Magier am Mischpult
Eine 4er-CD-Box gedenkt dem Studiozauberer
Conny Plank
cw. Einmal brachte er von draußen eine Grille
ins Studio. Er baute Mikrofone um das Insekt auf und forderte die Musiker auf,
zu den Zirp-Tönen zu improvisieren. Conny Planks Fantasie und
Experimentierfreude kannten keine Grenzen. Er war ein Alchemist der Töne. Als
Magier am Mischpult verwandelte er das Studio zum Soundlabor mit ungeahnten Möglichkeiten.
Kein Wunder, dass experimentelle
Rockgruppen, aber auch Popbands, Jazzmusiker und Schlagerleute, sich seiner
Künste versicherten. Plank produzierte die ersten Alben von Kraftwerk, auch die
Debut-LP der Scorpions, dazu Cluster und Neu!. Brian Eno kam nach Wolperath bei
Bonn in “Conny’s Studio”. Das machte den deutschen Toningenieur auch in
Großbritannien bekannt und zu einem gefragten Mann. Ob Ultravox, Devo, David
Bowie, Killing Joke oder die Eurythmics – alle wollten mit ihm arbeiten. In den siebziger und achtziger
Jahren avancierte Plank zu einem der stilprägenden Produzenten, der “Pop made
in Germany” als Markenzeichen auf der Weltkarte des internationalen
Musikbusiness’ etablierte.
In die Lehre war Plank bei der Avantgarde
gegangen. Im elektronischen Musikstudio von Karlheinz Stockhausen in Köln lernte
er Anfang der sechziger Jahre mit Tonbändern und Reglern umzugehen. Als die
Gruppe Kluster (später in Cluster umbenannt) 1970 ihr Debut-Album
“Klopfzeichen” aufnahmen, begegneten sie im Rhenus-Studio in Köln einem jungen
Toningenieur voller Lust auf Neues. “Conny Plank ließ uns jede Freiheit. Wir
konnten machen, was wir wollten. Er hatte eine Riesengeduld und hat alles mit
uns durchgezogen,” erinnert sich Dieter Möbius von Kluster.
Fotos: Stephan Plank
Studiozeit war teuer, normalerweise wurde
rund um die Uhr gearbeitet. Plank bevorzugte die Nachtschicht. Er nahm das
Ensemble des Freejazzers Alexander von Schlippenbach auf, dann das Debutalbum
der amerikanischen Gruppe Sweet Smoke, die damals in Deutschland lebte. Für die
Aufnahmen der ersten LP von Kraftwerk setzte Plank kein normales Drumset ein,
sondern schleppte ein Kinderschlagzeug an. “Es wurde viel ausprobiert,” erinnert
sich Klaus Löhmer, damals sein Assistent. “Das ‘Phasing’ war seine Spezialität.
Man ließ zwei Bandmaschinen parallel laufen und bremste dann die eine mit der
Hand ein bißchen ab, wodurch feine Schwebungen entstanden.”
1974 hatte Plank genug Geld gespart, um auf
eigenen Beinen zu stehen. Mit seiner Lebensgefährtin, der Schauspielerin
Christa Fast, richtete er im Weiler Wolperath-Seelscheid bei Bonn sein eigenes Studio
ein - im ehemaligen Schweinestall eines Bauernhofs. Fünfzehn Jahre lang wurden
hier spannende Produktionen realisiert.
Herbert Grönemeyer pflegt seit längerem
eine Vorliebe für die Eskapaden der frühen deutschen Rockmusik. Auf seinem Grönland-Label
hat er Alben der Gruppe Neu wiederveröffentlicht und eine ‘Live’-Aufnahme von
Harmonia herausgegeben. Jetzt setzt er mit einer Box von vier CDs Conny Plank
ein Denkmal, der 1989 verstarb. Dabei sind viele, mit denen Plank gearbeitet
hat: Neu, Cluster, Brian Eno, die Eurythmics, auch La Düsseldorf und D.A.F.
Andere fehlen: Kraan, Exmagma, Ultravox, David Bowie sowieso. Eine CD mit
Remixen holt frühe Tracks in die Gegenwart und auf der vierten Scheibe ist ein
Konzertmitschnitt von Plank aus dem Jahr 1986 enthalten, der die Schnittstelle
zwischen Pop und avantgardistischer Elektronik auslotet. Beim Hören wird klar: Immer
wieder von Neuem riß Conny Plank den Horizont weit auf.
Who’s That Man – A Tribute To Conny Plank
(Grönland)
Der Artikel erschien zuerst in der NZZ.
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