Brodelnder Souljazz
Das New Standard Trio aus New York beim Jazzclub in Singen
cw. Drei Musikergenerationen kommen in der Combo zusammen: ein ergrauter Veteran spielt Baßgitarre, am Schlagzeug sitzt ein Wirbelwind mittleren Alters, während ein junger Wilder in die Klavier- und Orgeltasten greift. Zusammen bilden die drei das New Standard Trio, das – Namen sind Zeichen – am liebsten alte Jazzstandards interpretiert, doch auf nicht alltägliche Weise. Gerade befindet sich die New Yorker Jazzformation auf einer zweiwöchigen Europatournee, die sie über Polen, Italien und Slowenien auch im Kulturzentrum Gems beim Jazzclub in Singen Station machen ließ. Vor einer beachtlichen Zuschauerkulisse absolvierten sie einen bejubelten Auftritt.
Wenn Jamie Saft in die Tasten seiner zweimanualigen Orgel greift, Bobby Previte einen groovenden Ryhthmus trommelt und Bassgitarrist Steve Swallow ein paar markante Grundtöne platziert, meint man sich in einer Spelunke an irgendeiner staubigen Landstraße im amerikanischen Süden zu befinden: Auf der Bühne eine Band, die Elemente aus Gospel, Blues und Soul zu einem Sound vermischt, wie ihn in den 1960er Jahren als Hausband der Schallplattenfirma Stax in Memphis, Tennessee schufen.
Viel Gefühl und noch mehr Seele bestimmten damals den „Memphis Soul“, geformt aus erdigen Grooves und klaren Melodien, wobei das New Standard Trio sein Bestes gab, an den Sound dieser heute klassischen Soulmusik anzuknüpfen. In den Improvisationen brachte Jamie Saft seine Orgel ordentlich zum Kochen, ließ sie aufjaulen und heulen, erhöhte bei jedem Durchgang noch einmal die Intensität, bis er zielgenau auf den Höhepunkt zusteuerte, unterstützt von seinem exzellenten Ryhthmusteam, das mitging und die Spannung immer noch um eine Umdrehung steigern konnte.
Foto: C. Wagner
Obwohl drei gleichwertige Instrumentalisten das Trio ausmachen, ist es doch eindeutig die Band von Tastenspieler Jamie Saft, der mit seinem ellenlangen Bart aussieht, als wolle er sich für die Keyboarder-Stelle bei der Rockband ZZ Top bewerben. Saft macht die Titelansagen, bestimmt die Stückefolge und gibt auch musikalisch den Ton an, während Steve Swallow und Bobby Previte ihm auf Schritt und Tritt folgen.
Wenn Saft an den Flügel wechselt, vollzieht sich ein Szenenwechsel. Jetzt befindet man sich nicht mehr in einer Straßenkneipe im Süden der USA, sondern in einem feinen, großstädtischen Jazzclub, wo die klassische Jazzballade zu Hause ist. In den 1950er Jahre hat in dieser Sparte der Pianist Bill Evans Maßstäbe gesetzt, und Evans ist auch der Leitstern, dem Jamie Saft folgt. Sensible Töne, feine Akkordsequenzen und ein delikater Anschlag verweben sich zu einem traumversunkenen Jazz. Schlagzeuger Previte setzt mit den Besen behutsame Akzente, während Baßgitarrist Swallow ein paar wohldurchdachte Soli beisteuert, die weniger durch Virtuosität als durch das fantasievolle Weiterspinnen der Melodien bestechen.
Wie schön wäre es gewesen, wenn jetzt auch noch Iggy Pop die Bühne betreten hätte. Immerhin hat der Urpunk auf dem vorletzten Album zwei Balladen mit dem New Standard Trio gesungen. Doch natürlich gab sich Iggy Pop kein Stelldichein. Die Band mußte ohne ihn klarkommen. Aber auch ohne den Extremrocker stand das Konzert dennoch für einen rundum gelungenen Abend.
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