Wednesday, 5 April 2023

B.B. King Biographie

Der König des Blues

Eine dickleibige Biographie beleuchtet das Leben von B. B. King, ist jedoch nicht ohne Mängel


B.B. King (Promofoto by Glen Craig)



 

cw. Aus ärmlichsten Verhältnissen stieg er zum Superstar des Blues auf, gefeiert von einer Legion von zumeist weißen Popgrößen, die ihn bewunderten und nachahmten. Das machte B. B. King zu einem der einflußreichsten schwarzen Musiker im 20. Jahrhundert und zum Vorbild einer ganzen Generation von Rockgitarristen.

 

Seine Kindheit erscheint als undurchdringliches Gestrüpp widersprüchlicher „Wahrheiten“. Fest steht, dass Riley King, wie B. B. King eigentlich hieß, 1925 im Mississippi Delta in eine arme Familie von Baumwollfarmern hineingeboren wurde und nach der Trennung der Eltern und dem Tod der Mutter größtenteils bei Verwandten aufwuchs. Bretterhütten ohne fließendes Wasser und elektrisches Licht waren sein Zuhause, eine Zahnbrüste unerschwinglicher Luxus. Als King zum ersten Mal einer Toilette aufsuchte, wusste er nicht, wie die Wasserspülung funktioniert.

 

Riley Kings Welt war der Blues. Er kannte die „Field Holler“, mit denen auf den Baumwollfeldern Nachrichten übermittelt wurden. Der Priester in der Kirche griff im Gottesdienst ekstatisch zur Gitarre, dazu kam Bukka White, ein älterer Cousin und Bluesmusiker, dessen gelegentliche Besuche Kings Interesse an der Gitarre weckten. Auf dem Grammophon spielte die Tante Schellackplatten von Blind Lemon Jefferson und Bessie Smith, wobei dem kleinen Riley besonders das flüssige Bluesjazz-Gitarrenspiel von Lonnie Johnston gefiel. 

 

Im Alter von elf Jahren bekam er von einem Onkel eine Gitarre geschenkt, auf der er intensiv nach der Feldarbeit übte. Mit 14 trommelte King seine erste Band zusammen, eine Vokalgruppe nach dem Vorbild des Golden Gate Quartets. Eine zweite Gruppe, die Famous St. John Gospel Singers, folgte ein paar Jahre später, wobei er jetzt mit seiner Gitarre die Sänger begleitete. Der Radius ihrer Auftritte vergrößerte sich, dazu kamen gelegentliche Solo-Darbietungen auf der Straße, was mehr einbrachte als die Feldarbeit. 

 

Nach einem Traktorunfall floh der junge Mann aus Angst vor Schadenersatz nach Memphis. Tagsüber arbeitete er als Schweißer, abends machten er mit seinem Vetter Bukka White Musik. Gelegentlich traten die beiden bei Wettbewerben auf. 1949 landete B. B. King – wie jetzt der „Blues Boy“ genannt wurde – einen täglichen „Slot“ im Radio. 

 

Schritt um Schritt arbeitete er sich nach oben. Bald zählten B. B. & His Blues Boys zu den Matadoren der Musikszene von Memphis. Im neueröffneten Studio von Sam Phillips nahm der Gitarrist eine erste Platte auf, ein paar Jahre bevor Elvis dort seine Karriere begann. Schon Kings nächste Einspielung schaffte es in die Rhythm & Blues-Charts. Touragenten klopften an und offerierten Gagen, die Appetit aufs Showgeschäft machten. Doch Geld war ein Problem. King gab es mit vollen Händen aus. Bald stand ein teurer Cadillac vor der Tür, und Unsummen wurden beim Glücksspiel verzockt. An die 40 Millionen Dollar sollen es im Laufe seines Lebens gewesen sein, weshalb der Bluessänger oft vor der Pleite stand, obwohl er gut verdiente.


B.B. King "live" at Sing Sing Prison, 1972 (youtube)



 

King ließ die Spelunken hinter sich und trat in Theatern und größeren Auditorien auf. Doch auf Gastspielreise ein Hotel zu finden, war für schwarze Musiker in Zeiten der Segregation nahezu unmöglich, weshalb die Band meistens im Tourbus schlief. Die Dauertourneen wurden zum Alltag, mit all den Wirrnissen aus zuviel Alkohol, Frauengeschichten und Querelen mit betrügerischen Promotern.

