Konzertplakat / Fillmore West - Bluesgitarrist B.B. King
mit Moby Grape und der Steve Miller Blues Band, Februar 1967 (Presented in San Francisco by Bill Graham)
Sunday, 31 May 2015
Friday, 29 May 2015
Wednesday, 27 May 2015
TAKTLOS FESTIVAL ZÜRICH 2015
Für neugierige Ohren
Beim Zürcher Taktlos Festival 2015 treffen sich vom 28. - 30. Mai die
stoiischen Helden der Avantgarde
Mette Rasmussen & Chris Corsano
cw. Das Zürcher Taktlos-Festival gilt als Treffpunkt der
Paradiesvögel. Was andere Festivals groß ankündigen, aber selten einlösen, ist hier
eine Selbstverständlichkeit: Beim Taktlos werden Experimente groß geschrieben,
wobei vielfach jungen MusikerInnen zum Zug kommen, die noch als Geheimtipp
gelten. Die programmatische Ausrichtung macht das Festival zu einer 3tägigen Entdeckungsfahrt
in die abenteuerlichen Sphären der Musik – Überraschungen inbegriffen!
Anthony Braxton
Bis auf Anthony Braxton, einem der Großmeister des neuen
Jazz, verzichtet das Taktlos auch dieses Jahr wieder auf große Namen. Lieber präsentiert
es aufstrebende Talente wie den amerikanischen Schlagwerker Chris Corsano, der
lange mit der Popexzentrikerin Björk zusammengearbeitet
hat. Jetzt hat Corsano mit der jungen Saxofonisten Mette Rasmussen ein
aufregendes Duo initiiert, das neue Glut in die “fire music” der sechziger Jahre
bläst.
Zu den jüngeren Semestern gesellen sich die angegrauten Helden
der Avantgarde, die unbeirrt an ihren Konzepten basteln. Allen voran Philip
Jeck aus Liverpool. Der Turntable-Collagist hat in seiner Karriere schon mit
Gavin Bryars und dem Kronos Quartet kooperiert und wird sich beim Taktlos in einer
Multimedia-Performance präsentieren. Kurzum: In der Aktionshalle der Roten
Fabrik hat vom 28. - 30. Mai die
musikalische Neugierde Heimspiel.
Souverän bläst Mette Rasmussen ihr Altsaxofon und schleudert
mit Wucht wilde Klangfetzen heraus. Dann schaltet sie urplötzlich auf leise um und
entlockt ihrem Instrument feinstes Vogelgezwitscher. Gelegentlich stopft die
junge Dänin einen Plastikbecher in den Trichter, um mit dem Saxofon wie auf einem
Kazoo zu singen. Ohne Zweifel bilden die sechziger Jahre, die Entstehungsphase
der freien Musik, den Ausgangspunkt ihrer Reise. Doch geht Rasmussen darüber
hinaus. Sie will Neuland erkunden!
Frische Klänge ausfindig zu machen, ist harte Arbeit. Wenn Rasmussen
zwischen Tourneen und Einzelkonzerten zu Hause im norwegischen Trondheim ist, pflegt
sie ein unerbittliches Regime: Stunden um Stunden feilt sie täglich an ihrem
Spiel. Viel Zeit verwendet sie auf technische Griffübungen, jagt die Tonleitern
rauf und runter. Doch noch intensiver betreibt sie Klangforschung. Wieder und
wieder entdeckt Rasmussen das Saxofon neu, als Klangquelle, in dem noch so
mancher verborgene Ton schlummert.
Am Schlagzeug reagiert Chris Corsano auf jede Saxofonnote mit
großem Einfühlungsvermögen. Oft tupft er mit den Besen über die Trommeln oder
streichelt die Becken, bis sie wohlig summen. Doch der Amerikaner kann auch
anders: Wenn das Saxofon Feuer speit, haut er mit voller Wucht in die Felle,
wobei er gelegentlich mit der rechten Hand wie ein Vibrafonist mit zwei Klöppeln
spielt. Wieselflink schafft er ein dichtes Geflecht aus perkussiven Texturen,
das pulsiert und pocht.
