Friday, 27 March 2015

AUGEundOHR: Kubanische Damen-Show-Kapelle LAS ANACAONA

Die Fotos zeigen die erste kubanische Damen-Show-Kapelle LAS ANACAONA mit der Trompeterin Luisa Cotilla aus den 1950er Jahren, wie sie damals in den Nachtclubs von Havana auftraten. Das Frauenorchester war in den 1930er Jahren von Cuchito Castro und ihren Schwestern gegründet worden. Schließlich spielten alle 11 Schwestern in der Gruppe. Die Gruppe spielte den traditionellen Son, der von Männern dominiert wurde, gaben Gastspiele in New York und Paris, gerieten aber nach der Revolution in Vergessenheit.



Saturday, 21 March 2015

Drummer Jochen Rückert: Ein Kölner in New York

Lockerer Swing

Der Kölner Schlagzeuger Jochen Rückert hat es auf der New Yorker Jazzszene geschafft 




Konzert: 26. März, Jazzclub Singen / Gems

cw. 1998 wollte es der Kölner Jazzschlagzeuger Jochen Rückert wissen: Er zog nach New York! Etwas mulmig mag es ihm dabei schon zumute gewesen sein, gilt die New Yorker Jazzszene doch als die härteste der Welt. In keiner anderen Stadt gibt es so viele erstklassige Musiker – die besten auf dem Globus. Und gegen diese aberwitzige Konkurrenz wollte sich der Deutsche durchsetzen? Doch Rückert schaffte das Wunder! Er bestand den Test und wird heute selbst von Jazzstars wie John Abercrombie oder Pat Metheny als Drummer gebucht. Am Donnerstag, 26. März, kommt der Schlagzeuger nun mit seinem hochkarätigen Quartett auf Einladung des Jazzclubs Singen ins Kulturzentrum Gems.

Einst waren deutsche Jazzmusiker in den USA eine Seltenheit. Außer der Sängerin und Pianistin Jutta Hipp, dem Vibrafonisten Karl Berger aus Heidelberg und dem Multiinstrumentalisten Gunter Hampel aus Göttingen hat sich früher niemand in die Höhle des Löwen gewagt. Selbst Posaunenweltmeister Albert Mangelsdorff schreckte vor dem Sprung über den großen Teich zurück. Zu ungewiß und risikoreich erschien das Wagnis, wobei Jutta Hipp als warnendes Beispiel diente. Die Jazzvokalistin scheiterte in Amerika kläglich, hängte ihre musikalische Karriere an den Nagel, um fortan als Näherin ein dürftiges Auskommen zu verdienen.

Inzwischen sind die beiden Kontinente enger zusammengerückt und der Musikeraustausch hat sich vertieft. Amerikanische und europäische Jazzer spielen mittlerweile häufig sogar in gemeinsamen Gruppen zusammen. Überdies ist die Zahl der deutschen Jazzmusiker in New York beträchtlich gestiegen, wobei Rückert als einer der Angesehensten der Jazz-Emigranten aus “Germany” gilt.
 
Rückert, der im Mai seinen 40. Geburtstag feiert, machte sich zuerst auf der Kölner Jazzszene einen Namen, wo er an der Musikhochschule Schlagzeug studierte, um anschließend nach Amerika aufzubrechen. Nach einer schwierigen Anfangszeit, bei der es so manche Durststrecke zu überbrücken galt, hat er sich inzwischen nicht nur als Drummer und Begleitmusiker, sondern auch als Bandleader, etabliert. Was für einen exzellenten Ruf der Kölner mittlerweile in New York genießt, ist daran ablesen, dass in seinem Quartett Mark Turner spielt - einer der besten Jazzsaxofonisten der Gegenwart.

Rückert steht für einen flüssigen Stil, der locker swingt und in intensiven Improvisationen die subtilen Feinheiten der Jazzmoderne erkundet. Vom Schlagzeugschemel aus gibt er die Richtung vor und treibt mit federndem Trommelspiel seine Mitmusiker zu Höhenflügen an, um sie sicher durch die kniffligen Harmoniefolgen zu leiten. Im obligatorischen Drumsolo werden dann alle Register gezogen.  

Doch Rückert hat noch ein zweites musikalisches Standbein. Unter dem Namen Wolff Parkinson White tummelt er sich auf der Electronic-Szene. Dabei nutzt er die unfreiwilligen Wartezeiten auf Tourneen in Hotels und Flughäfen, um auf seinem Laptop neue Stücke zu entwerfen. Manchmal klingt es nach rasantem Drum ‘n’ Bass, dann wieder nach bedächtigem Dub. Seine umfassenden Rhythmuskenntnisse kommen ihm beim digitalen Komponieren zu gute. Auch auf dem Laptop spielt Rückert Schlagzeug - nur in elektronischer Manier.

Jochen Rueckert: We make the rules (Whirlwind)

Der Artikel erschien zuerst im Schwarwälder Bote.

Jazztrends: William Parker & Oliver Lake

Kreativer Geist

William Parker und Oliver Lake spielen ihr erstes gemeinsames Album ein


 Fotos: Manuel Wagner
cw. Der Kontrabassist William Parker und der Altsaxofonist Oliver Lake sind Veteranen der kreativen Jazzszene in Downtown-Manhattan, die in den letzten Jahren mehr und mehr der Stadtsanierung zum Opfer gefallen ist. Schon in den siebziger Jahren gehörten sie zu den prägenden Gestalten des damaligen Loftjazz und haben seither noch an Statur gewonnen. Einer ihrer wichtigsten Mitmusiker war der Trompeter Roy Campbell, der letztes Jahr verstorben ist. “To Roy!” heißt ihr aktuelles Album - eine Hommage an den langjährigen Weggefährten.  

