Wednesday 27 May 2015

Nachruf: Jazzdrummer JEROME COOPER

JEROME COOPER (1946 - 2015)

cw. Ich hatte Jerome Cooper Mitte der 80er Jahre bei meinen jährlichen Reisen nach New York getroffen. Ich kannte seine Solo-LPs bereits, die wunderbare und ganz eigenständige Aufnahmen einer vielschichtigen Perkussionsmusik waren. Dazu kamen die Alben mit dem Revolutionary Ensemble – jedes für sich ein starkes Statement! Auch tauchte er auf Alben von Roland Kirk, Cecil Taylor und anderen auf. In einer ebenerdigen Wohnung auf der Lower East Side, wo Labelbetreiber John Mingione von Anima Records wohnte und von wo aus er seine winzige Plattenfirma betrieb, hing Cooper häufig herum. Dort traf ich ihn. Die Kontrabassistin Joelle Leandre kam auf eine Stippvisite vorbei. John Mingione verdiente seinen Lebensunterhalt mit einem Blumengeschäft am Flughafen (vielleicht war es JFK), wo Cooper, wenn er keine Gigs und kein Geld mehr hatte, als Blumenverkäufer arbeitete. Ich verabredete mich mit ihm in seinem Loft zu einem Interview (mein Adressbuch gibt ‘177 Franklin Street, Bell 4’ an). Dort stand sein Schlagzeug und die anderen Perkussionsinstrument. Er war damals psychisch nicht gerade in guter Verfassung - seine “Lady” hatte ihn gerade verlassen. Cooper spielte mir neue Aufnahmen vor, bei denen er außer dem Schlagzeug und seinem Balafon, noch eine Art primitiven Synthesizer/Sampler einsetzte, was mir gar nicht gefiel. Für mich hörte sich das an, als ob er seinen brillanten akustischen Set mit billiger Elektronik zerstören würde. (Der Meinung bin ich bis heute)

Zusammen mit der Schlagzeugerin Robyn Schulkowsky, die in München ein Schlagzeugfestival ausrichtete, holten wir ihn im folgenden Jahr für ein paar Konzerte nach Deutschland. Er trat in meiner Heimatstadt Balingen in der kleinen Siechenkirche auf. Doch der Live-Gig überzeugte nicht, ließ die Disziplin der Schallplattenaufnahmen vermissen. Cooper war mürrisch, hing in seinem Hotelzimmer rum, die Fenster offen und rauchte viel Dope. Er machte mir Vorhaltungen, weil er die Gage für zu niedrig empfand (immerhin erhielt er 500 DM plus Hotel und Verpflegung). Er meinte “Musiker der Neuen Musik” würden ein Mehrfaches verdienen – in diese Richtung wollte er gehen, was ich für illusorisch hielt.

Ein paar Tage später fuhr ich ihn dann mit meinem kleinen Renault 4 nach Wiesbaden zum nächsten Auftritt. Er setzte den Kopfhörer seines Walkmans auf und sprach während der langen Fahrt nicht mehr viel. Der Auftritt – eine Art Mitternachtskonzert -  fand bei heftigstem Regen in einem großen Konzertzelt statt – kaum Publikum, deprimierende Kulisse. Der Regen trommelte mächtig aufs Zeltdach. (Der Mixer schnitt den Gig mit, irgendwo müsste ich noch eine Cassette davon haben.) Am nächsten Tag trat Cooper in Wuppertal bei Peter Kowald auf, und war – wie mir Peter später mitteilte - weiterhin mißmutig und schlechter Laune. Mit einem Konzert im ‘Bunker’ in Bielefeld schloß die Tour ab.

Ich hörte ein paar Jahre später noch einmal von ihm. Er rief mich an, sagte, dass er eine Reise nach Asien plane, und ob ich - quasi als Zwischenstation - nochmals ein Konzert organisieren könnte. Ich winkte ab. Mir war die Lust vergangen. Doch hatte ich natürlich nunmehr die Scheinwerfer an und verfolgte seine weiteren Aktivitäten genau, die spärlich genug waren. Er schickte mir sein exzellentes Quintett-Album (mit u.a. William Parker am Bass und Joseph Jarman, Saxofon und Jason Hwang, Violine), das ich für die Fachpresse besprach. Das Comeback-Album des Revolutionary Ensembles überzeugte gleichfalls, seine Solo-CD auf Mutable Music weniger - wieder ging mir die schwülstige Elektronik gegen den Strich. Als ich 2012 abermals in New York war, traf ich bei einem Umtrunk den Labelbetreiber von Pi Recordings, Yulun Wang. Sein Label hatte das Comeback-Album des Revolutionary Ensembles veröffentlicht. Yulun erzählte, dass Jerome Cooper bettelarm irgendwo auf der East Side unter schlimmen Verhältnissen in einem besetzten und völlig heruntergekommenen Wohnblock leben würde. Mehr wisse er auch nicht. Das war das letzte Zeichen, dass ich von Jerome Cooper hatte. Jetzt lese ich, dass er in Brooklyn im Alter von 68 Jahren gestorben ist. Seine wunderbare Musik bleibt uns erhalten.

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