Friday 30 September 2022

Scheibengericht: George Crumb – Black Angels

Scheibengericht 7:

Faszinierender Raum an Tönen

George Crumb: Black Angels – Music For A Summer Evening (Deauville Live)

Quatuor Hanson / Phillippe Hattat, Théo Fouchenneret, Emmanuel Jacquet, Rodolphe Théry (B Records) 


 

Wertung: 5 von 5

 

1970 machte George Crumb (1929-2022) mit seinem Streichquartett „Black Angels“ Furore. Von da an erregte der amerikanische Komponist immer wieder mit bemerkenswerten Werken Aufsehen, etwa mit „Makrokosmos“, einer Serie von vier Kompositionen, die zwischen 1972 und 1979 entstanden sind und Bezug auf Bartoks „Mikrokosmos“ nehmen. 

 

Beim Festival im belgischen Deauville kamen im Sommer 2021 diese beiden Crumb-Klassiker zur Aufführung. „Black Angels – Thirteen Images From A Dark Land“ wurde von einem der führenden französischen Streichquartette, dem Quatuor Hanson, aufgeführt, während „Makrokosmos III – Music For A Summer Evening“ von einem Quartett mit den Pianisten Phillippe Hattat und Théo Fouchenneret sowie den Perkussionisten Emmanuel Jacquet und Rodolphe Théry zu Gehör gebracht wurde.

 

Beide Werke stellen höchste Ansprüche an die Interpreten. „Makrokosmos III“ verlangt von den Musikern nicht nur, dass sie ihre Instrumente virtuos beherrschen, sondern sie müssen sich auch stimmlich einbringen, dazu eine Reihe obskurer Volks- und Novelty-Instrumente spielen, etwa eine tonstufenlose Plastikflöte oder eine Rätsche, die aus dem Kiefer eines Maultiers besteht. In ähnlicher Manier, doch auf ganz andere Art erweist sich „Black Angels“ als eine Wundertüte exquisiter Klänge, die durch allerlei unkonventionelle Spieltechniken erzeugt werden, kombiniert mit Lauten aus dem Rachenraum, pfeifen und dem Streichen eines großen Cymbals mit einem Geigenbogen.


 Quator Hanson



Das Werk, das aus drei größeren sektionen mit jeweils vier bis fünf Sätzen besteht, beginnt mit einem Schwarm „elektrischer Insekten“, der über den Hörer herfällt, sich wieder entfernt, erneut näher kommt, um dann plötzlich wieder zum Angriff überzugehen. Diese Bewegungen im Raum zeichnet Crumb durch extreme Ausschläge der Dynamik nach. Im nächsten Satz – Kontrastprogramm: Mit Flageoletts und Pizzicati sowie Vokalgeräuschen nimmt eine völlig andere Klangwelt Gestalt an, ein Wechselbad an Klängen, das sich in den elf weiteren, zumeist kurzen Stücken fortsetzt, die alle ein jeweils ganz eigenes Gepräge haben und zwischen brachial-laut und kaum hörbar oszillieren, wobei zweimal das Echo einer alten Tanzform (Pavane und Sarabande) anklingt. 

 

In „Makrokosmos III“ evoziert Crumb einen ähnlich faszinierenden Raum an Tönen. In diesem „kosmischen Drama“ (Crumb) in fünf Sätzen und einer Länge von ca. 40 Minuten verbindet Crumb mosaikartig die melodischen Linien und Toncluster zweier Klaviere (gelegentlich im Inneren gespielt) mit der Klangwelt eines beeindruckenden Arsenals an Perkussionsinstrumenten (u.a. Kesselpauken, Gongs, Cymbals, Xylofon, Klangstäbe, Röhrenglocken), wobei auch hier in Form von Bachs wohltemperiertem Klavier eine frühere Musikepoche kurz aufscheint. Derart kompetent in Szene gesetzt, klingen diese beiden Klassiker der amerikanischen Avantgarde auch heute noch so frisch und aufregend wie vor 50 Jahren. 


George Crumb: Black Angels – Music For A Summer Evening (Deauville Live)Quatuor Hanson / Phillippe Hattat, Théo Fouchenneret, Emmanuel Jacquet, Rodolphe Théry (B Records)


Quator Hanson: Black Angels, Thirteen Images from the Dark Land, Return: I. God-music (youtube)




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