Thursday 30 April 2020

Die Leidringer Rockkommune, 1972 Part 1 + 2

Mysteriöse Popkommune außerhalb von Leidringen bei Balingen – wie vom Erdboden verschluckt....

1. Teil: Leidringer Rockkommune Saga

Im Sommer 1972 (nicht wie ich im Buch noch glaubte 1971) hörten mein Freund, Bernhard und ich – als 16jährige Junghippies – von einer Popkommune, die sich auf einem verlassenen Bauernhof bei Leidringen (10 km von unserer Heimatstadt Balingen) eingenistet hatte. Kurzentschlossen statteten wir ihnen einen Besuch ab.

Nach langer Suche glaubte ich,  ihr damaliges Domizil wieder entdeckt zu haben. Es ist eigenartig, wie man an solchen Erinnerungen hängt.

Unten der Ausschnitt aus meinem Buch „Der Klang der Revolte“, der die Episode beschreibt.

Das Bauernhaus außerhalb von Leidringen, natürlich damals ohne Solarzellen: Im linken Hausteil im ersten Stock wohnten und probten die drei Musiker. Nach ein paar Monaten waren sie wieder verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Ob aus ihnen etwas geworden ist? Ob sie es anderswo zu Bekanntheit brachten? In welcher Band?
Sollte irgendjemand irgendetwas wissen, please get in touch!

Fotos: Christoph Wagner



Aus: Christoph Wagner: Der Klang der Revolte. Die magischen Jahre des westdeutschen Musik-Underground. Schott Verlag 2013. 380 Seiten mit vielen Abbildungen.



2. Teil: Leidringer Rockkommune Saga (Fortsetzung)

Heute (1. Mai 2020) nahm die Geschichte von der mysteriösen Rockkommune  auf dem verlassenen Bauernhof bei Leidringen Anfang der 1970er Jahre eine unerwartete Wende. Ich konnte mit den Bewohnern des obigen Hofs sprechen, die mir versicherten, dass sie schon seit 1961 auf diesem Hof wohnen würden und nie irgendwelchen Musikern Unterschlupf gewährt hätten.

Aber der nächste Hof entlang des Feldwegs wäre lange leer gestanden und dort sei möglicherweise damals die mysteriöse Popkommune untergekommen. Das Hofgebäude hätte genau so wie ihres ausgesehen und wäre dann später vollkommen renoviert worden. Es ist heute von mehreren Partien bewohnt. Ich bin mir jetzt ziemlich sicher, dass die drei Musiker dort gewohnt haben. Aber letzte Sicherheit wird es nur geben, wenn wir einen der drei ausfindig machen, was ich allerdings für ziemlich unwahrscheinlich halte. Aber warten wir es ab, manchmal geschehen ja Zeichen und Wunder.

Renovierter Bauernhof bei Leidringen, wo ziemlich sicher 1972 die mysteriöse Rockkommune hauste (Foto: Christoph Wagner) 



3. Teil Leidringer Rockkommune Saga (Conclusion)

Man kann natürlich darüber spekulieren, warum die Band nach ein paar Monaten das Handtuch warf und verschwand. Vielleicht hatten sie untereinander Streit, vielleicht waren ihre finanziellen Resourcen aufgebraucht? Wahrscheinlicher ist, dass sie einfach frustriert waren, weil es mit ihrer Band nicht nach oben ging und das Kommuneleben sich auch nicht so anließ, wie sie sich es so vorgestellt hatten. Die Siebziger war ja eine Zeit voll romantisch-utopischer Träume, die leicht an der Wirklichkeit zerschellten.

Noch etwas zu den drei Musikern: der Bassgitarrist trat irgendwie als Bandleader auf. Er war auch am öftesten in Balingen am Hippietreff um die Stadtkirche anzutreffen, wild gekleidet mit schwarzen schulterlangen Locken, einem Afghan-Mantel, Stiefeln mit hohen Absätzen und großer Klappe. Er erklärte, dass er immer solche Frauenschuhe kaufen würde – da haben wir aber gestaunt! Keiner von den dreien war aus Süddeutschland, sie sprachen hochdeutsch, wobei uns der Bandleader ein bisschen wie zurückgebliebene Provinzler behandelte.

Der Drummer war ein hagerer Typ mit Glatze und langen schütteren Haaren und Zottelbart. Den Orgelspieler hab' ich als Typen mit langen strähnig-blonden Haaren mit Mittelscheitel in Erinnerung. Kann mich aber auch irren. Die Erinnerung schlägt gelegentlich seltsame Kapriolen.

Natürlich imponierten uns die drei: ihr ganzes Auftreten, ihre coolen Sprüche und dass sie aufs Ganze gingen, ausstiegen – dass sie  d a s  machten, wovon viele von uns nur träumten oder redeten. Das verdiente Respekt!

2 comments:

  1. Mysteriös und ein typisches Bild aus der Underground-Ära. Vermutung: Entweder haben sie sich getrennt (bedingt durch Krankheit oder Streit) oder die Ordnungsmacht griff ein?

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  2. eher die Streit-Version; oder frustriert durch Null-Erfolg und fehlendes Geld.

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