Thursday, 30 March 2023

SCHEIBENGERICHT: Drummer Samuel Rohrer – zwischen Minimal Techno und Ambient

SCHEIBENGERICHT 13:

Samuel Rohrer 

Codes Of Nature  

(Arjunamusic Records; Vinyl / Digital) 

4 von 5 Sterne



Samuel Rohrer, 1977 in Bern geboren, ist über die Jahre von einem Jazzschlagzeuger zu einem Elektroniker im Kraftfeld zwischen Minimal Techno (der komplexeren Art) und Ambient Music geworden. Der Drummer, der bei Billy Brooks das Rhythmus-Handwerk gelernt hat, war anfangs mit den Pianisten Malcolm Braff oder Colin Vallon im zeitgenössischen Jazz unterwegs. Nach einem Umzug nach Berlin vor zwanzig Jahre hat er sich mehr und mehr ins Umfeld der Elektronik-Szene begeben, wo er mit Gruppen und Musikern wie Ambiq, Ricardo Villalobos, Tobias Freund, Dark Star Safari, Nils Petter Molvaer, Max Loderbauer oder Oren Ambarchi gearbeitet hat. Das färbt ab.  

Rohrer hat die verschiedensten Impulse aufgenommen und in ein Soloprojekt einfließen lassen, das ihn nun schon seit Jahren beschäftigt. Jetzt legt er mit „Codes of Nature“ sein viertes Solo-Album vor. Es enthält ein halbes Dutzend Stücke, die zwischen fünf und zehn Minuten lang sind. Überwiegend werden Rohrers Kompositionen von rhythmischen Ideen bestimmt und wären auf dem Dance- bzw. Chill-Out-Floor eines elektronischen Tanzclubs nicht völlig fehl am Platz, obwohl sie um einiges ausgeklügelter daherkommen. Mit dem Etikett IDM – Intelligent Dance Musik – wurde derart subtile Clubmusik in den 1990er Jahre versehen. 

Rohrer bleibt auch als Elektroniker immer Schlagzeuger. Er verwebt elektronische Klicks, Blobs und Piepstöne zu dichten Kreuz- und Gegenrhythmen und unterlegt sie mit mächtigen Bässen vom Synthesizer sowie prägnanten Schlagzeug-Beats, die an die repetitiven Schlagmuster der menschlichen Groove-Maschine, Jaki Liebezeit, in seinen späteren Jahren erinnern. 

Samuel Rohrer: Fourth Desnity (vom Album: Codes of Nature) youtube


Darüber, dazwischen und dahinter legt und schiebt er Partikel aus Elektronik-Sounds, verzerrten Stimmen und verquirllten Geräuschen, die sich gelegentlich zu rauschenden Sphärenmelodien verdichten, wobei sich das ganze komplexe Gebilde fortwährend unmerklich verändert und anders gruppiert. Rohrer entgrenzt seine One-Man-Band aus Laptop und Schlagzeug zu einem riesigen Xylophon- und Marimba-Orchester elektro-akustischen Zuschnitts.
 

Ruhiger fallen dagegen ein paar Stücke aus, die eher der Kategorie Ambient Music zuzurechnen sind und in der Tradition eines Aphex Twin und seinen Ambient Works stehen. Diese Musik ist luftiger gehalten und läßt den einzelnen Tönen mehr Raum. Wie im ewigen Auf und Ab der Gezeiten schwellen die Klänge an, um bald wieder zu verebben, wobei die Musik – rätselhafterweise – immer gleich bleibt und sich doch ständig verändert. 

Das Album-Besprechung erschien zuerst in der Zeitschrift JAZZTHETIK – für Jazz und anderes, Heft 3/4 2023

 

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