Musikalische Abenteuerreise
Nach zehn Jahren gibt es wieder gewagte Sounds im oberschwäbischen Scheer – das Klangbad-Echo-Festival knüpft an glorreiche Zeiten an
FM Einheit & Hans Joachim Irmler (Promo)
cw. Es war eines der profiliertesten Festivals der bundesdeutschen Indie-Szene und brachte einen Hauch von Woodstock nach Oberschwaben. Von LaBrassBanda und den Mekons über zu Jimi Tenor und These New Puritans bis zu Mouse on Mars und den Goldenen Zitronen – alle spielten auf dem Klangbad-Festival. In seiner besten Zeit zog das „Klein-Woodstock an der Donau“ Tausende von Fans aus ganz Europa in die kleine Ortschaft Scheer bei Sigmaringen. Aus Mangel an staatlicher Unterstützung und ausgelaugt von ehrenamtlicher Plackerei warfen die Veranstalter jedoch vor zehn Jahren des Handtuch. Jetzt ist der Geist des Idealismus wieder erwacht: Vom 30. Juli bis zum 1. August wagen die Veranstalter einen Neustart, der wiederum in Scheer über die Bühne geht. Aus Pandemie-Gründen ist die Besucherzahl allerdings auf 200 pro Tag begrenzt.
Sechzehn Bands, Musiker, Poeten und Performance-Künstler haben ihr Kommen zugesagt. Sie werden drei Tage lang auf dem Areal der ehemaligen Scheerer Papierfabrik auftreten. Unter den Künstlern sind etliche Namen, die man noch von den früheren Klangbad-Festivals kennt und die zum Bekanntenkreis des Elektronikers Hans Joachim Irmler gehören, der als Initiator des Ganzen auftritt und in der Scheerer Papierfabrik seit Jahren das Faust-Tonstudio betreibt. Von Kammermusik und Punk über die Musikcollagen diverser DJs bis zu Krautrock und experimentellen Klängen reicht das Spektrum der Stile, die das dreitägige Programm zu einer musikalischen Abenteuerreise machen.
Einige Namen ragen heraus: Da ist FM Einheit, der vor Jahren mit den Einstürzenden Neubauten zu Weltruhm kam und seither als Perkussionist mit riesigen Stahlfedern auftritt, auf denen er die abgefahresten Rhythmen trommelt. Ähnlich kompromißlos gibt sich auch das Ludwigsburger Gitarre-Schlagzeug-Duo Rocket Freudental, das mit ruppigem Indie-Rock und deutschen Texten punktet, wobei die Band kein Blatt vor den Mund nimmt. Pianist Jan Wagner schwelgt dagegen eher in sanften Ambient-Klängen. In Scheer wagt er eine Kollaboration mit dem martialischen Noise-Duo „Die Hunde“. Im Mittelpunkt des Festivals steht allerdings Hans Joachim Irmler, einst Mitglied der Krautrockformation Faust. Der Keyboarder ließ in den letzten Jahren immer wieder mit außergewöhnlichen Projekten von sich hören, wobei seine elektronischen Sounds zum Festivalfinale am Sonntagnachmittag auf die Töne eines Streichquartetts treffen. Den Rahmen für die Begegnung bildet die Komposition „Zarathustras Hymnos“ von Carl Friedrich Oesterhelt, die in Scheer uraufgeführt wird.
Rocket Freudental (Promo)
Als Austragungsort für das Klangbad-Echo-Festival eignet sich die Scheerer Papierfabrik bestens. Das Gelände ist groß genug, sodass die Künstler am Nachmittag an verschiedenen Plätzen auftreten können, um dann gegen Abend auf die Hauptbühne in den Innenhof vor dem Faust-Studio zu ziehen. Ein Ausnahme macht nur die Uraufführung des kammermusikalischen Werks von Carl Friedrich Oesterhelt. Sie findet der besseren Akustik wegen nicht im Freien, sondern in Irmlers Studioräumen statt.
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