Saturday, 11 May 2013

Alte Musik: ENSEMBLE OFFICIUM spielt Leonhard Lechner ein


Alte Musik ganz neu

Das Ensemble Officium widmet sich mit einer neuen Einspielung dem Renaissance-Komponisten Leonhard Lechner




cw. Für eine Stilgattung namens “Alte Musik”, klingt es ziemlich frisch. Seit ein paar Jahrzehnten erlebt die Musik aus der Zeit vor dem Barock im klassischen Musikbetrieb einen Boom. Zahllose Platteneinspielungen haben die Töne des 16. und 17. Jahrhunderts ins Blickfeld gerückt, wobei eine faszinierend-verschlungene Klangwelt zum Vorschein kam. 

Eine der führenden Gruppen dieser Szene ist das Ensemble Officium, das sich auf geistliche Musik der Renaissance spezialisiert hat. Der Solistenchor hat seinen Sitz in Tübingen, wo der Leiter der Gruppe, Wilfried Rombach, als Kantor an der katholischen Pfarrkirche St. Johannes wirkt.

Nach zahlreichen hochgelobten CD-Produktionen, die  sogar international für Aufsehen sorgten, hat sich Rombach mit seiner Gruppe jetzt einem Komponisten des 16. Jahrhunderts zugewandt, der enge Verbindungen zu Hechingen und Stuttgart hatte. Leonhard Lechner (1553 - 1606) gilt als einer der glänzensten Namen der deutschen Musikgeschichte der Renaissance. 

Geboren 1553 in Südtirol, kam Lechner zuerst als Sängerknabe nach Landshut, dann an die Münchner Hofkapelle, wo er Schüler des bedeutenden Komponisten Orlando di Lasso war. Nach einer Zeit in Nürnberg, kam er 1584 an den Hof des Grafen Eitelfriedrich von Hohenzollern nach Hechingen. Nach anfänglich harmonischer Zusammenarbeit muss es irgendwann zu einem Zerwürfnis zwischen dem Hofkapellmeister und seinem Patron gekommen sein. Im Sommer 1585 machte sich Lechner in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus Hechingen davon. Der Graf hatte sich wegen einer Reise gerade nicht am Hof aufgehalten. Lechner floh nach Tübingen auf württembergisches Terrain. Voller Wut setzte sein früherer Arbeitgeber, der Hechinger Zollerngraf, alle Hebel in Bewegung, um eine neuerliche Verpflichtung von Lechner anderswo in höfischen Diensten zu verhindern. Trotzdem fand Lechner schließlich an der Hofkapelle in Stuttgart eine Anstellung, wenn auch am Anfang nur als Tenorsänger, was eigentlich unter seinem Rang war. Erst nach zehn Jahren Dienst wurde er vom württembergischen Herzog 1595 zum Hofkapellmeister ernannt.

Im Mittelpunkt der neuen Einspielung des Ensemble Officium, die auf dem Label Christophorus erschienen ist, stehen zwei Werke geistlicher Festmusik, die Lechner 1582 in Nürnberg komponiert hatte. Eines der Werke schrieb er für die Hochzeit der Nachkommen zweier reicher Kaufmannsfamilien. Diese Messe war opulent gehalten und darauf ausgelegt, der Vermählung den nötigen Glanz zu verleihen. Noch aufwendiger ist das 24-stimmige Werk ‘Quid Chaos’ gehalten, das von drei je achtstimmigen Chören in Szene gesetzt wird, die bei Aufführungen im 16. Jahrhundert oft an unterschiedlichen Stellen im Kirchenraum positioniert waren. Dadurch sollte  ein besonders intensiver Raumklang erzeugt werden – eine Art Surround-Sound des 16. Jahrhunderts.



Rombach gelingt es mit dem Ensemble Officium die Werke in ihren ganzen Pracht aufleben zu lassen. Er hat dazu nicht nur eine Reihe höchstkompetenter Vokalisten herangezogen, sondern sich darüber hinaus der Unterstützung des Instrumentalensembles Gabinetto Armonico versichert. Mit Renaissance-Posaunen, historischen Holztrompeten und einem Dulzian (einem Vorläufer des Fagotts) fügen die Musiker interessante Klangfarben hinzu und geben der Musik mehr Fülle und Wucht.

Eine solch aufwendige Produktion mit so vielen Beteiligten heute zu realisieren, ist alles andere als ein Kinderspiel. Allein die Terminkalender von 24 professionellen Sängern und Sängerinnen auf einander abzustimmen, kann zum Alptraum werden, von den finanziellen Erfordernissen ganz zu schweigen. Rombach hat das dadurch gelöst, dass immer wenn ein paar reguläre Konzerte mit dem Ensemble anstanden, er noch einen Aufnahmetermin anhängte. Dann versammelten sich meistens die Sänger und Sängerinnen um die Mikrofone in der Mössinger Peter und Pauls-Kirche - wegen ihrer exzellenten Akustik. Draußen stand dann ein Aufnahmewagen des SWR und schnitt mit, wobei man sich Sequenz für Sequenz durch das jeweilige Werk arbeitete. Entstanden ist ein faszinierendes Zeugnis früher Klangkunst, das Leonhard Lechner und dem Ensemble Officium alle Ehre macht.

Ensemble Officum / Wilfried Rombach:
Leonhard Lechner- »Geistliche Festmusik 1582« / Missa Domine, Dominus Noster & Motetten (Christophorus Records)



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