Saturday 13 January 2024

Verlupft: Ringsgwandl schreibt einen Roman

Ringsgwandl als Literat



cw. Georg Ringsgwandl, ehemaliger Oberarzt am Klinikum in Garmisch-Partenkirchen, der zum Rock ‘n‘ Roll-Kabarettist mutierte, hat einen Roman geschrieben, der – stark autobiographisch gefärbt – sein Leben und seine Karriere als Profimusiker schildert. Merkwürdigerweise beschreibt Ringsgwandl (Jahrgang 1948) das Geschehen aus der Perspektive seiner weiblichen Tourmanagerin – der sogenannten „Tourschlampe Doris“, die schon als Zwölfjährige mit dem Herrn Doktor in Kontakt kam, um dann jahrelang seinen Laden zu schmeißen, bevor sie mit vierzig aus dem Betrieb ausstieg, was auch das Ende der Handlung bedeutet.

 

Ringsgwandl, von dem ja ein paar wirklich eindrucksvolle Dialekt-Songs stammen, ist ein flüssiger, eloquenter Schreiber – er nahm 1994 sogar einmal am Ingeborg-Bachmann-Literatur-Wettbewerb in Klagenfurt teil –, doch kennt seine Erzählung weder Richtung noch Ziel, sondern läuft eigentlich auf nichts hinaus. Die 438 Seiten hätten noch einmal 438 Seiten so weiter mäandern können, wobei er in einem Interview einräumte, dass der Roman ursprünglich 1300 Seiten lang war.  

 

Inhaltlich geht es in Dutzenden Anekdoten – immer mit Kurzformeln überschrieben – um die Höhen und Tiefen des Showgeschäfts. Es wird das Rockmusikerleben „on the road“ geschildert, wo – wie könnte es anders sein! – der „Wahnsinn" regiert. Mißerfolge werden neben glanzvollen Triumphen bilanziert, wobei das menschliche Durcheinander der Ringsgwandl-Band im Zentrum steht, die im Laufe der Jahre kontinuierich ihr Personal wechselt. So stoßen immer wieder ein paar neue schräge Vögel zur Truppe, um mit unerwarteten Absonderlichkeiten das trübe Tourleben etwas aufzuhellen und aufzuheitern. Eine typische "bad boys"-Geschichte, wie sie in der Popszene seit ewigen Zeiten zur Grundausstattung gehört. "Ach, was sind wir doch für ein verwegener Haufen!" feiert man sich selber.




 

Am Problematischsten erscheint mir allerdings die Sprache. Obwohl immer wieder etwas Dialekt eingestreut wird, ist der ganze Roman in diesem vermeintlich „super-coolen“, flapsig-schnodrigen Sprücheklopfer-Sprech gehalten, den auch andere Rockmusiker draufhaben (am signifikantesten Udo Lindenberg), der jeder tieferen Ausleuchtung echter Gefühls- und Seelenlagen im Wege steht. In diesem Jargon ist immer alles „easy“ – selbst die größte Existenznot, etwa wenn der Freund von Doris an seiner Herionsucht langsam zu Grunde geht.

 

Wirklich peinlich wird es allerdings, wenn sich Ringsgwandl in Gestalt der Tourschlampe Doris selber über den grünen Klee lobt und akribisch seine ausverkauften Konzerte und Theateraufführung auflistet, bei denen – wie könnte es bei einem derart Großen auch anders sein – immer bereits nach kurzer Zeit alle Karten weg waren. Bescheidenheit ist auch eine christliche Tugend, das sollte einem im katholischen Oberbayern doch eigentlich geläufig sein. Oder treiben hier untergründig ein paar unverarbeitete Minderwertigkeitskomplexe ihr Spiel?

 

Georg Ringsgwandl: Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris. dtv. Euro: 28.-

 

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