Saturday, 10 September 2022

Kaja Draksler mit neuem Soloalbum

Im Inneren des Klaviers 

Kaja Draksler über ihr neues Soloalbum

 

Im Alter von vier Jahren fing Kaja Draksler mit dem Musikmachen an. Ihr erstes Instrument war ein Spielzeugklavier an, das ihr die Eltern gekauft hatten. Sie zeigte Talent und trat in die Musikschule ihres Heimatdorfs in Slowenien ein. Als Teenager gründete sie eine Rockband, spielte aber auch die Orgel in der Kirche. In Lubliana ging sie dann in der Oberstufe neben dem Gymnasium nachmittags auf eine Jazzschule, bevor sie im niederländischen Groningen Jazzpiano studierte, um in Amsterdam noch ein Kompositionsstudium anzuhängen. In den letzten Jahren hat sich Draksler vor allem mit ihrem eigenen Ensemble sowie der Gruppe Punkt.vrt.Plastik mit Petter Eldh (Baß) und Christian Lillinger (Schlagzeug) einen Namen gemacht als eine der interessantesten Pianistinnen des modernen Jazz.

 

 

Sie haben garde ein Soloalbum mit dem Titel „In Otherness Oneself“ veröffentlicht. Was war die Idee dahinter?

 

Kaja Draksler: Ich wollte mit dem Album unterschiedliche musikalische Welten erkunden. Ich wollte mit verschiedenen Klangmaterial arbeiten und habe mich also bewußt bei jedem einzelnen Stück auf ein spezielles Klangmaterial beschränkt, das ich ausloten wollte. Ich bewegte mich also bewußt bei jedem Stück in einer ganz speziellen Klangwelt und vermied, weit darüber hinauszugehen. Jedes Stück sollte also seine eigene Sprache haben. Die meisten Stücke sind Kompositionen, die ich im voraus entworfen habe. Es gibt aber auch ein paar Improvisationen, bei denen ich ebenfalls versuchte, im vorgegebenen Rahmen zu bleiben.

 

Das Eröffnungsstück beginnt mit der Zuspielung einer Stimme. Was hat es damit auf sich?

 

Kaja Draksler: Dieses Stück hatte ich ursprünglich für mein Oktett geschrieben. Die eingeblendete Stimme ist die des amerikanischen Poeten Robert Frost, der eines seiner eigenen Gedichte rezitiert. Die Stimmen, die man am Ende des Stücks hört, sind die Stimmen der beiden Sängerinnen meines Oktetts. Ich verwende außerdem kleine Speziallautsprecher, die nur einen Klang von sich geben, wenn sie an einen größeren Gegenstand angeheftet werden. Diese Lautsprecher habe ich im Inneren des Klaviers angebracht und wenn ich eine Zuspielung mache, hört sich das so an, als ob der Klang vom Piano stammen würde. 

 

Auf dem dritten Stück des Albums „Prst, roka, laket“ ist ein anderer verblüffender Klangeffekt zu hören, jeder angeschlagene Pianoton klingt wie ein rassendes Stakkato....

 

Kaja Draksler: Dieser Effekt ist dem Mini-Keyboard geschuldet, bei dem ich mit der Funktion des „Arpeggiators“ arbeite. Das Stück wird sowohl mit dem akustischen Piano als auch mit einem kleinen Keyboard realisiert. Es ging mir dabei darum, die digitale Welt in mein Spiel einzubauen, wobei ich das Keyboard generell vor allem dazu verwende, mit Vierteltönen zu arbeiten. Ich bin an dieser Art von Mikrotonalität interessiert, um das temperierte Tonsystem zu erweitern.




 

Hat dieses Interesse in Mikrotonalität damit zu tun, dass das Klavier ja ein tonal sehr festgelegtes und sogar starres Instrument ist. Mit einem Saxofon oder einer Violine kann man Vierteltöne erzeugen, ein normales Klavier ist dagegen im wohltemperierten System gestimmt....

