Jazz als Weltmusik
Das SWR-NewJazz-Meeting war in Tübingen zu Gast
cw. Jazz war von Anfang an ein Stil, der sich aus vielerlei Quellen speiste. Seit den 1960er Jahren hat der Jazz Einflüsse traditioneller Musik aufgenommen, ob afrikanische Trommelrhythmen, indische Raga-Klänge oder brasilianische Samba- bzw. Bossa Nova-Tänze. Diese Öffnung zur „Weltmusik“ wurde maßgeblich vom „Jazzpapst“ Joachim Ernst Behrendt beim Südwestfunk in Baden-Baden angestoßen. Durch die zunehmende Globalisierung haben sich solche Vermischungen in den letzten Jahrzehnten weiter intensiviert: Heute ist nahezu jeder Jazzer auch irgendwie als Weltmusiker unterwegs.
Diesen Trend spiegelte die SWR-NewJazz-Session dieses Jahr auf eindrucksvolle Weise wider. Zum 51. Mal trafen sich Musiker verschiedenster Herkunft, um eine Woche lang im SWR-Studio in Baden-Baden ein gemeinsames Programm zu erarbeiten, das dann in drei Konzerten in Tübingen, Karlsruhe und Mannheim der Öffentlichkeit präsentiert wird. Unter der Überschrift „Man trinkt Lumumba“ führte dieses Jahr der österreichische Kontrabassist Lukas Kranzelbinder Regie, der gerade mit seiner Band „Shake Stew“ für ziemlich Furore sorgt. Der Titel nimmt auf den afrikanischen Freiheitskämpfer Patrice Lumumba aus dem Kongo Bezug, nach dem bizarrer Weise ein österreichischer Schokoladen-Drink benannt ist. Kranzelbinder lud fünf Musiker und einen wortstarken Poeten zum gemeinsamen Auftritt ein, was einer Neuauflage des altbekannten „Lyrik & Jazz“-Konzepts gleich kam.
Neben typischen Jazzinstrumenten wie Saxofon, Trompete, Klarinette, Kontrabaß und Schlagzeug kamen exotische Klangerzeuger zum Einsatz, wie die arabische Laute Oud (gespielt von Gregory Dargent) oder die Guembri, eine nordafrikanische Kastenhalslaute, die Kranzelbinder bei den trancehaften Zeremonien der Sufi-Bruderschaft der Gnawa in Tanger kennengelernt hatte und die er wie eine Baßgitarre spielt.
Oft bildete ein einfaches Riff auf der Guembri den Ausgangspunkt für einen treibenden Groove, den der englische Drummer Dave Smith mit Wucht in Szene setzte. Über diesem federnden Fundament entfalteten die Melodieinstrumente ihre Monologe und Konversationen, in deren Verlauf sich Mario Rom als fantasievoller Fabulierer und hochkarätiger Techniker auf der Trompete erwies, dem die iranische Klarinettistin Mona Matbou Riahi und der Berliner Saxofonist Johannes Schleiermacher kaum nachstanden.
Für außergewöhnliche Akzente sorgte der Schriftsteller Fiston Mwanza Mujila aus dem Kongo, der in Graz lebt und sich mit Versen, Wortkaskaden und Kehllauten stimmmächtig ins Geschehen einbrachte, was an die Beat-Poeten der 1950er Jahre erinnerte, die damals bereits ihre Verse zu den Klängen einer Jazzcombo herausschleuderten. Vom Publikum mit viel Applaus bedacht, konnte die SWR NewJazz Session diesem bekannten Modell neue Seiten abgewinnen.
Die Konzertbesprechung erschien zuerst im Schwarzwälder Bote, große Tageszeitung in Südwestdeutschland
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