Thursday, 18 July 2013

Magier am Mischpult: CONNY PLANK


Magier am Mischpult

Eine 4er-CD-Box gedenkt dem Studiozauberer Conny Plank


 cw. Einmal brachte er von draußen eine Grille ins Studio. Er baute Mikrofone um das Insekt auf und forderte die Musiker auf, zu den Zirp-Tönen zu improvisieren. Conny Planks Fantasie und Experimentierfreude kannten keine Grenzen. Er war ein Alchemist der Töne. Als Magier am Mischpult verwandelte er das Studio zum Soundlabor mit ungeahnten Möglichkeiten.

Kein Wunder, dass experimentelle Rockgruppen, aber auch Popbands, Jazzmusiker und Schlagerleute, sich seiner Künste versicherten. Plank produzierte die ersten Alben von Kraftwerk, auch die Debut-LP der Scorpions, dazu Cluster und Neu!. Brian Eno kam nach Wolperath bei Bonn in “Conny’s Studio”. Das machte den deutschen Toningenieur auch in Großbritannien bekannt und zu einem gefragten Mann. Ob Ultravox, Devo, David Bowie, Killing Joke oder die Eurythmics – alle wollten  mit ihm arbeiten. In den siebziger und achtziger Jahren avancierte Plank zu einem der stilprägenden Produzenten, der “Pop made in Germany” als Markenzeichen auf der Weltkarte des internationalen Musikbusiness’ etablierte.

Den Startschuß hatten Jimi Hendrix, die Beatles und Pink Floyd gegeben. Ihre Alben in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre revolutionierten die Vorstellungen von den Möglichkeiten des Studios. Davon ließ sich Plank inspirieren. Er erkannte im Tonstudio nicht mehr nur einen Ort purer Musikdokumentation, sondern ein Instrument im kreativen Prozeß.

In die Lehre war Plank bei der Avantgarde gegangen. Im elektronischen Musikstudio von Karlheinz Stockhausen in Köln lernte er Anfang der sechziger Jahre mit Tonbändern und Reglern umzugehen. Als die Gruppe Kluster (später in Cluster umbenannt) 1970 ihr Debut-Album “Klopfzeichen” aufnahmen, begegneten sie im Rhenus-Studio in Köln einem jungen Toningenieur voller Lust auf Neues. “Conny Plank ließ uns jede Freiheit. Wir konnten machen, was wir wollten. Er hatte eine Riesengeduld und hat alles mit uns durchgezogen,” erinnert sich Dieter Möbius von Kluster.


                                                                                                                                      Fotos: Stephan Plank
Studiozeit war teuer, normalerweise wurde rund um die Uhr gearbeitet. Plank bevorzugte die Nachtschicht. Er nahm das Ensemble des Freejazzers Alexander von Schlippenbach auf, dann das Debutalbum der amerikanischen Gruppe Sweet Smoke, die damals in Deutschland lebte. Für die Aufnahmen der ersten LP von Kraftwerk setzte Plank kein normales Drumset ein, sondern schleppte ein Kinderschlagzeug an. “Es wurde viel ausprobiert,” erinnert sich Klaus Löhmer, damals sein Assistent. “Das ‘Phasing’ war seine Spezialität. Man ließ zwei Bandmaschinen parallel laufen und bremste dann die eine mit der Hand ein bißchen ab, wodurch feine Schwebungen entstanden.”

1974 hatte Plank genug Geld gespart, um auf eigenen Beinen zu stehen. Mit seiner Lebensgefährtin, der Schauspielerin Christa Fast, richtete er im Weiler Wolperath-Seelscheid bei Bonn sein eigenes Studio ein - im ehemaligen Schweinestall eines Bauernhofs. Fünfzehn Jahre lang wurden hier spannende Produktionen realisiert.

Herbert Grönemeyer pflegt seit längerem eine Vorliebe für die Eskapaden der frühen deutschen Rockmusik. Auf seinem Grönland-Label hat er Alben der Gruppe Neu wiederveröffentlicht und eine ‘Live’-Aufnahme von Harmonia herausgegeben. Jetzt setzt er mit einer Box von vier CDs Conny Plank ein Denkmal, der 1989 verstarb. Dabei sind viele, mit denen Plank gearbeitet hat: Neu, Cluster, Brian Eno, die Eurythmics, auch La Düsseldorf und D.A.F. Andere fehlen: Kraan, Exmagma, Ultravox, David Bowie sowieso. Eine CD mit Remixen holt frühe Tracks in die Gegenwart und auf der vierten Scheibe ist ein Konzertmitschnitt von Plank aus dem Jahr 1986 enthalten, der die Schnittstelle zwischen Pop und avantgardistischer Elektronik auslotet. Beim Hören wird klar: Immer wieder von Neuem riß Conny Plank den Horizont weit auf.

Who’s That Man – A Tribute To Conny Plank (Grönland)

Der Artikel erschien zuerst in der NZZ.

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