Löffelweise Blues
Werner Dannemann & Friends mit Miller Anderson in Esslingen
Werner Dannemann (links), in der Mitte sitzend (wegen eines Fußleidens): Miller Anderson (Foto: C. Wagner)
Woodstock ist im Pop ein magischer Begriff, der einer ganzen Generation den Namen gab. Musiker, die bei dem legendären Festival aufgetreten sind, zählen automatisch zum Rockadel. Das Esslinger Kulturzentrum Dieselstraße hat in seiner über 40jährigen Geschichte bislang zwei Mal solche Kultfiguren präsentiert: Vor Jahren trat die amerikanische Bluesrockband Canned Heat in der Pliensauvorstadt auf sowie Alvin Lee, der 1969 mit Ten Years After auf dem Woodstock-Festival spielte, zu welchem damals mehr als eine halbe Million Hippies und Blumenkinder pilgerten.
Jetzt brachte der langgediente Göppinger Rockgitarrist Werner Dannemann eine weitere Woodstock-Legende in die Dieselstraße: Der Schotte Miller Anderson trat einst als Gitarrist und Sänger der Keef Hartley Band auf dem Hippie-Fest auf, das ja damals noch kurzfristig von der Ortschaft Woodstock nach Bethel verlegt werden mußte.
Die Keef Hartley Band war eine jener Gruppen, die das britische Bluesrevival prägten (neben John Mayall, Alexis Korner, den Rolling Stones, Fleetwood Mac, Chicken Shack, Savoy Brown usw.) aber nie den Durchbruch schafften, wobei Drummer und Bandleader Keef Hartley später bei John Mayall trommelte. Und diese Bluesrock-Tradition ist auch das gemeinsame Erbe, das Werner Dannemann und Miller Anderson verbindet und zusammenführte.
Beim Auftritt in der Dieselstraße nahm zu Beginn der Göppinger Gitarrist das Zepter in die Hand und leitete mit ein paar flotten Nummern den Abend ein. Sie gaben die Richtung vor und setzten den Rahmen. Nach Dannemanns Opener übernahm Miller Anderson für einige Zeit die Regie und präsentierte sich in ein paar Titeln sowohl als überzeugender Sänger, als auch als exzellenter Slide-Gitarrist. Der Schotte weiß außerdem auf das Vorzüglichste mit dem Wah-Wah-Pedal umzugehen und präsentierte sich ebenfalls als solider Mundharmonika-Spieler.
Die Sound war glasklar (nicht zu laut und nicht zu leise), die Musik überzeugend interpretiert. Die Rhythmusgruppe agierte zuverläßig. Das Zusammenspiel funktionierte ordentlich, wobei die Solos durch ein kurzes Zunicken dem jeweiligen Musiker zugeteilt wurden. Der französische Keyboarder Jean-Pierre Barraqué hatte dabei ebenfalls seine Zeit im Rampenlicht, ob auf der Orgel, dem E-Piano oder dem Synthi. Der Vorsprung, den die Briten noch in den 1970er Jahren hatten, ist längt aufgeholt. Heute begegnet man sich auf gleicher Augenhöhe.
Manche Titel stachen heraus. Wenn etwa alte Schlachtrösser wie "Spoonful" hervorgekramt wurden, ging ein Raunen durchs Publikum von Grauhaarigen. "Spoonful" ist eines dieser Evergreens aus den Anfangstagen des Bluesrock, das ursprünglich vom Chicagoer Bassisten Willie Dixon stammt, von Howlin' Wolf zuerst aufgenommen wurde, bevor es Gruppen wie Cream und Ten Years After weltweit populär machten. Als Alexis Korner in den 1970er Jahren häufig durch Südwestdeutschland tingelte, hatte er ebenfalls "Spoonful" im Repertoire.
"Classic Rock" wird solche Musik in den USA genannt und so auch von Werner Dannemann und Kumpanen verstanden und aufgeführt: als klassische Rockmusik gespielt von klassischen Rockmusiker, die mit Können, Routine und Einfühlungsvermögen agieren und damit dem Stil immer wieder frisches Leben einhauchen. Was für Klassik-Freunde Bachs Johannespassion ist bzw. für Jazzfans Swing oder Bebop, ist für Blues- und Rockenthusiasten "Spoonful"– historische Musik, immer wieder neu interpretiert.
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