Die Musiker des Loftjazz hatten die Dogmen des Freejazz der sechziger Jahre hinter sich gelassen. Wohl improvisierten sie weiterhin frei, doch ohne sich Harmonien, Swing und Melodien kategorisch zu verweigern. Parker und Lake spinnen den Faden weiter.

Der Kontrabassist bringt in kraftvollen Ostinato-Figuren seinen sonoren Ton zur Geltung. Wenn er zum Bogen greift, wechselt er oft ins höhere Register, um einen Schwarm heller Obertöne zu erzeugen oder sein Instrument in dissonanter Freejazz-Manier knarren und kreischen zu lassen. Oliver Lake antwortet mit druckvoll-robustem Spiel, in dem die gesamte Jazz-Moderne präsent ist, wobei selbst in der größten Abstraktion die Verwurzelung im Blues spürbar bleibt. Der Saxofonist greift in den Werkzeugkasten der radikalen Improvisation, wenn er mit Überblaseffekten und Presstönen gelegentlich das Metall seines Instruments zum Erzittern bringt. In diesen Momenten bestimmt eruptive Expressivität das Spiel, danach werden wieder melancholische Stimmungen beschworen. Im Duo der beiden lebt der kreative Geist der New Yorker Downtown-Szene fort.

William Parker / Oliver Lake: To Roy (Intakt Records)

Die Besprechung erschien zuerst in der NZZ.

Monday, 2 March 2015

FUNDSACHEN: THE TRIO mit Hal Gaylor, Walter Norris und Billy Bean

THE TRIO mit Walter Norris (Riverside)


2. März 2015. Gerade war ich in Huddersfield (West Yorkshire), wo es noch einen richtigen Second-Hand-Plattenladen gibt, und habe eine erstaunliche LP gefunden, erschienen auf 'Riverside'  - schon etwas zerschunden, und sie knackt auch leicht, aber immerhin: sie war nicht teuer und ist eine Perle. Das Cover erregte zuerst meine Aufmerksamkeit. In der rechten oberen Ecke war die Hülle wohl beschädigt und jemand hat per Hand mit Filzstift den Bandnamen ausgebessert. Die LP stammt von THE TRIO (so heisst die Band wirklich) mit dem ehemaligen Ornette Coleman-Weggefährten Walter Norris (1931-2011) am Piano. (In den 70ern spielte Norris mit Charles Mingus, bevor er Mitglied in der SFB-Bigband wurde und nach Berlin zog.) Die LP war von Orrin Keepnews produziert worden, der am 1. März 2015 91jährig verstorben ist und der Riverside zusammen mit Bill Grauer 1953 gegründet hatte. Das eindrucksvolle Cover stammte von Ken Deardoff, der zusammen mit Paul Bacon nahezu alle charakteristischen Riverside-Covers gestaltete.  Der detaillierte Cover-Text stammt vom Gitarristen Jim Hall.

Norris war der einzige Name, den ich von den dreien kannte. Die Besetzung ist interessant, da die Gruppe auf ein Schlagzeug verzichtet und so die Tür zum kammermusikalischen Musizieren aufstieß. Anfang der 60er Jahre (die Aufnahmen entstanden im Juni 1961) war das recht außergewöhnlich, nicht in der typischen Jazzbesetzung aufzutreten. Äußerst intensives Ensemblespiel über Klassiker wie 'Smoke Gets In Your Eyes' mit Soli aller drei Instrumente. Nie ausufernd, sondern sehr ökonomisch gespielt, trotzdem große Virtuosität und Könnerschaft. Intime Klänge, ruhig, unaufgeregt, am stärksten in den Balladen. Erinnert mich an Aufnahmen von Bill Evans oder Don Friedman aus der gleichen Zeit. Auf dem Cover sind die drei mit Anzug und Kravatte abgebildet, was bis Mitte der 60er Jahre die Dienstkleidung von Jazzmusikern war. Es gibt selbst Fotos von deutschen Freejazzern, den 'jungen Wilden' Gunter Hampel und Manfred Schoof im gleichen Aufzug. In den 70er Jahren gab es eine andere Jazzgruppe, die sich ebenfalls The Trio nannte. Sie wurde von John Surman, Stu Martin und Barre Philips in England gebildet - eine gleichfalls wichtige Formation, die ins freie Spiel und in die Elektronik hinausgriff.


Sunday, 1 March 2015

AUGEundOHR: MINSTREL SHOW aus dem amerikanischen Süden um ca. 1900

MINSTREL SHOW

Die Fotographie der Crew einer 'Minstrel Show',  die im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine feste Institution im Süden der USA waren und allerlei Entertainment und Musik boten. Sie reisten - einen Zirkus gleich - durch das Hinterland, bauten am jeweiligen Ort  ihr Zelt auf und boten am Abend eine Vorstellung, zu der groß und klein strömten. Dabei traten Varieté-Künstler, Komiker, Akrobaten, Tänzerinnen und Hillbilly-Sänger, auch waren Feuerschlucker und irische Tenöre zu sehen. In diesem Fall scheint die Musikgruppe eine Kapelle afro-amerikanischer Blasmusiker mit Marschtrommel, Basstrommel, Klarinette und zwei Hörnern (ein weiterer Musiker verschwindet rechts aus dem Bild) zu sein, was nicht die Regel war, sondern im segregierten Süden eher die Ausnahme.

Unten eine ähnliche reisende Zelt-Show: The Carter Vaudeville Co.; Michigan 1911