Monday 27 March 2023

Soko Steidle mit Schlippenbach in Villingen

Vom Chaos zur Form 

Im Jazzclub Villingen sorgte die Berliner Gruppe Soko Steidle mit Alexander von Schlippenbach für Begeisterung

Fotos: Christoph Wagner

 

Als „Konzert des Jahres“ kündigte der Ansager den Auftritt der Formation Soko Steidle im Jazzclub Villingen an. Das Berliner Quartett, angeführt vom Schlagzeuger Oliver Steidle mit Rudi Mahall (Klarinetten), Henrik Walsdorff (Altsaxophon) und Jan Roder am Bass, vereint vier Spitzenkönner der deutschen Jazzszene. Als Gast hatten sie den fast 85jährigen Pianisten Alexander von Schlippenbach ins Boot geholt, ein Urgestein des modernen Jazz, der bereits in den frühen 1960er Jahren mit dem Manfred Schoof Quintett und später mit dem Globe Unity Orchestra für Furore gesorgt hatte.

 

Mit der aktuellen Tournee feiert die Steidle-Truppe ihr 20jähriges Bestehen, was in der kurzlebige Jazzszene ein doch recht respektables Alter für eine Gruppe ist. In dieser Zeit haben die Musiker zu einem Stil gefunden, der Elemente des modernen und avantgardistischen Jazz mit Einsprengsel eher traditionellen Formen wie Swing oder Boogie vereint. Dass Klarinettist Rudi Mahall ein leidenschaftlicher Verehrer von Duke Ellington ist, blitzte in seinem Spiel gelegentlich auf, wobei der Exzentriker Thelonious Monk auch bei den anderen Bandmitgliedern hoch im Kurs zu stehen scheint, was sich an der Freude am musikalisch Vertrakten und Verquerten zeigte.

 

Bei ihrem Auftritt in Villingen spannten die fünf den Bogen weit, wobei die Musik zwischen den Eckpunkten melodisch und disharmonisch, leise und aufbrausend sowie einfühlsam und brachial viele Varianten kannte. Oft mit spontanem Stegreifspiel beginnend, fanden die Improvisationen immer wieder aus dem Chaos zu Form und Struktur.


 

Vom Alter gebeugt am Klavier kauernd, ließ Avantgarde-Altmeister Schlippenbach mit Einwürfen aufhorchen, die seine Mitmusiker aufgriffen und weiterführten, um dabei ihrerseits wiederum frische Ideen ins musikalische Geschehen einzuspeisen. Daraus erwuchs ein kollektives Ensemblespiel, das am Ende zumeist in ein loses Arrangement mit einfacher Melodie und durchlaufendem Rhythmus mündete. Klarinettist Mahall begeisterte sich an schrillen Überblaseffekten, während Saxofonist Henrik Walsdorff einen weicheren Ton bevorzugte. Die Rhythmusgruppe sorgte für exaktes Timing und pendelte zwischen hektisch-rasanten und gemächlich-entspannten Tempi. Leider verrutschte der Musik in der zweiten Konzerthälfte manchmal etwas der Fokus, weshalb es am Ende fraglich schien, ob man wirklich dem „Konzert des Jahres“ beigewohnt hatte?  

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