Wednesday, 9 January 2013

Trends: MARTIN MALLAUN und GREIFER erfinden die Zither neu


Zitherpartie

Die Zither zwischen Volks- und Kunstmusik



CW. Einst verpönte Instrumente aus dem Volkmusikmilieu haben in der zeitgenössischen Musik in den letzten Jahrzehnten immer mehr an Boden gewonnen. Neben dem Akkordeon gehört die Zither in diese Kategorie. Um eine Imageänderung zu erreichen, bedarf es üblicherweise ein paar herausragender Solisten, die neue Kompositionen in Auftrag geben, welche als innovative Anstöße nachhaltige Wirkung entfalten.
Der Österreicher Martin Mallaun (Jahrgang 1975) ist ein solcher Impulsgeber, der in jüngster Zeit mit zwei Soloalben die Zither von ihrem volksmusikalischen Staub befreit und in ganz anderem Licht gezeigt hat. Jetzt hat Mallaun mit der Italienerin Reinhilde Gamper und dem Deutschen Leopold Hurt das Zither-Trio Greifer ins Leben gerufen, das mit “Neue Musik für 3 Zithern” gerade ihr Debutalbum vorlegt hat. Die Einspielung lässt aufhorchen und könnte die Qualität besitzen, Ressentiments gegenüber dem alpenländischen Saiteninstrument endgültig aus der Welt zu schaffen.
Vier Komponisten haben Werke geliefert, die der Gruppe auf den Leib geschrieben sind. Helga Pogatschar hat mit “Underground Surround” ein Stück entworfen, das sich mit dem Mythos “Der dritte Mann” auseinandersetzt, dem Film Noir aus der Nachkriegszeit, in welchem die Zither ihren letzten großen Auftritt hatte. O-Ton-Erinnerungsfetzen an den Film, Einblendungen und Kommentare überlagern sich collagenhaft mit Melodienzitaten, die dann auf fantasievolle Weise mehr und mehr ihre eigenen Wege gehen. 
Manuela Kerer hat dagegen ihre fünf Miniaturen unter dem Titel “solitudine vage” auf Materialklängen der Zither aufgebaut. Sie kontrastiert und erhellt diese Geräuschwelt mit klaren Saitentönen, die an den Klang einer asiatischen Bodenharfe erinnern. Gelassenheit und Ebenmaß zeichnen die beiden Werke von Burkhard Stangl aus, die er Morton Feldman gewidmet hat und die – ohne Plagiat zu sein - den Geist des amerikanischen Komponisten atmen. Die gleichförmige Ruhe der gemächlich dahin schreitenden Akkorde bringt feinste Schwebungen und Details zum Vorschein.
Burkhard Friedrich verwandelt dann die Zither mittels elektrischer Verstärkung in ein Hardcore-Instrument. In der Komposition “(D)evil Song” lotet er in höchst originelle Manier Nachhall- und Feedback-Effekte aus und verdichtet zum Finale das Spiel mit akustischen und elektrischen Tonüberlagerungen zu einem mächtigen Crescendo.
Das Trio Greifer entwirft die Vision einer neuen Klangwelt der Zither auf so vielfältige, schlüssige und überzeugende Weise, dass man sich fragt, warum es bestimmte Vorbehalte eigentlich überhaupt jemals gegeben hat. Am Instrument kann es nicht gelegen haben.

Aktuelles Album:
Greifer (Reinhilde Gamper / Leopold Hurt / Martin Mallaun): Neue Musik für 3 Zithern
(Idyllic Noise IDNO 0008)

Die Besprechung erschien ursprünglich in NEUE ZEITSCHRIFT FÜR MUSIK (Schott Verlag).

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