SCHEIBENGERICHT Nr. 47
Keiji Haino & Reinhold Friedl
truly, slightly, overflowing, whereabout of good will
zeitkratzer productions
Reinhold Friedl ist Leiter und Pianist des Ensembles Zeitkratzer, eine der führenden Gruppen zeitgenössischer Musik, auch in der Improvisation geübt. 2014 hat Zeitkratzer mit dem japanischen Vokalisten Keiji Haino ein Album veröffentlicht, und seither haben Friedl und Haino immer wieder zusammengearbeitet.
Jetzt haben die beiden eine Platte vorgelegt, die in die Tiefenschichten der menschlichen Psyche führt oder auch in Urzeiten, bevor es überhaupt Sprache gab, wobei Phil Minton und Diamanda Galás grüßen lassen. Bei diesen vokalen Teufelsaustreibungen verwandelt sich Hainos Rachenraum in ein finstere Höhle, wo alle möglichen Geister und Dämonen hausen und einen schauerlichen Singsang anstimmen. Friedl hüllt die infernalischen Gesänge in dezente Klangnebel, die sich manchmal zu Texturen aus Schnarr- und Quitschgeräuschen aus dem Inneren des Flügels verdichten.
Die erste der drei langen Improvisationen fängt mit Wimmern, Schluchzen, Krächzen und Jaulen an, bevor sich in Andeutungen der Protestsong “Strange Fruit” von Billie Holiday herauszuschälen beginnt. Das ist keine Musik, die den Fuß wippen läßt, aber trotzdem durch ihre kompromißlose Unbedingtheit den Zuhörer in den Bann zu ziehen vermag, vorausgesetzt man ist bereit, sich auf solch anschwellende Bocksgesänge einzulassen.
Taster:
https://reinholdfriedl.bandcamp.com/album/truly-slightly-overflowing-whereabout-of-good-will
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