Rasmussen und Corsano gehören zu einer jungen Generation, die
dem modernen Jazz neue Facetten abgewinnt. Ob in den USA, Großbritannien,
Skandinavien oder der Schweiz – überall regt sich kreativer Geist. Auch der Pianist Alexander Hawkins aus der englischen
Universitätsstadt Oxford ist nie den geraden Weg gegangen. Um das Musikkonservatorium
machte er einen weiten Bogen und ist seither immer seinem eigenen Kompass
gefolgt. Von Freejazz mit Louis Moholo-Moholo über das fauchende Orgeltrio
Decoy bis zum funky Ethio-Jazz mit Mulatu Astatke - Hawkins ist mit allen musikalischen
Wassern gewaschen. Überall saugt er Einflüsse auf und läßt sie in sein Solospiel
einfließen. Als enzyklopädischer Kenner der Jazztradition setzt er die Töne mit
Bedacht, tippt sachte mit den Fingerspitzen die Tasten an. Sparsame Intervalle
und dezente Akkorde ertönen, aus denen mit der Zeit ein organisches Klanggebilde
entsteht, das sich mehr und mehr verschränkt und verdichtet bis zum ekstatischen
Finale.
Martin Küchen Angles9
Den Kontrapunkt zum pianistischen Solospiel setzt Martin
Küchen. Der Saxofonist und Bandleader kommt mit viel Blech nach Zürich. Mit
mächtigem Bläsersatz und treibenden Grooves trumpft seine Mini-Bigband Angles9 auf.
Erinnerungen an den Brassrock der siebziger Jahre werden wach. Zudem läßt die legendäre
Brotherhood of Breath des Südafrikaners Chris McGregor sowie das Arkestra von
Sun Ra grüßen. Gestochen scharfe Einsätze, vielschichtige Arrangements und verschlungene
Soli verbinden sich in den Kompositionen des Schweden zu einem brodelnden
Gebräu, aus dem das Vibrafon mit buntschillernden Tonkaskaden heraussticht.
Dazwischen werden elegische Klangmalereien geschoben, die sich im Schritttempo eines
Trauermarschs bewegen. Dann führen langgezogene Saxofon- und Trompetenstöße die
Musik in bewegtere Zonen. Liebgewonnene Hörgewohnheiten und abgenutzte
Klischees werden weiträumig umgangen. Dennoch greift Angles9 auf Klangmaterial
zurück, das weder revolutionär noch avantgardistisch ist - im Gegenteil: Aus
bekannten Komponenten neue Funken zu schlagen, lautet die Alchemisten-Formel,
die für viele Künstler beim diesjährigen Taktlos Festival gilt.
28. 4. Wild Chamber Trio / Rasmussen & Corsano / Bänz
Oester & The Rainmakers
29. 4. Joachim Badenhorst / Small Angles / Martin Küchen’s
Angles9
30. 4. Anthony Braxton Diamond Curtain Wall Quartet /
Alexander Hawkins / Jeck-Brill-Lemieux
Nachruf: Jazzdrummer JEROME COOPER
JEROME COOPER (1946 - 2015)
cw. Ich hatte Jerome Cooper Mitte der
80er Jahre bei meinen jährlichen Reisen nach New York getroffen. Ich kannte
seine Solo-LPs bereits, die wunderbare und ganz eigenständige Aufnahmen einer
vielschichtigen Perkussionsmusik waren. Dazu kamen die Alben mit dem Revolutionary
Ensemble – jedes für sich ein starkes Statement! Auch tauchte er auf Alben von Roland Kirk, Cecil Taylor und anderen auf. In einer ebenerdigen Wohnung
auf der Lower East Side, wo Labelbetreiber John Mingione von Anima Records wohnte und von wo aus er
seine winzige Plattenfirma betrieb, hing Cooper häufig herum. Dort traf ich ihn. Die Kontrabassistin Joelle Leandre kam auf eine Stippvisite vorbei. John Mingione verdiente seinen Lebensunterhalt mit einem Blumengeschäft am Flughafen (vielleicht war es JFK), wo Cooper, wenn er keine Gigs und kein Geld mehr hatte, als Blumenverkäufer arbeitete. Ich verabredete mich mit ihm in seinem
Loft zu einem Interview (mein Adressbuch gibt ‘177 Franklin Street, Bell 4’ an). Dort stand sein
Schlagzeug und die anderen Perkussionsinstrument. Er war damals psychisch nicht gerade in guter
Verfassung - seine “Lady” hatte ihn gerade verlassen. Cooper spielte mir neue Aufnahmen vor, bei denen er außer dem Schlagzeug und seinem Balafon, noch
eine Art primitiven Synthesizer/Sampler einsetzte, was mir gar nicht gefiel. Für mich
hörte sich das an, als ob er seinen brillanten akustischen Set mit billiger
Elektronik zerstören würde. (Der Meinung bin ich bis heute)
Zusammen mit der Schlagzeugerin
Robyn Schulkowsky, die in München ein Schlagzeugfestival ausrichtete, holten
wir ihn im folgenden Jahr für ein paar Konzerte nach Deutschland. Er trat in
meiner Heimatstadt Balingen in der kleinen Siechenkirche auf. Doch der
Live-Gig überzeugte nicht, ließ die Disziplin der Schallplattenaufnahmen
vermissen. Cooper war mürrisch, hing in seinem Hotelzimmer rum, die Fenster offen und rauchte viel Dope. Er machte mir Vorhaltungen, weil er die Gage für zu niedrig empfand
(immerhin erhielt er 500 DM plus Hotel und Verpflegung). Er meinte “Musiker der
Neuen Musik” würden ein Mehrfaches verdienen – in diese Richtung wollte er
gehen, was ich für illusorisch hielt.
