Zufallstänze
Aruán Ortiz hat mit Don Byron ein Duo-Album aufgenommen – „universelle Musik“ schwebt den beiden vor
cw. Im diesjährigen Kritikerpoll des Down Beat hat sich Aruán Ortiz in der ‘Rising Star’-Kategorien mittlerweile in die Spitzengruppe vorgearbeitet. Man nimmt ihn wahr, den kubanisch-amerikanischen Pianisten! Seit er beim Schweizer Intakt-Label unter Vertrag ist, hat seine Musik an Brennschärfe und Farbigkeit gewonnen. Jetzt hat er mit dem Großmeister der Jazzklarinette, Don Byron, der sich inzwischen auch virtuos auf Tenorsaxofon und Baßklarinette in Szene setzt, ein Album eingespielt: feinfühlige Musik, die die Kategorie Jazz weit hinter sich läßt.
Don Byron wird im November 60. Sie sind 45. Sie beide gehören verschiedenen Generationen an. Wie kam das Duo zustande?
Aruán Ortiz: Don Byron war lange auf meinem Radar. Ich kannte seine Alben, hörte seine Musik, verfolgte seine Karriere. Mir imponierte, was für ein ungeheuer vielfältiger Musiker er ist. Ich hatte das Gefühl, dass wir künstlerisch eine ähnliche Vision verfolgen. Er schreibt fantastische Kompositionen. Dann spielte ich mit dem Drummer Ralph Peterson jr. zusammen, der auch mit Don Byron arbeitet. Er ist auf dem Album „Music for Six Musicians“ zu hören, das mich sehr beeindruckt hat. Es strahlt die Wärme eines Old-School-Jazz-Albums aus, daneben sind die Einflüsse klassischer Musik zu spüren, und gleichzeitig versprüht es die Gelassenheit lateinamerikanischer Musik, was mich als Kubaner natürlich elektrisierte. Don Byron ist ein umfassend gebildeter Musiker, eine äußerst faszinierende Persönlichkeit. Über Peterson kam dann ein Kontakt zustande. Ich fragte Don Byron, ob ich Komposition bei ihm studieren könnte, was auch geschah. Ich brachte ein paar Partituren mit, wir beschäftigten uns damit. Er hörte sich meine CDs an und holte mich dann in sein Quartett. Wir absolvierten eine Europa-Tournee zusammen. Seither ist der Kontakt nicht abgerissen. Wir fühlten, dass wir auf der selben Wellenlänge lagen, weil wir beide über die üblichen Barrieren des Jazz hinaus wollen. Wir gaben dann ein Konzert hier in New York als Duo, das sehr gut verlief, und daraus hat sich eine Freundschaft entwickelt. Langsam ist die Idee für ein Duo-Album gereift, was nur ein logischer Schritt war.
Die Titelliste des Albums spiegelt eine große Vielfalt wider. Neben Kompositionen von Don Byron und von ihnen gibt es Bach und Ellington, aber auch ein Stück des katalanischen Komponisten Federico Mompou. Wie kam es dazu?
Aruán Ortiz: Ich habe vor Jahren in Spanien Klavier studiert und kam dabei in Berühung mit dem Werk von Federico Mompou (1893-1987), einem Außenseiter-Komponisten, der dezente, unaufdringliche Musik schrieb, beeinflußt von Erik Satie und Claude Debussy. Sein Ansatz hat mich fasziniert. Vor allem sein bekanntestes Stück „Musica Callada“ war eine Offenbarung für mich, das ich seit langem in meinem Repertoire habe. Als ich mich mit Don Byron zusammensetzte und wir über eine Titelliste diskutierten, wurde schnell klar, dass wir kein Jazzalbum machen wollten, sondern ein Album mit universeller Musik, die keine Grenzen kennt. So ist auch unser Selbstverständnis als Musiker, die sich von keinerlei Schranken und Kategorien mehr einschränken lassen wollen. Deswegen hat jeder von uns eigene Stücke eingebracht und Fremdkompositionen vorgeschlagen, egal aus welcher musikalischen Gattung sie auch stammten. Don Byron hat sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Werk von Johann Sebastian Bach beschäftigt, weshalb die „Violin Partita No. 1 in B minor, BWV 1002“ auf dem Album gelandet ist. Er spielt das Violinenstück als Solo auf der Klarinette – atemberaubend! Von mir kam der Vorschlag Mompou dazuzunehmen, den Byron nicht näher kannte, der ihn aber sofort faszinierte.
Die „Musica Callada“ ist ein Zyklus von Klavierstücken von Mompou. Sie spielen das Werk im Duo mit Piano und Klarinette. Wie kam das Arrangement zustande?
Aruán Ortiz: Da ich das Stück vorgeschlagen habe, brachte ich ein Arrangement mit, das wir dann während der Proben weiter verfeinert haben, damit die Interpretation dem Geist der Komposition entsprach. „Musica Callada“ bedeutet soviel wie schweigsame Musik. Um das ging es uns, eine solche Atmosphäre einzufangen.
Dem steht eine Komposition von Duke Ellington gegenüber….
Aruán Ortiz: Ja, Ellington ist ein Idol von Don und mir. Wir haben seine Komposition „Black and Tan Fantasy“ ausgewählt, weil die ja auch von Thelonious Monk gespielt wurde. Und Monk ist einer meiner Favoriten, was das Jazzpianospiel betrifft, weshalb es wunderbar war, mit Don Byron dieses Stück zu erarbeiten. Auf was es uns ganz generell ankam, war, diese wunderbaren Melodien zum Leuchten zu bringen. Dabei kümmerten uns keinerlei Konventionen, die uns sagen wollen, wie man diese Musik „richtig“ spielt. Nonsense! Wenn es wie großartige Musik klingt, liegt man richtig.
Aruán Ortiz & Don Byron: Random Dances and (A)Tonalities (Intakt)
Das Interview erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift JAZZTHETIK (jazzthetik.de)
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