protestsänger - eine Kette von Perlen. In Andalusien, in Cordoba, hat Zyriab an seiner Theorie der arabischen Musik gefeilt und Intervalle vermessen. Ein paar Kilometer weiter, in Almeria, hat Torres die moderne Gitarre entwickelt. Es ist alles Mittelmeerkultur, nur ein paar hundert Jahre liegen dazwischen. Ich hatte ja schon durch die indische Musik offene Ohren bekommen, da war die Musik der Araber nicht so fremd, obwohl ich bis heute an den Vierteltönen arbeiten muß.
Wie bist du dann in diese Musik eingetaucht, unternahmst du Reisen, um vor Ort mit Musikern zu studieren?
RB: Ich hatte Riad el-Soumbati gehört, und erfuhr dann, daß er Ägypter gewesen war und sehr viel für Oum Kalsoum komponiert hatte. Ich ging also nach Ägypten.
Wie hast du dich der Oud genähert?
RB: Die erste Oud habe ich zerstört. Ich wußte ja nicht, wie man ihn stimmt und wie dick die
Saiten sein müßen. Ich habe natürlich viele Aufnahmen gehört. in Ägypten hatte ich dann Lehrer wie Machmut Kamel, der leider schon verstorben ist, und Abdo Dagir. Aber ich bin auch dankbar für die vielen Begegnungen mit anderen arabischen Musikern: Anfängern, Verrückten oder Virtuosen, man lernt immer was dazu.
Was war die besondere Schwierigkeit für dich als Europäer, dieses Instrument zu erlernen?
RB: Keine, es ist ein Instrument wie jedes andere. Schwierigkeiten tauchen auf, wenn man anders intonieren muß, Vierteltöne zum Beispiel.
Embryo mit Roman (sitzend mit Gitarre), 1978
RB: Ich ging gleich in der ersten Woche in Kairo ganz frech zum Institut für arabische Musik und wurde von der damaligen Direktorin Linda Fatallah mit Tee empfangen.Unglaublich! Diese Freude, diese unwahrscheinliche Gastfreundschaft. Ja, alle freuten sich, daß da einer kam und Oud lernen wollte.
Wie hast du dich stilistisch ausgerichtet? Wolltest du ein richtig "arabischer" Oud-Spieler
werden oder hast du versucht, eine Synthese zwischen deinem eigenen modernen westlichen Stil und der arabischen Tradition zu erreichen?
RB: Mir war immer bewußt, wie schwer es ist, neue Musik auf einem alten Instrument zu entwickeln. Natürlich wollte ich meine "eigene" Musik auf der Oud spielen. Dann gab es Phasen, wo ich am Boden zerstört war, ohne Hoffnung, auch nur annähernd ein richtiger "arabischer" Oud-Spieler werden zu können. Aber das Leben geht über diese Begriffe hinaus, und so auch die Musik. Ich habe inzwischen zuviel Nil-Wasser getrunken, etwas hat abgefärbt, etwas wird immer bleiben.
Mit Embryo auf der Indien-Reise
Hat sich deine Sicht der arabischen Musik über die Jahre gewandelt und auf welche Weise?
RB: Wie in den meisten Dingen des Lebens kommt man von der naiven ersten Begegnung zu einem tieferen Verständnis, und sucht dann wieder doch den Anfang. Es tat mir gut einen arabischen Lehrer zu haben, der mir immer sagte: Musik ist Musik! Es sind die gleichen Spannungsbögen, in denen sich die Musik der Welt abspielt, auch wenn sie noch so verschieden klingen. Mein Oud-Lehrer Abdo Dagir, der ja hauptsächlich Geiger ist, hat mich lange Jahre begleitet. Mit einer unglaublichen orientalischen Freigiebigkeit hat er mir seine Musik und seine Musik-Kultur näher gebracht, als "Malik-al-taksim", Meister des Taksim. Und
wir haben viele Nächte miteinander musiziert. Er spricht nicht englisch, ich nicht arabisch. Das kann manchmal der Musik sehr zuträglich sein.
Roman Bunka - Maryam and the Blues (youtube)
Du bist heute in den arabischen Welt auch als Studio- und Sessiongitarrist tätig - wie ist es dazu gekommen und was mögen die Musiker dort an deinem Spiel?
RB: Ich habe für einen der bekanntesten Sänger, Mohamed Mounir, im Studio gearbeitet. Ich habe seine Musik teilweise arrangiert und Gitarre und Oud gespielt. Durch meine Erfahrungen in Ägypten, ich gehe schließlich seit 20 Jahren dahin, verstehe ich ihn und das, was dort passiert ist. Ich kann einiges umsetzen, und kenne die Gerüche in der Altstadt ebenso wie im feinsten Restaurant. Er hat mir dafür alles, was er und seine Familie von ihrer Musikkultur wußten, gezeigt. Ich war auf nubischen Hochzeiten, auf den Dörfern, und liebe diese minimalistische, sehr afrikanische Musik.
Für einen Nubier ist die arabische Musik Kairos vielleicht ähnlich fremd wie für mich. Wir sind beide Vertriebene, Flüchtlinge, in einer Welt, in der manchmal nur noch die Musik uns ein Stück Heimat geben kann. Das alte Nubien liegt unter dem aufgestauten Wasser des Assuan-Damms. Meine Familie vertrieb der zweite Weltkrieg in alle Himmelsrichtungen.In Bagdad baut man die besten arabischen Lauten, was kümmert das die Bomben?
Auswahldiskografie:
- (mit Abdo Dagir) Malik-a-Taksim (Enja Records)
- Color me Cairo (Enja Records)
- Embryo 40 (Trikont)
Further information:
Vor zehn Jahren (2012) ließ uns Roman seine Jahres-Highlights wissen:
https://christophwagnermusic.blogspot.com/2012/12/review-2012-7-roman-bunkas-highlights.html
vlnr: Christian Burchard, Roman Bunka und CW (in Altenburg, 2014)