Jenseits der Effekthascherei
Der Brooklyner Pianistin Kris Davis gehört zu einer neuen Generation von Jazzmusikerinnen - ihr neues Album 'Capricorn Climber' zeugt von einem beachtlichen Kaliber
cw. Die kanadische Pianistin Kris Davis
hat sich in den letzten Jahren auf der alternativen Jazzszene in Brooklyn einen
Namen gemacht. Selbst Pianostar Jason Moran ist voll des Lobs für die
Vielseitigkeit und das Talent seiner Klavierkollegin, die sich auch schon als
Arrangeurin profiliert hat. Mit ihrem Quintett hat Davis jetzt ein Album
vorgelegt, dass die ganze Bandbreite ihrer Begabung zeigt.
Davis hat eine Musik entworfen, die sich
am Klang der Gruppe als einer Einheit orientiert. Solistische Exkursionen
stehen selten im Mittelpunkt, immer geht es um die kollektive Gestaltung von
Stimmungen und Atmosphären, die gelegentlich etwas grüblerisch ausfallen. Erstaunlich
ist, dass sich die Bandleaderin dabei selbst am meisten zurücknimmt. Lieber
läßt sie Mat Maneri eine Improvisation auf der Viola spielen oder gesteht
Trevor Dunn ein Baßsolo zu, bevor sie einmal zu einer Pirouette auf der
Tastatur ansetzt.
In ihren Kompositionen kann es zu
ekstatischen Ausbrüchen in Freejazz-Manier kommen wie im Titelstück “Capricorn
Climber” oder zu träumerischen Elegien wie in “Bottom Of A Well”. In seiner
verhangenden Melancholie greift dieses Stück atmosphärisch in die Sphären der
“Zweiten Wiener Schule” aus, die Davis aus dem Effeff kennt, hat sie doch
ursprünglich klassisches Piano studiert. Andere Stücke grooven in vertrakter Manier
oder besitzen einen untergründigen Swing, über dem sich knifflige Melodienlinen
der verschiedenen Instrumente ineinander verschlingen
Kris Davis versteht es ausgezeichnet,
mit dynamischen Abstufungen, Klangfarben- und Tempowechseln sowie rhythmisch
gebunden bzw. freien Sequenzen für Spannung zu sorgen. Nie werden die
musikalischen Mittel effekthascherisch
eingesetzt, vielmehr herrscht immer die Absicht vor, sie in ihrer Substanz zu
erkunden. Mit Tom Rainey am Schlagzeug,
Trevor Dunn (Kontrabaß), Ingrid Laubrock (Saxofone) und Mat Maneri (Viola) hat
Davis ein kompetentes Team aus erfahrenen Musikern zusammengestellt. die sich
nicht mehr beweisen müssen, sondern sich ganz in den Dienst ihrer Musik
stellen.
Mit diesem exzellenten Album macht
Davis klar, dass sie zu den interessantesten Vertretern der neue Generation von
New Yorker Jazzmusikern zählt. Mit ihr wird in Zukunft vermehrt zu rechnen sein.
Kris Davis: Capricorn Climber (Clean Feed)
Die Besprechung erschien zuerst in der Zeitschrift Jazzthetik, Nr. 7+8 2013.
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