Ein paar Tage später fuhr ich ihn dann mit meinem kleinen Renault 4 nach Wiesbaden zum nächsten Auftritt. Er setzte den Kopfhörer seines Walkmans auf und sprach während der langen Fahrt nicht mehr viel. Der Auftritt – eine Art Mitternachtskonzert - fand bei heftigstem
Regen in einem großen Konzertzelt statt – kaum Publikum, deprimierende Kulisse.
Der Regen trommelte mächtig aufs Zeltdach. (Der Mixer schnitt den Gig mit,
irgendwo müsste ich noch eine Cassette davon haben.) Am nächsten Tag trat Cooper in
Wuppertal bei Peter Kowald auf, und war – wie mir Peter später mitteilte - weiterhin
mißmutig und schlechter Laune. Mit einem Konzert im ‘Bunker’ in Bielefeld
schloß die Tour ab.
Ich hörte ein paar Jahre später noch einmal von
ihm. Er rief mich an, sagte, dass er eine Reise nach Asien plane, und ob ich -
quasi als Zwischenstation - nochmals ein Konzert organisieren könnte. Ich
winkte ab. Mir war die Lust vergangen. Doch hatte ich natürlich nunmehr die Scheinwerfer an und
verfolgte seine weiteren Aktivitäten
genau, die spärlich genug waren. Er schickte mir sein exzellentes Quintett-Album (mit u.a. William Parker am Bass und Joseph Jarman, Saxofon und Jason Hwang, Violine), das ich für die Fachpresse besprach. Das Comeback-Album des Revolutionary Ensembles überzeugte gleichfalls, seine Solo-CD auf Mutable Music weniger - wieder ging mir die schwülstige
Elektronik gegen den Strich. Als ich 2012 abermals in New York war, traf ich bei einem Umtrunk den
Labelbetreiber von Pi Recordings, Yulun Wang. Sein Label hatte das
Comeback-Album des Revolutionary Ensembles veröffentlicht. Yulun erzählte, dass Jerome Cooper bettelarm irgendwo auf
der East Side unter schlimmen Verhältnissen in einem besetzten und völlig
heruntergekommenen Wohnblock leben würde. Mehr wisse er auch nicht. Das war das
letzte Zeichen, dass ich von Jerome Cooper hatte. Jetzt lese ich, dass er in
Brooklyn im Alter von 68 Jahren gestorben ist. Seine wunderbare Musik bleibt
uns erhalten.
Saturday, 23 May 2015
Jazzpionier KARL BERGER
Der Altersreife
KARL BERGER zum 80sten
Angesichts der vielen
jungen Talente, die derzeit auf die Szene drängen, gerät die alten Garde mehr
und mehr ins Abseits. Dass die Veteranen immer noch Wichtiges zu sagen haben,
macht Karl Berger deutlich, einer der wenigen deutschen Jazzmusiker von
internationalem Rang.
Berger, der Ende
März 80 Jahre alt wurde, war in den sechziger Jahren einer der Musiker, der in
der Gruppe von Hans Koller dem modernen Jazz in Deutschland Geltung verschaffte.
Mit Don Cherry ging er dann in die USA, wo er in Woodstock das “Creative Music
Studio” gründete, um Hunderten von jungen Improvisatoren zu Inspiration und
einem tieferen musikalischem Verständnis zu verhelfen. In Woodstock lebt Berger
bis heute. Seine Lehrtätigkeit machte ihn zu einem der weltweit einflußreichsten
Jazzmusiker Europas. Ob Steven Bernstein, Cyro Baptista, Peter Apfelbaum oder
Marilyn Crispell – alle sind bei Berger in die Lehre gegangen.
