Harlem Swing
Taj Mahal belebt den Sound der Bigband-Ära neu
Taj Mahal (Foto: Abby Ross)
cw. Im Alter gewinnt die Musik der eigenen Kindheit und Jugend zunehmend an Bedeutung, und nicht wenige Musiker sehnen sich nach den Klängen ihrer frühen Jahre zurück. Dieser Befund gilt auch für den amerikanischen Bluesmusiker Taj Mahal (bürgerlich: Henry St. Claire Fredericks), der letztes Jahr 80 Jahre alt wurde.
Unter dem Titel „Savoy“ hat Mahal gerade ein Album veröffentlicht, das die Klänge der 1940er Jahre neu belebt, als im berühmten Savoy Ballroom in der Lenox Avenue in Harlem die Post abging. Im „Savoy“, das als eine der wenigen Dancehalls keine Rassensegregation praktizierte, war der Schlagzeuger Chick Webb König. Er trat dort mit seiner Bigband auf und einer jungen Ella Fitzgerald. Unter den Tausenden Tanzwütigen, die das Lokal mit zwei Tanzböden bevölkerten, um sich dem Jitterbug, Jive oder dem Lindy Hop hinzugeben, befanden sich auch Taj Mahals Eltern, die sich hier kennenlernten.
Das macht das Album zu einem Spaziergang „down Memory Lane“ und taucht gleichzeitig tief in Mahals verästelte Familiegeschichte ein. Im Mai 1942 in Harlem geboren, war sein Elternhaus voller Musik. Sein Vater spielte als Jazzpianist mit karibischen Wurzeln beim Jump-Blues-Bandleader Buddy Johnson – Mahals Patenonkel. Seine Mutter, eine Lehrerin aus South Carolina, fiel sonntags in der Kirche durch ihren inbrünstigen Gospelgesang auf. „Ich wuchs sehr bewußt mit meinen afrikanischen Wurzeln auf“, erinnert sich Mahal, dessen Vater ein Anhänger von Marcus Garvey war, einem „Black Nationalist“ aus Jamaika. „Meine Eltern hatten sich durch die Musik gefunden, was damals Swing und die Anfänge des Bebop bedeutete. Das waren die Klänge, die mich in meiner Kindheit umgaben.“
Der Künstler als junger Mann
Kein Wunder, dass das neue Album mit „Stompin‘ at the Savoy“ beginnt, dem Jazzklassiker, mit dem Chick Webb 1934 einen Hit landete und der später auch von Ella Fitzgerald mit Louis Armstrong aufgenommen wurde. Im Gespann mit dem Produzenten John Simon, der sich durch seine Arbeit mit The Band, Leonard Cohen und Blood, Sweat & Tears einen Namen gemacht hat, läßt Mahal die Atmosphäre wieder aufleben, die einst in den Nachtclubs und Tanzhallen von Harlem herrschte, als die Bigbands den Ton angaben.
Eine gestopfte Trompete leitet „Stompin‘ at the Savoy“ ein, Bläsersätze schmiegen sich an, während die Background-Sängerinnen Mahals rauhes Stimmorgan in weiches Timbre hüllen. Und dann bläst ein Tenorsaxofon ein Solo, bevor Mahal den Ball aufnimmt mit einer Scat-Gesangseinlage, die vor Energie nur so sprudelt – sabadibididu-dabedidum!
Es ist nicht das erste Album, mit dem Taj Mahal Geschichtsforschung betreibt. Bei Licht betrachetet, hat er in seiner langen Karriere nie etwas anderes gemacht, als sein Leben der Erkundung dem weitverzweigten Geflecht afro-amerikanischer Musiktraditionen zu widmen.
Alles begann in Los Angeles im heute legendären Folkclub „Ash Grove“, wo der junge Bluesenthusiast alte Barden wie Mississippi John Hurt, Lightnin‘ Hopkins oder Muddy Waters hörte und so betört von ihrem Gesang und Gitarrenspiel war, dass er ihnen genau auf den Mund und die Finger schaute. Im „Ash Grove“ fand dann auch seine erste Band zusammen, die er 1965 unter dem Namen „Rising Sons“ mit Ry Cooder aus der Taufe hob. Nach diesen frühen Blues-Studien steuerte Mahal in den 1970er Jahren die Karibik an, um mit Reggae- und Calypso-Titeln seine Familiengeschichte väterlicherseits zu erkunden. Auch auf Hawaii machte er Station. Danach folgten Exkursionen nach Mali und Zansibar, um mit dem aktuellen „Savoy“-Album abermals eine andere Seite seiner musikalischen Genealogie aufzuschlagen.
Taj Mahal & the Tuba Quartet, 1971
Daneben wird mit dem Album eine alte Freundschaft neu belebt, die vor mehr als einem halben Jahrhundert begann, als der Produzent des Albums, John Simon, Keyboard in Mahals Band spielte und auf seinem Album „The Real Thing“ von 1971 mit von der Partie war, das mit vier Tuba-Spielern „live“ eingespielt wurde.
Außer als Produzent ist John Simon bei den „Savoy“-Sessions als Pianist zu hören in einer Band, die aus lauter Größen der Studio-Szene der Bay-Area besteht. Gitarre spielt Danny Caron, der auf Referenzen von Clifton Chenier über Bonnie Raitt bis zu Van Morrison verweisen kann. Den Baß zupft Ruth Davies, die schon mit John Lee Hooker, Elvin Bishop und Maria Muldaur gearbeitet hat. Eine illustre Crew also, die für das nötige Feeling sorgt.
Taj Mahal – Do nothin' till you hear from me (youtube)
Unter den zwölft Standards aus dem Great American Songbook befinden sich alte Schlachtrösser wie „Mood Indigo“, „Sweet Georgia Brown“ oder „Gee Baby, Ain’t I Good to You“, denen Mahal dennoch neue Seiten abzugewinnen weiß. Den Evergreen „Baby It’s Cold Outside“ zelebriert er im Wechselgesang mit Maria Muldaur. Auf „Caldonia“, einer Jive-Nummer von Louis Jordan, die auch Muddy Waters im Repertoire hatte, ist er mit einem quirrligen Mundharmonika-Solo zu hören. Und „Summertime“ präsentiert Mahal nicht im Rock-Idiom à la Janis Joplin, sondern als Swing-Nummer ganz im Stil der Interpretation von Miles Davis und Gil Evans aus dem Jahr 1958. „Das war mein Vorbild,“ räumt er unumwunden ein, um gleich wieder ins Schwärmen zu geraten: „Die Musik damals war schon toll, und das ist sie heute immer noch.“
Taj Mahal: Savoy (Stony Plain Records)
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