Bunte Klangvielfalt
Thärichens Tentett mit mächtigem Sound beim Jazzclub Singen im Kulturzentrum Gems
Fotos: C. Wagner
Wer heute im Jazz noch eine Bigband betreibt, muß ein verwegener Hasardeur sein. So könnte man das sehen, denn die Zeit der großen Jazzorchester ist längst vorbei. Heute dominieren kleinere Ensembles in der Jazzszene, was vor allem wirtschaftliche Gründe hat. Außer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kann sich heute kaum noch jemand den Unterhalt einer Jazzbigband leisten, weil das Publikum schlicht zu klein ist. Als Lionel Hampton mit seinem Orchester 1958 auf dem Stuttgarter Killesberg gastierte, strömten 4.000 Fans zu seinem Auftritt. Heute bringt keine Bigband auch nur annährend eine solche Zuschauermenge auf die Beine.
Ein paar wenige Bandleader stemmen sich gegen den Trend, so der Berliner Pianist, Komponist und Arrangeur Nicolai Thärichen (Jg. 1969), der es auf erstaunliche Weise fertig gebracht hat, eine kleine Bigband aus zehn Musikern 25 Jahre lang am Leben zu erhalten. Dem alleine schon gebührt Respekt – Chapeau!
Thärichens Tentett, das am Samstag beim Jazzclub Singen zu Gast war, besteht aus Musikern aus der ersten Liga des deutschen Jazz, alles Könner von beträchtlichem Format, die sowohl im punktgenauen Notenblattspiel glänzten, als auch in den Improvisationen punkten konnten. Für ein konsistentes Konzertprogramm sorgte der Bandleader, der dafür jeweils ein bestimmtes Thema wählt. Gemäß dem Titel „Liebe, Glück und Einsamkeit“ des neusten Albums der Band kamen Songs zur Aufführung, die diese Thematik von verschiedenen Seiten beleuchteten. Dazu gesellten sich Nummern aus früheren Alben, darunter der Beatles-Hit „Paperback Writer“, was insgesamt eine bunte Vielfalt aus Swing, Funk, Rock, modernem Jazz und Pop ergab. All das kam in der Gems zum Zuge und noch vieles mehr: Das Stück „Oh Solitude“ des englischen Renaissance-Komponisten Henry Purcell, das die Vorzüge der Einsamkeit preist, hat Thärichen ebenfalls für Jazzensemble eingerichtet. Außerdem diente ihm das Gedicht „Keepsake Mill“ des schottischen Schriftstellers Robert Louis Stevenson (1850-1894), Autor der „Schatzinsel“, für einen Liedtext.
Mit einem solch vielfältigen Programm gelang es Thärichens Tentett, die Vorzüge eines großen Jazzensembles voll zur Geltung zu bringen. Die Arrangements schillerten in vielen Farben und machten dabei von einer breiten Palette von eher ungebräuchlichen Instrumenten Gebrauch – von der Baßklarinette über die Alt-Querflöte bis zum Baritonsaxofon. Dazu kam die ungeheure Wucht, die ein voller Bläsersatz entfalten kann, wenn er unterstützt von einer formidablen Rhythmusgruppe in Aktion tritt. Diese Qualitäten sorgten für Begeisterung unter den zahlreichen Zuhörern und bescherten dem Jazzclub Singen ein weiteres hervorragendes Konzert.
Hörprobe:
Thärichens Tentett – Oh Solitude (Henry Purdell) youtube
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