Karl Berger ist normalerweise als
Vibraphonist bekannt. Jetzt hat ihn John Zorn für sein Tzadik-Label für eine
Reihe von drei Alben ans Klavier gebeten, das Instrument, dass er einst an der
Musikhochschule seiner Heimatstadt Heidelbarg studierte, jedoch im klassischen
Fach. ‘Gently Unfamiliar’ ist die zweite Veröffentichung der Trilogie.
Berger trumpft nicht auf, gefällt sich weder
in Tastensprints noch avantgardistischen Eskapaden. Stattdessen bietet er ein Jazzpianospiel
ohne Mätzchen und Kapriolen, das von Souveränität
und Altersweisheit bestimmt ist und von Poesie getragen.
Für seine Kompositionen wählte Berger die
kleine Form, reiht eine singbare Melodie an die andere, die er dann improvisatorisch
entfaltet, ohne dass ihre kantable Sinnlichkeit verloren geht. Berger spielt
mit dezentem Anschlag, nur selten greift er energischer in die Tasten. Die Interaktion mit
seinem superben Rhythmusteam aus Joe Fonda (Baß) und Harvey Sorgen am
Schlagzeug ist von blindem Verständnis und schlafwandlerischer Sicherheit geprägt.
Fonda geht hellwach auf die pianistischen Impulse ein, während Sorgen mit den Besen
der Musik eine schwebende Qualität verleiht, wobei eine Intimität und Feinfühligkeit
entsteht, die an die Klaviertrios von Bill Evans erinnert.
An Berger scheint jede Eitelkeit abgefallen.
Hier wird nicht nach billigen Applaus geschielt oder musiziert, um dem Ego zu
schmeicheln, vielmehr geht es einzig und allein um die Musik. So unprätentiös
und abgeklärt wie der Altmeister, spielt keiner der Piano-Newcomer.
Karl Berger: Gently Unfamilar – Suite in 7 Movements for Piano Trio (Tzadik)
Delta-Blues von der Isar: BLACK PATTI
Musikalische
Recycling-Kunst
Nicht aus dem
Mississippi-Delta, sondern aus München kommt das Bluesduo Black Patti – jetzt
haben sie in Calw ein erstaunliches Album eingespielt
cw. Die Popszene gleicht
einem Eisberg: nur die Stars an der Spitze sind sichtbar. Der Rest, der sich in
zahllose Strömungen und Stilrichtungen unterteilt, blüht für Außenstehende meist
im Verborgenen, wobei die Bandbreite von Rap und Reggae über Heavy Metal und
Hardcore bis zu Funk und Soul reicht. Für viele dieser Subkulturen ist die
englische Vokabel “vintage” (= altehrwürdig) das Schlüsselwort. Sie träumen sich
musikalisch in die Vergangenheit zurück. Stile der fünfziger Jahre (und früher)
wie Western Swing, Rock ‘n’ Roll oder Bluegrass werden zu neuem Leben erweckt.
Das Münchner
Bluesduo Black Patti hat es in dieser Recycling-Kunst zu wahrer Meisterschaft
gebracht. Peter Krause ist der erfahrenere der beiden und schon seit Jahren im
Geschäft. 2005 erhielt der Sänger und Gitarrist, der auch Mundharmonika spielt,
den Preis der deutschen Schallplattenkritik. Ferdinand Krämer ist der Neuling des
Gespanns und erst seit kurzem Profi. Auch er singt und spielt Gitarre, doch auf
der Mandoline entfaltet er seine größte Virtuosität.
Zusammen steigen
die beiden tief in die Vergangenheit hinab und pflegen einen archaischen Bluesstil,
wie er im tiefen Süden der USA vor dem 2. Weltkrieg in Mode war. Damals zogen schwarze
Sänger wie Robert Johnson, Charley Patton und die Mississippi Sheiks mit ihren
Gitarren durchs Land, um an belebten Straßenecken, nach Feierabend vor Fabriktoren
oder bei Gartenfesten und Hausparties ihre Lieder und Tanznummern zum Besten zu
geben. Diese Klänge lassen Black Patti wieder auferstehen – mit viel Fingerspitzengefühl
und Einfühlungsvermögen.
