Fünf Briten in Deutschland
Klang und Farbe – die psychedelische Metamorphosen der Rockgruppe Nektar
Interview mit Nektar-Bassist Derek "Mo" Moore
In Deutschland waren sie in der ersten Hälfte der 1970er Jahre allgegenwärtig, spielten selbst in den kleinsten Ortschaften, so auch einmal in der städtischen Turnhalle meiner Geburtsstadt Balingen in Südwestdeutschland. Nektar war eine Rockgruppe, die aus dem Rahmen fiel: Obwohl sie als Bandkommune in Seeheim bei Darmstadt lebten, waren alle fünf Mitglieder Briten. Außerdem hatte sie eine Lightshow, die genau so wichtig war wie die Musik. Mit dieser engen Verbindung von Klang und Farbe führten sie eine Tradition fort, die in den 1960er Jahren in San Francisco und London („Ufo-Club“) entstanden war und psychedelische Sounds mit wabernd-flüssiger psychedelischer Lichtkunst verband. Nach dem riesigen Erfolg ihrer dritten LP „Remember the Future“ in den USA, ließ sich Nektar Mitte der 1970er Jahre in Amerika nieder.
Nektar war eine britische Rockgruppe, die in Deutschland lebte. Wie kam es dazu?
Derek "Mo" Moore: Ich ging Ende der 1960er Jahren nach Frankreich, wo ich in den Clubs der amerikanischen Armee spielte. Keiner der späteren Musiker von Nektar war mit von der Partie, außer Ron Howden, dem Schlagzeuger. Wir verdienten kaum Geld, hungerten. Dann kam ein Angebot aus Deutschland, das wir sofort annahmen. Wir spielten im Dezember 1969 in Clubs in Hamburg, als unser Gitarrist sich entschied, nach England zurückzukehren. Da wir Roye Albrighton kannten, schickten wir ihm ein Telegram, ob er sich uns nicht anschließen wolle, wir würden einen Gitarristen suchen. Er hatte jedoch kein Geld, die Fahrt zu bezahlen, weshalb wir ihm das Fahrtgeld schickten. Unser erster Auftritt verlief vielversprechend, und daraus ging letztlich Nektar hervor. Wir wohnten zu Beginn in Hamburg.
Wo waren die einzelnen Bandmitglieder her?
DM: Der Schlagzeuger Ron Howden und ich waren aus Yorkshire, Roye Albrighton war aus Coventry, unser Keyboarder Allan „Taff“ Freeman aus Motherwell in Schottland und unser Lichtkünstler Mick Brockett aus London.
Die Lightshow war ein Markenzeichen von Nektar. Wie kam sie in die Band?
DM: Mick Brockett hatte in England unter dem Namen Fantasia Light Circus mit Pink Floyd und anderen Rockgruppen im Londoner Roundhouse gearbeitet. Dann hatte er 1968 für ein dreitägiges Rockfestival in Utrecht mit Pink Floyd, Fleetwood Mac, The Nice und Jethro Tull die Lightshow geliefert, auch im Oktober 1969 für das Pop & Blues-Festival in der Essener Grugahalle. (dem ersten kommerziellen Popfestival in Deutschland überhaupt. CW.)
Bei einem Auftritt in einem Club in Fürth mit unserer Band, die sich damals noch „Prophecy“ nannte, lernten wir ihn kennen, weil er dort die Lightshow machte. Wir nahmen ihn als vollwertiges Mitglied in die Band und entwickelten ein Konzept, bei dem das Visuelle mit der Musik eine enge Verbindung einging.
Mick Brockett war der Mann für die Lightshow bei Nektar
Nektar lebte als Bandkommune in de Nähe von Darmstadt. Wie kam es dazu?
Bei einem Auftritt in Darmstadt lud uns der Betreiber des „Underground“-Clubs Maarten Schiemer ein, in seinem Haus in Seeheim zu übernachten. Er hatte Platz und bot uns an, uns fest dort einzuquartieren, weil von dort Auftrittsorte in ganz Deutschland leichter zu erreichen waren.
Nektar war omnipräsent.....
DM: Wir spielten überall, wo man uns haben wollte. In der ersten Hälfte der 1970er Jahre manchmal 250 Gigs im Jahr, was uns recht bekannt machte. Wir verdienten gutes Geld. Das Touren kam den zwischenmenschlichen Beziehungen zu gute. Wir waren gerne auf Tour. Wir hatten viel Spaß, weil wir gerne spielten. Wenn wir zu lange zuhause waren, kam es zu Spannungen und Reibereien zwischen den einzelnen Bandmitgliedern. Das Chaos fing immer an, wenn wir von einer Tour zurückkamen. Wir traten häufig mit deutschen Gruppen auf, man freundete sich an. Wir kannten Guru Guru, Amon Düül und Frumpy.
Unterhielt Nektar auch Verbindungen zu anderen englischen Musikern in Deutschland?
DM: Wir waren mit der Gruppe Message befreundet, weil unser Keyboarder Allan „Taff“ Freeman und Allan Murdoch, der Gitarrist von Message, aus der selben Stadt namens Motherwell stammten, das südlich von Glasgow in Schottland liegt. Sie kannten sich. Wir spielten ein paar Mal in Sindelfingen, wo unsere Freunde von Message wohnten.
Ich buchte die Gigs für Nektar und habe auch viele Auftritte für Message vermittelt, nicht selten traten die beiden Bands zusammen im gleichen Konzert auf. Wir pflegten gute Beziehungen, manchmal schauten die Musiker von Message bei uns in Seeheim vorbei, wenn sie irgendwo in der Nähe auftraten oder wenn sie auf dem Weg bzw. Rückweg von Konzerten waren. Gelegentlich übernachteten sie auch bei uns.
Wie reagierten die Einheimischen in Seeheim, als dort plötzlich fünf langhaarige Gestalten aus Großbritannien auftauchten?
DM: Wir waren in Seeheim wohl gelitten, hatten die besten Beziehungen zur örtlichen Bank, zur Apotheke und zur Metzgerei, die gegenüber von unserem Haus auf der anderen Straßenseite lag. Uns gefiel es in Seeheim. Wir fühlten uns dort zuhause. Nie gab es irgendwelche Probleme oder Beanstandungen.
Warum ist Nektar dann 1976 nach Amerika ausgewandert? Hatte das finanzielle Gründe?
DM: Wir verdienten ziemlich gut in Deutschland. Das einzige Problem war, dass wir überall gespielt hatten und kaum noch neue Orte fanden, wo wir auftreten konnten. Alles abgegrast! Und dann kam mit unserer dritten LP der große Erfolg in den USA, weshalb wir in Deutschland unsere Zelte abbrachen und nach Amerika gingen, wo es anfangs allerdings recht schwierig war. Wir hatten keine Wohnung, wohnten im Hotel, was sehr teuer war. Wir spielten überall, wo man uns ließ. 1976 beschloß unser Gitarrist Roye Albrighton nach England zurückzukehren. Ich verließ die Gruppe zwei Jahre später. Nektar ist dann erst wieder nach Jahren zusammengekommen.
Nektar: Cast your fate / Live in Genf, 1973 (youtube)
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