 

Als die schwarze Bürgerrechtsbewegung gegen den alltäglichen Rassismus auf die Barrikaden gingen, hielt sich B. B. King bedeckt. Politisch war er ein Leisetreter. Lieber überwies er heimlich Geld zur Finanzierung von Demonstrationen und Kampagnen, als öffentlich für eine Sache einzutreten. 

 

B.B. Kings Gitarrenspiel wurde ungestümer, sein Sound lauter und klarer. Wenn King sein Instrument, das er liebevoll „Lucille“ nannte, mit markanter Tremelo-Technik singen ließ, drang aus den Lautsprechern ein warmer Sound, der seinen Stil unverkennbar machte. „Butterfly“ nannte er diese Technik, bei der seine Finger beim Vibrato-Spiel wie die Flügel eines Schmetterlings flatterten. 


v.ln.r: Mick Jagger, Keith Richards, B.B. King (Promofoto by Glen Craig)



 

Mitte der 1950er Jahre wurde der Blues vom „Rock ‘n‘ Roll“ überrollt. B. B. Kings Erfolgssträhne erhielt eine erste Delle. Er verkleinerte seine Band und steigerte sein Pensum auf 300 Auftritten pro Jahr. Erfolge weißer Rockgruppen wie der Rolling Stones oder Cream entfachten in den 1960er Jahren neues Interesse am schwarzen Blues und machten B. B. King einem weißen Publikum bekannt. Im Hippietempel Filmore West in San Francisco wurde er von den Blumenkindern gefeiert.

 

Im Vorprogramm der Rolling Stones tourte King 1969 durch Amerika und festigte seinen Ruf, der wohl beste Gitarrist im Blues zu sein, bewundert von Keith Richards, Jeff Beck und Eric Clapton. Mit „The Thrill Is Gone“ gelang ihm ein Hit. Jetzt stieg seine Erfolgskurve so hoch wie nie zuvor. Unterstützt von Popstars nahm er 1971 das Album „B. B. King in London“ auf mit Beatle Ringo Starr am Schlagzeug.

 

Der Höhenflug hielt nicht all zu lange an, und seine Flirts mit den jeweils neusten Moden im Pop klangen wenig überzeugend. Ehrungen glichen die Flops aus. Gitarrenmodelle erhielten seinen Namen, eine erste Biographie erschien, Grammys und die Aufnahme in die Rock ‘n‘ Roll Hall of Fame trugen zur Nobilitierung bei. In seiner einstigen Heimatstadt Indianola wurde ein B. B. King-Museum eröffnet.




 

Sein Manager fädelte Plattenaufnahmen mit Popgrößen wie U2 ein, um dem künstlerischen Stillstand und kommerziellen Sinkflug zu entgehen. Kings Musik wurde mehr und mehr zum Relikt der Vergangenheit, versinnbildlicht durch den von Krankheit gezeichneten Gitarristen, der jetzt seine Konzerte nur noch mühsam sitzend auf einem Stuhl bestritt. 2015 verstarb B. B. King im Alter von 89 Jahren. 

 

Der amerikanische Autor Daniel De Visé zeichnet den Lebensweg des Königs der Bluesgitarristen mit detailversessener Akribik nach, wobei er die Geschichte des Blues gleich mitliefert, mit zahllosen Anekdoten garniert. Selbst Trivialitäten bis hin zu abgeschmackten Witzen des Meisters wird Platz eingeräumt, was das Buch um einiges zu umfangreich geraten läßt. Auch werden sexistische Prahlereien und ein peinliches Frauenbild vom Autor völlig unkritisch kolportiert, als sei die „Me-Too“-Kampagne am Rockjournalismus spurlos vorübergegangen.

 

 

Daniel De Visé: King of the Blues – Aufstieg und Regentschaft des B. B. King. (Aus dem amerikanischen Englisch von Holger Hanowell). Reclam Verlag; 697 Seiten mit ein paar Fotographien. 36.– Euro

 

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