Tuesday 3 May 2016

Kubanische Klezmermusik. John Zorns 'Book of Angals, Vol 23'

Verblüffende Synthese

Kubanische Klezmermusik mit Roberto Rodriguez beim Jazzclub Singen


cw. Let’s klez! Seit 40 Jahren erlebt die jüdische Klezmermusik ein Revival. In ihrer vormaligen osteuropäischen Heimat durch Holocaust und 2. Weltkrieg vernichtet, waren es vor allem Musiker aus den USA, die die traditionelle jüdische Festtagsmusik wiederentdeckten und ihr zu einer weltweiten Renaissance verhalfen. Wie Blues, Tango oder Salsa gibt es heute Klezmergruppen nahezu überall auf dem Globus. Dabei treten immer mehr auch etwas abgelegenere Traditionslinien zu Tage, wie etwa die Klezmermusik auf Kuba, wo eine beachtliche Exilgemeinde jüdischer Emigranten strandete, um sich vor der Verfolgung in Europa in Sicherheit zu bringen.

Der Schlagzeuger Roberto Rodriguez stammt aus diesen Milieu. Er ist in der jüdischen Gemeinde in Kuba groß geworden und hat seit seiner Jugend bei Festen und Feiern jüdische Musik gespielt und dabei schon früh Klezmermelodien mit kubanischen Rhythmen vermischt. In den 1990er Jahre wanderte Rodriguez in die USA aus, wo er sich in New York niederließ, um weiterhin seine musikalischen Wurzeln zu pflegen. In Downtown Manhattan traf Rodriguez den Saxofonisten, Komponisten und Labelbetreiber John Zorn, der ihn ermunterte, die jüdisch-kubanische Klezmertradition weiterzuentwickeln.

Zorn schrieb eine Reihe von Kompositionen für Rodriguez, die dieser zuerst mit einer größeren Besetzung aufnahm (CD: Book of Angels, Vol 23) und jetzt mit seinem Cuarteto Aguares auf einer ersten Europatournee vorstellte, wobei er neben Auftritten in Slowenien, Holland und Österreich auch beim Jazzclub Singen im Kulturzentrum Gems vor vollem Haus gastierte. Rodriguez’ Ensemble besteht aus vier Meistermusikern, die die Latin-Klezermusik mit traumhafter Sicherheit in Szene setzen. Jonathan Keren an der Violine entpuppte sich als unglaublich fingerfertiger Virtuose, der dem Bandleader am Schlagzeug an technischer Brillanz in nichts nachstand. Am Piano, manchmal  akustisch, dann wieder in elektrisch, brillierte der junge Alon Nechustan mit markanten Soli, wobei Bassist Bernie Minoso das Ganze mit federnd-elastischen Baßlinien zusammenhielt.

Komponist John Zorn hat eine Musik kreiert, die eine wunderbare Melanche zwischen der oft träumerischen Melancholie osteuropäischer Klezmermusik und dem Drive und der Lässigkeit lateinamerikanischer Rhythmen darstellt. Dabei ist es dem Cuarteto Aguares gelungen, die knappen Vorgaben des Komponisten mit originellen Arrangements und gekonnten Improvisationen zu epischen Stücken auszubauen, die dennoch keine Sekunde langweilig wirkten. Vielmehr war es faszinierend zu hören, zu welch spannendem Mix sich die jüdische Musik in der kubanischen Diaspora formte. Rumba und Klezmer gehen dabei ein überraschende Synthese ein, die verblüfft und trotzdem vollkommen organisch wirkt.

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