Black Patti spielen
den Delta-Blues mit großer Überzeugungskraft. Da wimmern die Gitarren, da heult
die Mundharmonika und winzelt die Mandoline, und ein zweistimmiger Gesang setzt
ausdrucksvolle Akzente. Der Hörer fühlt sich in die Ära der Schellack-Platten zurückversetzt,
was ins Bild passt, ist der Name der Band doch von einem obskuren
amerikanischen Plattenlabel entlehnt, das in den zwanziger Jahren ein paar Platten
veröffentlichte und dann wieder von der Bildfläche verschwand.
Wer glaubt, dass
solche Klänge nur am Mississippi entstehen können, liegt falsch: Die Aufnahmen für
das Debutalbum wurden in Calw gemacht. Dort betreiben Stephan Brodbeck und Ray Baziany das Black Shack Recording Studio, das auf “vintage sounds” spezialisiert ist. Das
Equipment haben sie über Jahren zusammengetragen. Anstatt mit Computer und Digitaltechnologie
zu arbeiten, wird dort mit alten RCA-Mikrofonen, Tonbandmaschinen und
Röhrenverstärkern aufgenommen.
Kein
Wunder, dass mit Rhythm Bomb Records aus London ein großes internationales
Indie-Label anbiß. Dort erscheint “No Milk No Sugar” als CD und Vinyl-LP. Dann
stehen für den Rest des Jahres noch zahlreiche Auftritte an. Black Patti tritt
in Kneipen, Kulturzentren und bei Straßenfestivals auf – bis zu 120 Mal im
Jahr. Für die Band von der Isar hat der Blues-Boom gerade erst begonnen.
BLACK PATTI: No Milk No Sugar (Rhythm Bomb Records)
BLACK PATTI: No Milk No Sugar (Rhythm Bomb Records)
Wednesday, 20 May 2015
MAGMA: Besuch vom Planeten Kobaia
Die Rückkehr der Außerirdischen
Die französische Rockgruppe Magma
auf Comeback-Tour
Ende der siebziger Jahre ging Magma
die Luft aus. Die Gruppe verschwand von der Bildfläche, um ein paar Jahrzehnte
später wieder aufzutauchen. Nun befindet sich die Formation auf ihrer ersten
Welttournee. Sie absolvierten bereits
etliche Auftritte in Kanada und den USA, um jetzt in England zu gastieren und
danach für Konzerte nach China und Japan zu reisen. Im Sommer wird die Gruppe
dann beim “Zappanale”-Festival in Bad Doberan in Ostdeutschland auftreten.
Beim Konzert in der Musikhochschule
von Manchester präsentierten sich die Franzosen in blendender Form. Im Zentrum
des musikalischen Geschehens steht weiterhin Schlagzeuger und Bandleader
Christian Vander, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Vander bestimmt mit seinen
komplexen Trommelrhythmen die Architektur der verschachtelten Kompositionen,
von denen die meisten aus seiner Feder stammen. Der 67jährige sorgt für enormen
Drive und fegt wie besessen über die Felle seiner gigantischen Trommelbatterie,
wobei er mit knallharten Beckenschlägen deutliche Akzente setzt.
Außer dem Drummer ist nur noch
seine Frau Stella Vander von der Urbesetzung mit dabei. Sie ist eine Stimme im
Dreierchor. Die restlichen sechs Musiker sind alles Neuzugänge und eine
Generation jünger als die Gründergeneration. Überzeugend stellten sie ihr
musikalische Klasse unter Beweis: Die verzerrte Baßgitarre sorgte mit
treibenden Linien für ein dynamisches Fundament, über das Gitarre, E-Piano und
Vibraphon einen dichten Klangteppich legten. Mysteriöse Verse wurden
angestimmt, die sich wie Zauberformeln eines nächtlichen Hexentanzes anhörten
und durch stetes Wiederholen eine suggestive Wirkung entfalteten.
Mit Kostproben aus ihrer 45jährigen
Bandgeschichte bot Magma ein Programm, das den Geschmack der sechshundert
Zuhörer genau traf, die oft Szenenapplaus spendeten und nach jedem längeren
Opus vor Begeisterung aufsprangen. Eine Crew von fünf Technikern sorgte für
einen optimalen Sound und platzierte die grellen Lichteffekte so punktgenau,
dass die Musik noch überwältigender wirkte. Als einziger Kritikpunkt könnte
gelten, dass Magma für heutige Ohren doch etwas zu bombastisch und
überdramatisch klingt, was eine weitverbreitete Malaise des progressiven Rock
der siebziger Jahre war. Punk räumte damit auf!
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