 

Kaja Draksler: Ja, für Pianisten ist das eine Frustration. Wir wollen das starre System der Tastatur überwinden und zwischen die Noten im Halbtonabstand gelangen. Für diesen Zweck verwende ich ein kleines Keyboard, um diese vielen ungehobenen Klangfarben ans Tageslicht zu fördern. Da gibt es so viele ungenutzte Möglichkeiten in der Welt der Mikrotöne: Intervalle mit Mikrotönen, Akkorde mit Mikrotönen usw. Schon vor 100 Jahren haben der tschechische Komponist wie Alois Hába Vierteltonklaviere entworfen. Manche Pianisten spielen heute mit zwei Flügeln, wobei das eine Instrument in Vierteltönen gestimmt ist. Ich verwende stattdessen das kleine Keyboard, was viel praktischer ist als mit einem eigenen auf Vierteltöne gestimmten Flügel zu reisen.

 

Wie halten Sie sich technisch fit?

 

Kaja Draksler: Ich übe regelmäßig, ich muß, sonst kann ich meinen musikalischen Standard nicht halten. Wenn ich nicht übe, verliere ich unweigerlich an Fähigkeiten. Und eigentlich übe ich gerne. Es trägt zur Entspannung bei, zu meinem geistigen Wohlbefinden. Wenn ich auf Tournee bin oder komponiere, ist es schwierig, die täglichen Übungspraxis beizubehalten. Ich übe mit klassischer Musik, obwohl ich nicht damit auftrete, spiele viel Bach, auch Chopin. Das sind gute Übungen.

 

Entwickeln sich die Kompositionen am Klavier aus der Übungspraxis?

 

Kaja Draksler: Eher selten. Ich setze mich eher hin und denke über eine Idee nach, die sich dann in einem Stück manifestiert. Komponieren ist ein schwieriges Geschäft. Wie komm ich auf eine Idee oder eine Idee zu mir? Schwer zu sagen. Manchmal übe ich mich im Komponieren. Ich nehme eine bestimmte Methode und entwickle systematisch ein Stück daraus. Manchmal entsteht dabei etwas Schönes. Das ist hilfreich, damit man sich nicht immer im Kreis um die gleiche Idee dreht. Diese Methode ist auch hilfreich für die Improvisation, damit man nicht in seinem eigenen Käfig gefangen bleibt. Es kann leicht passieren, dass man seine eigene Ausdrucksform entwickelt und dann kommt man davon nicht mehr los. Das gilt es zu vermeiden. Es geht darum, sein Spiel frisch zu halten. Darüber denke ich öfters nach. Es ist wichtig, länger mit Leuten in einer Band zu spielen, um gemeinsam etwas zu entwickeln. Andererseits ist es auch nötig, neue Musiker und Musikerinnen zu treffen, um neue Impulse zu erhalten. Das ist wesentlich für die musikalische Hygiene.




 

Wann empfinden Sie eine Komposition als geglückt?

 

Kaja Draksler: Wenn man das Stück mag. Es ist mehr ein Gefühl. Oft ist es schwierig genau zu benennen, was seine Qualität ausmacht. Wenn ich ein Ensemblestück schreibe, versuche ich es immer wieder zu analysieren. Ist es zu viel oder zu wenig? Was macht die Dynamik, wie steht es mit der Energie und dem Klangmaterial? Auf solche Fragen versuche ich die richtigen Antworten zu finden. Am Ende vertraue ich meiner Intuition.

 

Treten Sie gerne solo auf?

 

Kaja Draksler: Teils, teils. Es kann sehr einsam sein, allein unterwegs zu sein, aber dadurch, dass man alleine ist, trifft man auch viel mehr Leute. Man kommt für ein Konzert an einen Ort, und, da die Leute wissen, dass du alleine bist, nehmen sie sich deiner viel mehr an. In etlichen größeren Städten kenne ich vielfach schon verschiedene Leute, was es einfacher macht. Es ist darüber hinaus eine große Herausforderung, allein ein Konzert zu bestreiten. Was die Energie betrifft, laugt es einen aus. Man ist auf sich völlig alleine gestellt. Man kann sich auch nicht hinter anderen Musikern verstecken, wenn man sich einmal nicht wohl fühlt, krank ist oder auch sonst nicht gut drauf ist. Dazu kommen die Knoten im Gehirn. Man ist mit seinen Ideen allein, ohne Imput von anderen Musikern. Man muss sich sehr stark konzentrieren und die Unterstützung des Publikums gewinnen. Es ist nicht mehr als du und das Publikum! Und wenn es dann los geht, dann kommt Adrenalien ins Spiel, dass dich im Ernstfall trägt, manchmal über eine ganze Tour, und kaum bist du zuhause, erfolgt der Kollaps.


Kaja Draksler: In Otherness Oneself (Unsounds)

 

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