Wednesday, 14 September 2022

Tobias Hoffmann – Popklassiker neu interpretiert

Stehblues

Tobias Hoffmann bittet zum Tanz und liefert mit seinem neuen Album die Musik dazu: „Slow Dance“ enthält Popklassiker von Cream bis Bruce Springsteen 


Foto: Thomas Löllmann

 


„Standards“ zu spielen, ist im Jazz eine beliebte Praxis. Tobias Hoffmann hat nach zwei Alben mit Evergreens aus Jazz, Blues und Pop jetzt ein Album vorgelegt, das (fast) ausschließlich Popklassiker enthält. Der Kölner E-Gitarrist kehrt in seine Jugend zurück, indem er Songs von Cream, The Doors, Bruce Springsteen und Neil Young covert, wobei es sich nicht –  wie der Titel nahelegen könnte –  durchweg um langsame Nummern handelt, im Gegenteil: Bei manchen Titeln legt Hoffmanns Trio noch einen Zacken zu.

 

In der Vergangenheit stand Popmusik bei Jazzern nicht gerade hoch im Kurs. Woher kommt ihr Interesse an Pop?

 

Tobias Hoffmann: Ich sehe mich nicht unbedingt als reinen Jazzgitarristen, sondern habe Interesse an verschiedenen Stilen und deren Mischungen. Alle Songs, die wir spielen, mag ich auch im Original. Mein Trio ist eine Art Jamband, die sich diese Klassiker vornimmt und versucht, ihnen neue Seiten abzugewinnen. Charlie Parker hat nichts anderes gemacht: Er hat alte Melodien, also Gassenhauer, genommen und in seinem Stil gespielt, sei es „How high the moon“ oder „All the things you are“. Mittlerweile hat sich auch im Jazz die Einstellung gegenüber Popmusik gewandelt. In der Szene, in der ich mich bewege, wird keineswegs die Nase über Pop gerümpft. Die Musiker sind reifer und ehrlicher geworden, viele bewegen sich in mehreren Genres ohne sich viele Gedanken darüber zu machen. Man hat auch keine Scheu mehr, einmal etwas Schönes oder Simples zu spielen. Einfaches zu spielen, ist eine Herausforderung, die nicht ohne Risiko ist. Die Gratwanderung, die ich mit meinem Trio unternehme, verläuft zwischen schön, aber noch nicht kitschig, wobei ich der Meinung bin: Man muss auch Kitsch wagen!


Foto: Thomas Löllmann


Geht damit eine Rehabilitierung der Melodie einher, die ja im Jazz lange Zeit verpönt war?

 

Tobias Hoffmann: Die Zeiten haben sich geändert. Was einst verschrien waren, wird heute geschätzt. Bei diesem Projekt ist viel Biographisches im Spiel, weil die Songs, die wir interpretieren, ja wirklich die Lieblingslieder sind, die ich in meiner Kindheit und Jugend gehört habe. Meine Vorbilder Bill Frisell oder John Scofield haben ähnliches getan und immer wieder populäre Songs aus allen möglichen Stilen aufgegriffen. Frisell hat Countrymusik neu interpretiert, womit ich mich identifizieren kann, da mein Vater Pedal-Steel-Gitarre in einer Countryband spielte, bei deren Auftritten, ob bei Stadtfesten oder in Restaurants, ich oft dabei war. Ich habe diese Musik von klein auf absorbiert. Auch standen bei uns zuhause Beatles- und Cream-CDs in Regal, dazu viel Blues. Über Gary Moore kam ich zu den Blues-Altmeistern Albert Collins, Albert King und B.B. King. Und mit Robben Ford, Mike Stern und John Scofield bin ich dann zum Jazz gekommen. Und plötzlich habe ich nur noch Miles Davis und John Coltrane gehört.


Sie spielen die Popsongs nicht detailgetreu nach, sondern interpretieren sie neu. Was ist ihre Herangehensweise?

 

Tobias Hoffmann: Wir gehen improvisatorisch an die Songs heran. Wenn wir uns einen Titel vornehmen, versuchen wir ihn zu Beginn ohne große Vorgaben zu spielen. Wir jammen und sehen dann, in welche Richtung es geht und was wir daraus machen können. Mit der Zeit kristallisiert sich eine Form heraus, die bei Konzerten recht offen ist, die wir im Studio aber etwas verbindlicher festgeschrieben haben. Doch generell ist die Musik erimprovisiert.


Gibt es einen speziellen Gitarrensound, der ihnen vorschwebt?

 

Tobias Hoffmann: Ich mag den Fender-Sound. Ich spiele verschiedene Fender-Gitarren mit Fender-Amps, um einen klaren, drahtigen Sound mit viel Transparenz zu erreichen, der manchmal leicht angezerrt ist.  


'Slow Dance'-Teaser, youtube


 

Wie kamen sie als Jazzgitarrist überhaupt auf die Idee, Popklassiker zu covern?

 

Tobias Hoffmann: Die Gitarrentradition im Jazz war ausschlaggebend. Nach Charlie Christian spielten Gitarristen ja erstmal keine groß innovative Rolle mehr. Trotzdem gab es unheimlich feine Musiker, die sich im Grenzbereich von Jazz und Pop bewegten. Barney Kessel hat etwa neben seiner Tätigkeit als lupenreiner Jazzgitarrist auch als Studiomusiker bei Popproduktionen mitgewirkt, genauso wie Mickey Baker, der zwei einflussreiche Lehrbücher über Jazzgitarre schrieb, aber auch im Popbereich tätig war und mit "Love is Strange" sogar einen Hit hatte. Im Jimmy Guiffre Trio, das schon damals für eine tolle Verbindung von Jazz, Blues und Folk stand, spielte Jim Hall Gitarre, der auf Paul Desmonds Album "Desmond Blue" mit extrem schnulzigen Streichern durch einen wunderbaren Sound besticht. Apropos Streicher: Selbst Wes Montgomerys Popmusik-Alben mit Geigen hatte einen Einfluß auf mich. Eine wunderbare Gitarrenplatte ist außerdem „Moonlight in Vermont“ des Jazzgitarristen Johnny Smith von 1956. Nicht zu vergessen Kenny Burrell, der sich sehr bluesig geben konnte, während jemand wie der Blueser T-Bone Walker immer leicht jazzig klang. Summa summarum bedeutet das: Jazzgitarristen waren immer recht vielseitig und näher an der Popmusik dran. Daran knüpfe ich an. Wenn ich jetzt Popsongs instrumental spiele, sehe ich mich in der Rolle des Sängers und empfinde unsere Musik als ziemlich tanzbar, selbst wenn es eher Stehblues ist. 

 

 

Tobias Hoffmann Trio: Slow Dance (Klaeng) 

 

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